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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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223

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.

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sein mögen, sie werden in der Regel von den die
Generalversammlungen vorbereitenden Komitees nicht
anerkannt, oder wenigstens durch den Einwand be-
seitigt, dafs im vorliegenden Falle durch grofse Vor-
sicht in der Auswahl, bezw. Zulassung der Künstler
und ihrer Schöpfungin die Gefahr der Rückständig-
keit vermieden werden solle.

An gutem Willen mag es auch nach dieser Rich-
tung in Bonn nicht gefehlt haben, aber das unge-
wöhnlich geräumige und lichte Lokal des neuen Real-
gymnasiums, welches mit seinen drei hoch gestochenen
Etagen, breiten Gängen und zahlreichen Zimmern zur
Verfügung stand, war als Freistätte gar zu verlockend,
und der Umstand, dafs weder Platzmiethe noch Ver-
sicherungsgebühr beansprucht wurde, machte die Be-
nutzung derselben zu einem billigen Vergnügen, zur
Gewinnung eines wohlfeilen Stempels für allerlei Pro-
dukte, von denen wohl nur wenige für diesen Zweck
angefertigt, die meisten den Bestellern neueren oder
auch älteren Datums entlehnt, oder den Geschäfts-
lokalen entnommen wurden. Hierbei sind natürlich
die Baumeister am ungünstigsten gestellt, die sich
auf Zeichnungen beschränken müssen, also auf Schau-
stücke, die am wenigsten in die Augen fallen und
am schwersten zu verstehen sind. Derselben Schwie-
rigkeit unterliegen die Wandmaler; die Tafelmaler
auch hinsichtlich ihrer grofsen Ausstattungsstücke. Die
Bildhauer sind zumeist auf farblose Gipsmodelle an-
gewiesen, oder auf kleinere Figuren und Altäre, da
die gröfseren in den Kirchen nicht zu entbehren sind,
oder zu grofse Transportschwierigkeiten bieten. Dazu
kommt, dafs diese Gegenstände, wie auch die meisten
Glasgemälde für ganz bestimmte Stellen und Be-
leuchtungsverhältnisse berechnet sind und auch in den
günstigsten Ausstellungsräumen kein Urtheil darüber
gestatten, ob der Künstler wirklich das Richtige ge-
troffen hat. Am dankbarsten ist daher die Position
der Gold-, Kupfer- und Eisenschmiede, so-
wie der Kunstweber und Stickerinnen, die
mit Leichtigkeit ihre Erzeugnisse zusammenholen
und derart aufstellen können, dals sie Beachtung
finden.

Es besteht nicht die Absicht, an dieser Stelle, die
einzelnen Ausstellungsgegenstände oder gar deren
Urheber zu beurtheilen; das hat eigentlich nur Zweck
angesichts derselben, vornehmlich unter vier Augen,
denn unter den Künstlern gibt es doch manche, die
der Belehrung zugänglich sind, und viele Leistungen
würden sehr viel besser ausgefallen sein, wenn der
Entwurf einem kunstverständigen Beurtheiler vorgelegen
hätte, der vielleicht durch wenige, aber bestimmte
Rathschläge ihn ganz wesentlich hätte verbessern
können. Nicht selten sind die Mängel auf die Vor-
bilder zurückzuführen, selbst auf alte, deren Schwächen
nicht übernommen werden sollen. So erscheint bei den
meisten neuen Monstranzen als der schwächste Punkt
die zu kurze kraftlose Gestaltung des Trichters,
aus welchem der Aufsatz herauswächst, sowie die
seitliche Strebenentwicklung; an den meisten Altar-
und Prozessionskreuzen der Uebergang aus dem Knauf
in den Längsbalken. Auch sollte der Goldschmied,
dir die äufserst schwierige Kunst des Emaillirens
nicht versteht, sich auf Niellen, oder auf Gravuren

