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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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255

1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

256

Fachsammlungen, der Speicher die Weih-
nachtskrippen. Diese unermefsliche Fülle von
Gegenständen sachgemäfs und übersichtlich zu ver-
theilen, anschaulich und lehrreich aufzustellen , sei es
frei, sei es in passend konstruirten und verzierten
Glasschränkeu, und in Uebereinstimmung damit die
Decken und selbst die Fufsböden zu behandeln, die
Wände zu färben, Alles zu harmonischer, immer neue
Anregung bietender Wirkung in Form und Farbe zu
vereinigen, war eine gewaltige Aufgabe, deren Lösung
der Architekt möglich gemacht hatte, der Dekorations-
künstler leistete. Was dafür an altem Kunstmaterial
nur vorhanden war, oder herbeigeschafft werden konnte,
fand Verwendung, und ganz erstaunlich ist die Stim-
mung, in der Altes und Neugeschaffenes sich hier
zusammengefunden haben. Am schwierigsten war
diese Aufgabe im Erdgeschofs zn lösen, in wel-
chem auf den malerischen Effekt besonders hinge-
arbeitet werden mufste. Alles irgendwie Schablonen-
hafte war hier nicht nur vermieden, sondern geradezu
perhorrescirt, jeder Raum wesentlich verschieden vom
anderen in Gröfse und Höhe, Gestalt und Stil,
gleichartig nur in der Lichtfülle, welche durch die
fast überall, aber nur bis zu mäfsiger Höhe ange-
brachten, herrlichen alten Glasgemälde keine erhebliche
Einbufse erleidet. Selbst die prähistorischen
und römischen Alterthümer haben durch die Ge-
staltung der Wände und der Schränke eine so origi-
nelle wie zutreffende Fassung erhalten, und den m e r o-
wingischen Fundstücken, wie den romanischen Klein-
kunsterzeugnissen sind Räume wie Vitrinen vortreff-
lich angepafst. Wenn in letzteren einige Objekte
durch kühne malerische Zusammenstellung zu archäo-
logischen Bedenken Veranlassung bieten könnten, so
werden diese bei der noch ausstehenden Detailordnung
gewifs verschwinden. Ein imposanter Raum ist das
romanische Lapidarium mit seinen Bautheilen und
Bildwerken in Stein und Holz, die so zahlreich sind,
dafs es vielleicht der Beifügung von (freilich poly-
chromirten) Gipsabgüssen, wenigstens auswärtigen, wie
der Wechselburger Triumphkreuzgruppe, nicht bedurft
hätte. Die Reihe der gothischen Zimmer (Raum 6
bis Saal 22) bietet in den Decken und Täfelungen,
an den Wänden und in den Möbeln, wie innerhalb
der Vitrinen einen derartigen Reichthum von einge-
bauten und eingestellten Ausstattungsgegenständen,
an Gemälden und Skulpturen, an Schränken und
Truhen, an Teppichen und Behängen, an Metall- und
Schnitzwerk der mannigfaltigsten Art, dafs ihm gegen-
über jedes Museum zurücktreten mufs; und das Alles
ist zumeist im Lande gesammelt, daher fast lauter
Illustrationsmaterial für dessen kunstgeschichtliche Ent-
wicklung. Diesem glücklichen Umstände hätte vielleicht
auf einigen Gebieten, wenigstens auf dem einen der
gothischen Plastik, mehr Rechnung getragen werden
können durch Darstellung von Entwicklungsreihen, die
freilich, weil der dekorativen Vorzüge entbehrend, in
besonderen Räumen unterzubringen wären, etwa im
Zusammenhange mit den Fachsammlungen. Auch
wäre es vielleicht möglich gewesen, einzelnen Sälen
eine schärfere Zuspitzung zu geben, also z. B. neben
dem gewaltigen Kirchensaal mit seinen beiden Kapellen-
reihen eine Sakristei, neben den Waffenhallen Wohn-

