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1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.
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ihre Unterordnung unter den in der Mitte
perspektivisch vortretenden Baldachin läfst sie
als ein erhabenes Andachtsbild erscheinen. Das
Sedile ist in eine Halle auf einen bunten
Fliesenboden gesetzt in der Naturfarbe des
Steines, mit etwas starken grünen Lasuren.
Auf ihm, vielmehr auf dem zu beiden Seiten
bemerkbaren bräunlichen Kissen sitzen in weiten
bauschigen Gewändern die Gottesmutter, die
gesenkten Hauptes mit dem linken Arm ihr
Kind umfafst, und der hl. Joseph, der in an-
dachtsvoller Geberde den Segen empfängt.
Maria hat rothes Untergewand und bläulichen,
durch weifsliche Lichter gehobenen Mantel,
dessen gelbliches Futter gute Kontraste schafft.
Die grünliche Borte ist durch Goldfäden ge-
mustert und erhöht die glänzende Wirkung mit
dem goldenen Gürtel und der grofsen Spange.
Unter dem violetten Schleier quellen die
blonden Haare hervor und ein tellerförmiger
Strahlennimbus umgibt das grisailleartig kolorirte
Antlitz. Ganz ähnlich ist die Figur des hl.
Joseph behandelt, dessen Tunika und Mantel
dieselbe grüne Färbung zeigen, aber in starker
Abwechselung mit violettem Futter und breiter,
rother, goldübersponnener Bordüre. Das Rosa-
kleidchen des göttlichen Heilandes bildet, durch
feine Höhenlichtungen gemildert, den Mittel-
und Glanzpunkt mit dem frischen Gesichtchen,
welches den übernatürlichen Ansprüchen voll-
kommen gerecht wird. Die drei goldigen
Nimben mit ihrer perlengestickten Einfassung
heben sich vortrefflich von dem pfauenblauen
gewebten Repsgrunde ab, welcher die Hinter-
lage der ganzen Darstellung bildet und des-
halb an mancherlei Stellen hervortritt, in der
Architektur mehr als nöthig, denn die beiden
Seitenfenster hätten wohl besser einen Silber-
ton erhalten, die obere Blendenreihe röthliche
Färbung. Uebrigens ist die vorzüglich gezeich-
nete Architektur mit vollendeter Technik ganz
durch Goldfäden gebildet und zwar in den
Tiefen vermittels des Anlegeverfahrens, in den
tragenden Gliedern mit Hülfe des Korbstichs,
in den ornamentalen Parthien vermöge der
Bouillonmanier. Diese glänzenden Techniken
schaffen hier, dank der korrektesten Ausführung,
eine wunderbare Wirkung, welche nur auf
diesem schwierigen Wege zu erreichen ist und
für die es keinerlei irgendwie ebenbürtigen Er-
satz gibt. Auch die Kölner Borte, so hohes
Lob sie sonst verdient, findet hier ihre Grenze.
Diese Techniken kommen an der Gruppen-
stickerei nur ganz vereinzelt vor, z. B. an dem
Lilienstengel des hl. Joseph; sie ist vielmehr
ganz im haute-lisse-Stich ausgeführt mit Aus-
nahme des Fliesenbodens und des Neufser
Wappens, die im Plattstich gehalten sind. Die
Karnationstheile verdanken ihren feineren Effekt
dem Gebrauche der erst in der Arbeit etwas
zu drehenden Haarseide, die übrigen Parthien
ihre kräftigere Wirkung dem doppelt gedrehten
filoflosse-Faden, wie der ungewöhnlichen Ver-
wendung des Modellirstichs. Diese dem früheren
Mittelalter sehr geläufige, in der Spätzeit des-
selben verlassene Stichart, das sogen, opus
anglicanum, hat den Vorzug, durch das ge-
schlossene System des konzentrischen Auf-
trages den einzelnen Theilen um so mehr
Geltung zu verschaffen und so die Schat-
tenbildung zu verstärken. Die etwas un-
ruhige Stimmung, welche dadurch hervorge-
rufen werden kann, pflegt durch die Zeit
und ihre mildernde Tönung allmählig ausge-
glichen zu werden.
Diesem Schild entsprechen in der Zeich-
nung und Technik die beiden 145 cm langen,
15 cm breiten Stäbe, welche st. laurentius,
st. heinrich, st. ludwig einerseits, st. catharina,
st. margaret, st. agnes andererseits als Stand-
figuren darstellen, jede von einem kräftigen
Goldbaldachin bekrönt und mit der goldenen
Namensbezeichnung in Minuskelschrift als
Sockelband versehen. Ueberall bildet wiederum
die blaue Repsseide den Hintergrund, auch
den hinter jeder Figur bis zu ihrer Kopfhöhe
gespannten Teppich beherrschend, der durch
rautenförmig aufgeheftete Goldfäden gegliedert
ist, bis er unten in den blau und weifs, oder
grün und roth gemusterten Fliesenboden über-
geht. Der hl. Laurentius in weifser Albe und
rother Dalmatik hält mit der Linken den Rost;
der hl. Heinrich in stahlblauer Rüstung und
grünem Pluviale trägt auf dem Haupt die
Bügelkrone, auf der Linken das Modell des
Bamberger Domes, in der Rechten das Schwert;
der hl. Ludwig trägt silberne Tuniken, rothen
Kaisermantel, die Lilienkrone, und hält mit
der Linken das Scepter, mit der Rechten auf
giiinem Kissen die goldene Dornenkrone. Die
hl. Katharina ist in weifses Kleid und röth-
lichen Mantel gehüllt, St. Margaretha in weifs-
liche Tunika und grünes Obergewand, St. Agnes
fast ganz weifs kostümirt, und alle sind
1900. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.