bezw. Reliefs beschränken, auch die Filigrantechnik
nicht allzusehr ausschlachten. Den Gelbgie lsern,
deren Inferiorität am offenkundigsten ist, dürfte sich
in den meisten Fällen das Benutzen mittelalterlicher
Modelle empfehlen, zumal bei Leuchtern. Je unter-
geordneter der Gegenstand ist, um so weniger bedarf
er im Allgemeinen neuer Erfindung, je bedeutsamer
seine Bestimmung, je eigenartiger seine Gestalt, je
komplizirter seine Form, um so höhere Anforderungen
stellt er an die Selbstständigkeit der künstlerischen
Auffassung, so dafs es als ein grofser Fehler erscheinl,
einen Reliquienschrein derart zu gestalten, dafs er
sofort seine alte Vorlage verräth. Auch mehr Mannig-
faltigkeit ist den Goldschmieden ans Herz zu legen,
die durch die Leichtigkeit des Gusses und die Wohl-
feilheit des Stanzens sich zu leicht verlocken lassen
zur mafslosen Ausbeutung ihres oft sehr beschränkten
Modellenvorrathes. Auch die Eisenschmiede unter-
liegen noch immer dieser Gefahr, obgleich die Fort-
schritte auf ihrem Gebiete sie allmählig für die
Hammertechnik gewonnen haben.

Die Kunstweberei wird die Entwicklung, die
sie im letzten Jahrzehnt genommen hat, nur dann
behaupten, wenn sie nicht nur an den Mustern, son-
dern auch an der Technik der Alten festhält. Wer
die kölnischen Borten abschwächt durch flache flaue
Behandlung, nimmt ihnen nicht nur den Reiz, sondern
jeglichen Werth. So wirkungsvoll und unentbehrlich
sie übrigens auch in ihrer alten Art sind, sie sollen
die Stickereien nicht verdrängen, deren Pflege
nicht angelegentlich genug empfohlen werden kann.
An technisch geschulten Kräften herrscht zwar kein
Ueberflufs, aber auch kein völliger Mangel, hingegen
die grofse Schwierigkeit, geeignete Vorlagen zu be-
schaffen. Für ihre Anfertigung gibt es nur wenige
Künstler und ihre Preise sind gewöhnlich für die
immer noch viel zu schwach honorirten Stickerinnen
unerschwinglich ; so lange letztere nicht selbst Hand
anlegen, wird dieser Uebelstand fortdauern. Auf
keinem kirchlichen Kunstgebiete wird so viel Arbeits-
kraft vergeudet, als auf diesem, auch abgesehen von
dem hier so üppig wuchernden Dilettantismus.

Die Bildhauer zeigen sich mehrfach bestrebt,
an die vortrefflichen Schöpfungen der niederrheinischen
Meister um die Wende des XV. Jahrh. Anschlufs zu
finden, deren Mafswerkbekrönungen jenen durchweg
besser gelingen, als die Gruppendarstellungen, in denen
dem modernen Geschmacke zu viele Konzessionen ge-
macht zu werden pflegen. Die Polychromie derselben
läfst in der Regel Manches zu wünschen übrig, weil bei
ihr das Glanzgold zu sehr gespart, der malerische Effekt
mit seinen Schatten und Lichtern zu stark forcirt wird.
Zum Schlüsse soll übrigens nicht verschwiegen
werden, dals die Bonner Ausstellung immerhin einen
gewissen Fortschritt erkennen läfst, nicht nur in dem
Streben, sondern auch in den Ergebnissen. Als
solcher, wenngleich negativer Art, mag auch die
Thatsache hervorgehoben sein, dafs kein Aussteller
es gewagt hat, die modernen Linienspiele und Orna-
mente in den kirchlichen Kunstbetrieb einzuschleppen.
Was an ihnen gesund ist, steht längst viel reiner und
anmuthiger in der Formenlehre der Alten.

Schnütgen.
 
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