zimmer, Schlafzimmer, Küche u. s. w. einzurichten.
Ob das die Oekonomie der Räume gestatten würde,
ist freilich eine Krage, denn schon jetzt wiegt, wenig-
stens hinsichtlich der nur an den Wänden anzubrin-
genden Gegenständen der Eindruck vor, als ob die
Bestände zu umfassend seien, besonders auf dem Ge-
biete der Gemälde und Figuren, die untergebracht
werden müssen, wenn sie nicht in noch gröfserer An-
zahl in die Magazine verbannt sein sollen. Und
wie gerne würde man noch die gröfseren Schnitz-
werke der folgenden Jahrhunderte, namentlich des
XVII. und XVIII., die gerade in Bayern eine so glor-
reiche Entfaltung gefunden haben, in mächtigen Hallen,
etwa in einer Barock- und Rokoko-Kirche vereinigt
sehen! Sie stehen vielfach auf dem Aussterbeetat;
und wenigstens die besten Exemplare, die stellenweise
gefährdeten Altäre, Kanzeln, Kommunionbänke, Chor-
stühle, Kirchenbänke, Beichtstühle etc. zur Gesammt-
wirkung zu vereinigen, wäre doch eine überaus loh-
nende Aufgabe. — Bezaubernd wirkt der Anblick des
langgezogenen, von 9 Kapellen flankirten Kirchen-
raumes mit seinen Flügelaltären und Figuren, seinen
liturgischen Geräthen und Gefäfsen, und auch in den
schwer zu schmückenden Waffenhallen ist die Masse
der Rüstungen glücklich untergebracht. Mit dem sehr
reich ausgestatteten Saal 22 beginnt der Uebergang
zur Renaissance, und der italienische Saal (23) leitet
über zu den Sälen, welche das Kunstschaffen in der
Periode Otto Heinrichs darsiellen; dann folgen in
grofsen Sälen die Schöpfungen aus den Perioden der
Kurfürsten Maximilian, Ferdinand Maria, Max Ema-
nuel, Karl Albert, Max Joseph, Karl Theodor (also
von 1597 bis 1799), sowie der Könige Maximilian I.,
Ludwig I., Maximilian II. und Ludwig II. (also von
1806 bis 1886). Dazwischen fällt eine Kapelle des
XVII. Jahrh. mit entsprechendem Vorraum, das Minia-
turenkabinet (85), das Landshuter Zimmer (40), die
Elfenbeinsammlung (41), der Modellensaal (4^).

Das Treppenhaus, eine wie das Vestibül, im baye-
rischen Barockstil ausgeführte und ausgeschmückte
stattliche Anlage, führt zu den Fachsammlungen,
die sehr mannigfaltig und umfassend, bei nicht zu
enger Aufstellung und vortrefflicher Beleuchtung auch
dem ernsten Studium entgegenkommen, obgleich die
Serien nicht streng durchgeführt sind. Der Schmuck
der Wände, die Tonung der ausschliefslich in Holz,
nicht in dem kalten, öden Eisen ausgeführten Glas-
schränke bilden überall einen sehr gefälligen, an-
heimelnden Rahmen, und die Weihnachtskrippen,
eine überaus interessante, vom Kommerzienrath Schme-
derer geschenkte, vom Konservator Dr. Hager geord-
nete Separatabtheilung, geben der ganzen Besichtigung
einen sehr befriedigenden Abschlufs.

Der „Führer durch das bayerische Na-
tional-Museum", von Direktor Dr. Graf mit dessen
Vorgeschichte bevorwortet, vom Konservator Mayer
ausgearbeitet, 152 Seiten umfassend und mit 3 Grund-
rissen ausgestattet, lag am Eröffnungstage fertig vor.
Er enthält eine Beschreibung der einzelnen Räume und
der wichtigsten darin ausgestellten Gegenstände, am
Schlufs auch einen Hinweis auf die gärtnerischen An-
lagen und auf die 7 Höfe mit den mancherlei in ihnen
aufgestellten Denkmälern. a chniltgen.
 
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