380
ihre Unterordnung unter den in der Mitte
perspektivisch vortretenden Baldachin läfst sie
als ein erhabenes Andachtsbild erscheinen. Das
Sedile ist in eine Halle auf einen bunten
Fliesenboden gesetzt in der Naturfarbe des
Steines, mit etwas starken grünen Lasuren.
Auf ihm, vielmehr auf dem zu beiden Seiten
bemerkbaren bräunlichen Kissen sitzen in weiten
bauschigen Gewändern die Gottesmutter, die
gesenkten Hauptes mit dem linken Arm ihr
Kind umfafst, und der hl. Joseph, der in an-
dachtsvoller Geberde den Segen empfängt.
Maria hat rothes Untergewand und bläulichen,
durch weifsliche Lichter gehobenen Mantel,
dessen gelbliches Futter gute Kontraste schafft.
Die grünliche Borte ist durch Goldfäden ge-
mustert und erhöht die glänzende Wirkung mit
dem goldenen Gürtel und der grofsen Spange.
Unter dem violetten Schleier quellen die
blonden Haare hervor und ein tellerförmiger
Strahlennimbus umgibt das grisailleartig kolorirte
Antlitz. Ganz ähnlich ist die Figur des hl.
Joseph behandelt, dessen Tunika und Mantel
dieselbe grüne Färbung zeigen, aber in starker
Abwechselung mit violettem Futter und breiter,
rother, goldübersponnener Bordüre. Das Rosa-
kleidchen des göttlichen Heilandes bildet, durch
feine Höhenlichtungen gemildert, den Mittel-
und Glanzpunkt mit dem frischen Gesichtchen,
welches den übernatürlichen Ansprüchen voll-
kommen gerecht wird. Die drei goldigen
Nimben mit ihrer perlengestickten Einfassung
heben sich vortrefflich von dem pfauenblauen
gewebten Repsgrunde ab, welcher die Hinter-
lage der ganzen Darstellung bildet und des-
halb an mancherlei Stellen hervortritt, in der
Architektur mehr als nöthig, denn die beiden
Seitenfenster hätten wohl besser einen Silber-
ton erhalten, die obere Blendenreihe röthliche
Färbung. Uebrigens ist die vorzüglich gezeich-
nete Architektur mit vollendeter Technik ganz
durch Goldfäden gebildet und zwar in den
Tiefen vermittels des Anlegeverfahrens, in den
tragenden Gliedern mit Hülfe des Korbstichs,
in den ornamentalen Parthien vermöge der
Bouillonmanier. Diese glänzenden Techniken
schaffen hier, dank der korrektesten Ausführung,
eine wunderbare Wirkung, welche nur auf
diesem schwierigen Wege zu erreichen ist und
für die es keinerlei irgendwie ebenbürtigen Er-
satz gibt. Auch die Kölner Borte, so hohes
Lob sie sonst verdient, findet hier ihre Grenze.
Diese Techniken kommen an der Gruppen-
stickerei nur ganz vereinzelt vor, z. B. an dem
Lilienstengel des hl. Joseph; sie ist vielmehr
ganz im haute-lisse-Stich ausgeführt mit Aus-
nahme des Fliesenbodens und des Neufser
Wappens, die im Plattstich gehalten sind. Die
Karnationstheile verdanken ihren feineren Effekt
dem Gebrauche der erst in der Arbeit etwas
zu drehenden Haarseide, die übrigen Parthien
ihre kräftigere Wirkung dem doppelt gedrehten
filoflosse-Faden, wie der ungewöhnlichen Ver-
wendung des Modellirstichs. Diese dem früheren
Mittelalter sehr geläufige, in der Spätzeit des-
selben verlassene Stichart, das sogen, opus
anglicanum, hat den Vorzug, durch das ge-
schlossene System des konzentrischen Auf-
trages den einzelnen Theilen um so mehr
Geltung zu verschaffen und so die Schat-
tenbildung zu verstärken. Die etwas un-
ruhige Stimmung, welche dadurch hervorge-
rufen werden kann, pflegt durch die Zeit
und ihre mildernde Tönung allmählig ausge-
glichen zu werden.
Diesem Schild entsprechen in der Zeich-
nung und Technik die beiden 145 cm langen,
15 cm breiten Stäbe, welche st. laurentius,
st. heinrich, st. ludwig einerseits, st. catharina,
st. margaret, st. agnes andererseits als Stand-
figuren darstellen, jede von einem kräftigen
Goldbaldachin bekrönt und mit der goldenen
Namensbezeichnung in Minuskelschrift als
Sockelband versehen. Ueberall bildet wiederum
die blaue Repsseide den Hintergrund, auch
den hinter jeder Figur bis zu ihrer Kopfhöhe
gespannten Teppich beherrschend, der durch
rautenförmig aufgeheftete Goldfäden gegliedert
ist, bis er unten in den blau und weifs, oder
grün und roth gemusterten Fliesenboden über-
geht. Der hl. Laurentius in weifser Albe und
rother Dalmatik hält mit der Linken den Rost;
der hl. Heinrich in stahlblauer Rüstung und
grünem Pluviale trägt auf dem Haupt die
Bügelkrone, auf der Linken das Modell des
Bamberger Domes, in der Rechten das Schwert;
der hl. Ludwig trägt silberne Tuniken, rothen
Kaisermantel, die Lilienkrone, und hält mit
der Linken das Scepter, mit der Rechten auf
giiinem Kissen die goldene Dornenkrone. Die
hl. Katharina ist in weifses Kleid und röth-
lichen Mantel gehüllt, St. Margaretha in weifs-
liche Tunika und grünes Obergewand, St. Agnes
fast ganz weifs kostümirt, und alle sind