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Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

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Kolberg, Josef: Ein französisches Psalterium des XIV. Jahrh., [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0204

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311

1900. - ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

312

Die Stelle des jetzigen Asteriskus im Psalm-
verse vertreten zwei rothe Häkchen. Inner-
halb der Sätze findet sich als Interpunction
entweder ein einfacher Punkt, der oft mit dem
Schlüsse des Buchstabens verbunden ist, oder
ein Punkt und darüber vier Häkchen, ähn-
lich den Häkchen, welche als Asteriskus dienen.
In der ersten Hälfte des Psalteriums sind diese
Interpunktionen durch ein nach oben und
nach unten geschwungenes Häkchen gemacht.

Ist es auch schwer, mit Bestimmtheit die
Schrift als dem XIV. Jahrh. angehörig nach-
zuweisen, so spricht doch ihre Sauberkeit, das
anfängliche Fehlen von Trennungszeichen und
i-Strichen, sowie die seltene Anwendung von
Abkürzungen entschieden für dasXIV. Jahrh.,53)
und auch innerhalb dieses Zeitraums wäre der
Termin möglichst früh anzusetzen.

Soweit führen wir unsere Untersuchung.
Kunsthistoriker, welchen der Miniaturenschatz
der altfranzösischen Psalterien zu Paris und
in Nordfrankreich zur Untersuchung zu Ge-
bote steht, werden vielleicht im Stande sein,
noch genauer den Entstehungsort des vor-
liegenden Psalteriums nachzuweisen. Der »Ca-
talogue General des Manuscrits des Bibli-
otheques Publiques de France«54) nennt 50
Handschriften aus verschiedenen Jahrhunderten,
welche sicher der Abtei St. Aubert zu Cambrai
gehört haben. Ein Vergleich dieser Hand-
schriften und ebenso der verschiedenen Psal-
terien, welche auf den ersten Seiten des Bandes
als im Gebrauch an der Cambraier Kirche ver-
zeichnet sind und zum Theil aus dem XIV.
Jahrh. stammen, würde die Zugehörigkeit unsers
Psalteriums zur Diöcese Cambrai noch sicherer
stellen; ebenso würde sich so feststellen lassen,
ob und in welchem Zusammenhange das Psal-
terium wirklich zu dem genannten Kloster
St. Aubert steht, denn die diesbezüglichen
obigen Ausführungen wollen nur auf den
Werth einer einigermafsen begründeten Ver-
muthung Anspruch machen. Eine solche Un-

•*) Man vergleiche bei Arndt-Tangl (Schrifttafeln
zur Erlernung der Lateinischen Paläographie, 3. Aufl.).
Tafel 62, eine Handschrift vom Jahre 1282, welche
unserer Handschrift sehr ähnlich ist, ebenso Tafel 59
vom Jahre 1218. Nach diesen Vorlagen zu urtheilen
wäre der Termin der Entstehung möglichst früh an-
zusetzen und könnte unbedenklich auch in die letzten
üecennien des XIII. Jahrh. zurückverwiesen werden.

**) Tome XVII. Cambrai (Paris 1891) p. XIII.
inlroduction. IV. Abbaye de Saint-Aubert.

tersuchung weiter anzustellen, verbietet sich
für den Verfasser bei der weiten Entfernung
seines Wohnortes und seinen anderweitigen
amtlichen Verpflichtungen. Es genügt ihm,
das Manuskript der Braunsberger Klerikal-
seminars-Bibliothek als ein Werk des be-
ginnenden XIV. Jahrh. und der Diöcese
Cambrai zugehörig nachgewiesen zu haben.
Künstlerisch schön ausgestattete Manuskripte
des XIV. Jahrh. aus Nordfrankreich sind in
Deutschland dünn gesäet und auch das Ber-
liner Kupferstichkabinet besitzt nur einige
wenige Werke aus jener Zeit. Es erschien
daher der Mühe werth, das Interesse der Li-
turgiker und Kunsthistoriker auf das eigen-
artige Werk hinzulenken.

Ueber die Möglichkeiten, wie das Werk
sich bis in unsere ultima Thule hin verirrt hat,
nachzuforschen, lohnt nicht der Mühe. Es
gibt deren zu viele. Vielleicht hat erst Joseph
von Hohenzollern das Buch auf seinen Reisen
erworben und seiner Bibliothek einverleibt.
Dafür, dafs es sich im Privatbesitze des
Fürstbischofs befunden hat, spricht der dem
Buche aufgeprägte Stempel mit den Wor-
ten: Ex legato Pr. Ep. Jos. de Hohen-
zollern, welchen alle Bücher erhielten, die aus
dem Nachlasse des Fürstbischofs dem Klerikal-
seminare zufielen.55) Vielleicht ist es schon
in älterer Zeit bei irgend einer Gelegenheit
nach dem Kloster Oliva, wo Joseph residirte,
gekommen und der dortigen Bibliothek ein-
gereiht worden. Der alte auf der Bibliothek
des Klerikalseminars zu Braunsberg befind -
liehe Cathalogus Librorum Bibliothecae Mona-
sterii B. M. V. de Oliva von 1749 nennt auf
Seite 2 ein Psalterium Davidis juxta trans-
lationem veterem cum canticis, womit das vor-
liegende Psalterium gemeint sein könnte. Die
Bemerkung juxta translationem veterem würde
sich dabei auf die Beobachtung stützen, dafs
der Text von dem jetzt durch Clemens VIII.
emendirten Vulgatatext, wie das bei den späl-
mittelalterlichen Handschriften nicht verwun-
derlich ist, in manchen kleinen Varianten
abweicht. Auch für unser Psalterium gilt

der Satz: Habent sua fata libelli.

ßraunsberg.

Jos. Kolberg.

(Subregens am Bischöflich-Ermländischen Priesteisemi-

nar und Privatdocent am Kgl. Lyceum HosianunO

hb) cf. »Monumenta Historiae Warmiensis«. lid. \ II.
Abt. III. Bd. 3. S. 656. Anm. 2.
 
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