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1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 12.
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Konsolen und Baldachine der Strebepfeiler an,
welche für die Reiterfiguren bestimmt waren,
mochten"auch diese selbst erst zu einer spä-
teren Zeit ausgeführt und an ihrem Orte auf-
gestellt worden sein. Daraus geht hervor, dafs
bei der Bauleitung schon seit der Mitte des
XIV. Jahrh. Klarheit bestand bezüglich dieses
Theils der figuralen Ausstattung der Facade-
Ja, wir haben Grund anzunehmen, dafs in jener
Bauperiode, wo, wie es scheint, nicht ohne
alles Schwanken die endgiltige Entscheidung
über die Eigenart und die wesentlichen archi-
tektonischen Bestandtheile wenigstens des ersten
Facadengeschosses getroffen wurde, der Plan
zu den Reiterfiguren entstand. So lange näm-
lich die Architektur in ihren Grundzügen nicht
bestimmt war, war weder ein Anlafs noch die
Möglichkeit gegeben, eine genauere bildne-
rische Belebung der einzelnen Bauglieder fest-
zusetzen.
Halten wir nun aber ungefähr die Mitte, des
XIV. Jahrh. als die Zeit fest, wo der Regens-
burger Domfacade jener kirchenpolitische Zug
ursprünglich zugedacht worden war, und fragen
wir nach dem intellektuellen Urheber des Planes,
so begegnen uns in der That weder früher noch
später Mitglieder des Domklerus, deren Denk-
und Gesinnungsari sich mehr zur Urheberschaft
eines solchen Planes eignen würde, als gerade
in jener Periode. Damals ragte nämlich aus
dem Domklerus hervor Konrad von Heimberg,
welcher in der Folge (1368—1381) den Stuhl
des hl. Wolfgang innehatte und der sich durch
seine kirchen- und papsttreue Gesinnung ganz
besonders auszeichnete.18) Noch mehr aber fes-
selt unseren Blick dessen gleichgesinnter Stan-
desgenosse und Freund, der berühmte Poly-
histor Konrad von Megenberg (Conradus de
Monte puellarum). Dieser vielgewanderte und
vielbewanderte Mann, der sich dereinst zu Paris
den Magistergrad erworben und daselbst wie
später zu Wien gelehrt und hier als Rektor der
Stephansschule gewirkt hatte, war im Jahre 1342
in den Besitz eines Kanonikates des Regens-
burger Domstiftes gelangt, das er bis zu seinem
Tode (1379) innehatte.14} In dieser Stellung ent-
faltete er eine weitverzweigte einflufsreiche
Thätigkeit als zeitweiliger Pfarrer der Dom-
") Janner »Geschichte der Bischöfe von Regens-
huri.". Regensburj; 1886, 3, 284.
u) Ueber Konrad v. Megenberg vgl. Wetzer n.
Weite's »Kirchenlrxikon« (2) 7, 955 ff.
pfarrei, als „Rathgeber in der Stadt Diensten",
als glücklicher Sachwalter des Emmeramsklosters
von Regensburg am päpstlichen Hofe zu Avignon.
Ein unvergängliches Denkmal setzte er sich
durch die Veröffentlichung seines »Buches der
Natur«, der ersten deutschen Naturgeschichte.
Vergessen wir für die Zwecke unserer Unter-
suchung nicht, dafs seine Wirksamkeit im Dom-
kapitel zu Regensburg 1342 — 1374 genau mit
der Bauperiode des südlichen Theiles der Dom-
facade zusammenfällt. Männer von seiner gei-
stigen Begabung und Bedeutung bleiben kaum
je einmal in einem verhältnifsmäfsig kleinen
Gemeinwesen den wirklich grofsen, die Allge-
meinheit interessirenden Angelegenheiten, wie
es in Regensburg der Dombau war, fernestehen.
Dazu kommt, dafs er dem berufenen Rate jener
angehörte, welche über die Bauangelegenheit
zu entscheiden hatten. Nun aber stand seine
Feder auch im Dienste der politischen Fragen
seiner Zeit. Gerade aus seiner politisch-publi-
zistischen Thätigkeit tönt uns die Stimme ent-
gegen, deren Wiederhall wir in dem kirchen-
politischen Thema der Domfacade verkörpert
sehen. In einer eigenen Schrift wendet er sich
gegen Wilhelm von Occam, welcher bekanntlich
die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der
weltlichen Gewalt von der des Papstes verfocht.
In einer anderen mit dem Titel: De Iransla-
tione imperii sucht er seine Anschauungen über
den Ursprung der kaiserlichen Gewalt und
zwar im bewufsten Gegensatze zu einem
ihm sonst befreundeten, kaiserlich gesinnten,
Publizisten der Zeit, dem Bamberger Bischof
Lupoid von Bebenberg, als berechtigt nachzu-
weisen. Darnach beruht die Gewalt des Kaisers
auf der Uebertragung durch den Papst. Und
zwar habe der Papt das imperium, indem er
es Karl dem Grofsen und in seiner Person auf
die Franken und alle Deutschen übertrug, in
aller Form Rechtens (regulariter), nicht blofs
zufällig (casualiter) vergeben. Denn jure divino
komme dem hl. Petrus und seinen Nachfolgern,
wie Konrad mit einer Reihe zum Theil seit
zwei Jahrhunderten päpstlicherseits verwendeter
Beweisgründe darzulegen sucht, nicht nur die
höchste geistliche, sondern auch die höchste
weltliche Gewalt zu. Auf der Uebertragung des
imperiums an die Deutschen beruhe auch das
Wahlrecht des Kurfürstenkollegiums. Aber der
von den Kurfürsten Krwählte habe erst nach
päpstlicher Bestätigung das Recht, sich König
1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 12.
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Konsolen und Baldachine der Strebepfeiler an,
welche für die Reiterfiguren bestimmt waren,
mochten"auch diese selbst erst zu einer spä-
teren Zeit ausgeführt und an ihrem Orte auf-
gestellt worden sein. Daraus geht hervor, dafs
bei der Bauleitung schon seit der Mitte des
XIV. Jahrh. Klarheit bestand bezüglich dieses
Theils der figuralen Ausstattung der Facade-
Ja, wir haben Grund anzunehmen, dafs in jener
Bauperiode, wo, wie es scheint, nicht ohne
alles Schwanken die endgiltige Entscheidung
über die Eigenart und die wesentlichen archi-
tektonischen Bestandtheile wenigstens des ersten
Facadengeschosses getroffen wurde, der Plan
zu den Reiterfiguren entstand. So lange näm-
lich die Architektur in ihren Grundzügen nicht
bestimmt war, war weder ein Anlafs noch die
Möglichkeit gegeben, eine genauere bildne-
rische Belebung der einzelnen Bauglieder fest-
zusetzen.
Halten wir nun aber ungefähr die Mitte, des
XIV. Jahrh. als die Zeit fest, wo der Regens-
burger Domfacade jener kirchenpolitische Zug
ursprünglich zugedacht worden war, und fragen
wir nach dem intellektuellen Urheber des Planes,
so begegnen uns in der That weder früher noch
später Mitglieder des Domklerus, deren Denk-
und Gesinnungsari sich mehr zur Urheberschaft
eines solchen Planes eignen würde, als gerade
in jener Periode. Damals ragte nämlich aus
dem Domklerus hervor Konrad von Heimberg,
welcher in der Folge (1368—1381) den Stuhl
des hl. Wolfgang innehatte und der sich durch
seine kirchen- und papsttreue Gesinnung ganz
besonders auszeichnete.18) Noch mehr aber fes-
selt unseren Blick dessen gleichgesinnter Stan-
desgenosse und Freund, der berühmte Poly-
histor Konrad von Megenberg (Conradus de
Monte puellarum). Dieser vielgewanderte und
vielbewanderte Mann, der sich dereinst zu Paris
den Magistergrad erworben und daselbst wie
später zu Wien gelehrt und hier als Rektor der
Stephansschule gewirkt hatte, war im Jahre 1342
in den Besitz eines Kanonikates des Regens-
burger Domstiftes gelangt, das er bis zu seinem
Tode (1379) innehatte.14} In dieser Stellung ent-
faltete er eine weitverzweigte einflufsreiche
Thätigkeit als zeitweiliger Pfarrer der Dom-
") Janner »Geschichte der Bischöfe von Regens-
huri.". Regensburj; 1886, 3, 284.
u) Ueber Konrad v. Megenberg vgl. Wetzer n.
Weite's »Kirchenlrxikon« (2) 7, 955 ff.
pfarrei, als „Rathgeber in der Stadt Diensten",
als glücklicher Sachwalter des Emmeramsklosters
von Regensburg am päpstlichen Hofe zu Avignon.
Ein unvergängliches Denkmal setzte er sich
durch die Veröffentlichung seines »Buches der
Natur«, der ersten deutschen Naturgeschichte.
Vergessen wir für die Zwecke unserer Unter-
suchung nicht, dafs seine Wirksamkeit im Dom-
kapitel zu Regensburg 1342 — 1374 genau mit
der Bauperiode des südlichen Theiles der Dom-
facade zusammenfällt. Männer von seiner gei-
stigen Begabung und Bedeutung bleiben kaum
je einmal in einem verhältnifsmäfsig kleinen
Gemeinwesen den wirklich grofsen, die Allge-
meinheit interessirenden Angelegenheiten, wie
es in Regensburg der Dombau war, fernestehen.
Dazu kommt, dafs er dem berufenen Rate jener
angehörte, welche über die Bauangelegenheit
zu entscheiden hatten. Nun aber stand seine
Feder auch im Dienste der politischen Fragen
seiner Zeit. Gerade aus seiner politisch-publi-
zistischen Thätigkeit tönt uns die Stimme ent-
gegen, deren Wiederhall wir in dem kirchen-
politischen Thema der Domfacade verkörpert
sehen. In einer eigenen Schrift wendet er sich
gegen Wilhelm von Occam, welcher bekanntlich
die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der
weltlichen Gewalt von der des Papstes verfocht.
In einer anderen mit dem Titel: De Iransla-
tione imperii sucht er seine Anschauungen über
den Ursprung der kaiserlichen Gewalt und
zwar im bewufsten Gegensatze zu einem
ihm sonst befreundeten, kaiserlich gesinnten,
Publizisten der Zeit, dem Bamberger Bischof
Lupoid von Bebenberg, als berechtigt nachzu-
weisen. Darnach beruht die Gewalt des Kaisers
auf der Uebertragung durch den Papst. Und
zwar habe der Papt das imperium, indem er
es Karl dem Grofsen und in seiner Person auf
die Franken und alle Deutschen übertrug, in
aller Form Rechtens (regulariter), nicht blofs
zufällig (casualiter) vergeben. Denn jure divino
komme dem hl. Petrus und seinen Nachfolgern,
wie Konrad mit einer Reihe zum Theil seit
zwei Jahrhunderten päpstlicherseits verwendeter
Beweisgründe darzulegen sucht, nicht nur die
höchste geistliche, sondern auch die höchste
weltliche Gewalt zu. Auf der Uebertragung des
imperiums an die Deutschen beruhe auch das
Wahlrecht des Kurfürstenkollegiums. Aber der
von den Kurfürsten Krwählte habe erst nach
päpstlicher Bestätigung das Recht, sich König