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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Dresdner Brief
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0073

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125

Nekrologe — Personalien — Denkmalpflege

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Schaffen — entsprechen seiner Theorie. Wir sehen
eine Menge einzelner nackter Männer, fast nur Jüng-
linge, auf einem Bilde gleich sieben in Parade-
stellung mit »Augen rechts« nach dem Flügelmann,
die »weiche Schönheit des Weibes« in einem einzigen
Bilde gegenüber dreißig bis vierzig Männern. Soweit
diese Jünglinge gemalt sind, stehen sie alle auf
neutralem, hellem Untergrund ohne jede Tiefenvor-
täuschung; die plastischen Gestalten aber fast alle
ohne jede Bewegung und ohne seelischen Ausdruck
— also in jener primitiven Auffassung, die ehedem
ein Zeichen der noch nicht entwickelten plastischen
Fähigkeit war, die heute aber nur als künstlich und
altertümelnd wirken kann. Man wird gewiß zugeben,
daß in den gemalten Jünglingen viel Anmut und
Schönheit zu bemerken war — aber wenig Kraft und
Männlichkeit. Uns machte diese Schaustellung von
Jünglingsschönheit mehr den Eindruck, als stammte
sie aus dem in seiner Verweichlichung berüchtigten
Kapua, als aus Sparta oder Athen. Jedenfalls war
an diesen verweiblichten Jünglingen keine Spur
von der »Herbigkeit« männlicher Schönheit zu be-
merken, die Sascha Schneider als Ideal rühmt. Auch
konnten wir uns für die »metallische Schönheit« der
drei lebensgroßen Figuren, die in Geislingen nach
einem neuen galvanischen Verfahren über einem sorg-
fältig durchgearbeiteten Gipsmodell dargestellt sind,
keineswegs erwärmen; die Masse machte den uner-
freulichen Eindruck eines ungenügenden Surrogats.
Sehr viel besser wirkten die marmornen Figuren,
z. B. der Gürtelbinder, eine Figur in Handlung und
Bewegung, die aber nach Schneiders eigener Theorie
eigentlich zu den plastischen Unmöglichkeiten gehört.

Es soll nicht geleugnet werden, daß Schneider
innerhalb des eng begrenzten Kreises, den ihm seine
einseitige Theorie zieht, manches Schöne geschaffen
und viel tüchtiges Können bekundet hat, aber vor-
bildlich kann weder die Theorie noch das gesamte
neue Schaffen Schneiders genannt werden.

Über einige weitere Dresdner Sonderausstellungen
berichten wir demnächst. p. Sek.

NEKROLOGE
X Otto Lessing f. In der Villenkolonie Grunewald
bei Berlin, wo sein Haus und seine Werkstatt durch ihre
eigenartige nordische Holzarchitektur weithin kennlich waren,
ist am 23. November der Bildhauer Prof. Otto Lessing
im Alter von 66 Jahren gestorben. Mit ihm ist ein Mann
dahingeschieden, der im künstlerischen wie gesellschaft-
lichen Leben Berlins Jahrzehnte lang eine bedeutende
Stellung eingenommen hat. Lessing, ein Sohn des Ro-
mantikers Karl Friedrich und Urgroßneffe von Ootthold
Ephraim Lessing, war am 24. Februar 1846 in Düsseldorf
geboren. Seine frühzeitig erwachte vielseitige Begabung
führte ihn zuerst zur Malerei, nachdem der Vater selbst
ihn im Zeichnen unterwiesen hatte; dann kam er, als Schüler
Steinhäusers in Düsseldorf und (1865—1868) A. Wolffs
in Berlin, zur Plastik, doch ohne seine malerischen Studien
völlig aufzugeben. Nach dem Kriege gegen Frankreich,
den er mitgemacht hatte, ließ sich Lessing (1872) dauernd
in Berlin nieder, wo er ein Atelier für Dekorationsskulp-
turen eröffnete und alsbald eine rege Tätigkeit entfaltete.
In dieser Seite seiner Kunst lag Lessings Stärke; er gehörte

zu den Bildhauern, die vom Handwerklichen ausgingen und
mit ihm in Verbindung blieben, und wurde so in der jungen
Reichshauptstadt der beliebteste Helfer der Architekten.
Allerdings blieb er dadurch auch völlig in den Stil- und De-
korationsgedanken dieser Bauepoche befangen, so daß seine
technisch gewiß sehr tüchtigen Arbeiten uns heute vielfach
entfremdet sind. Proben dazu finden sich in zahlreichen
öffentlichen und privaten Berliner Oebäuden, vor allem im
Reichstagsgebäude, im Reichskanzlerpalais, im Zeughaus, in
der Technischen Hochschule in Charlottenburg, im Reichs-
justizamt, in der Neuen Kirche auf dem Oendarmenmarkt.
Als der Weiße Saal des Königlichen Schlosses umgebaut
und neu ausgestattet ward (1894), wurden Lessing die wich-
tigsten dekorativen Details übertragen: die Relief-Reiter-
bildnisse des Oroßen Kurfürsten und Friedrichs des Oroßen
sowie die allegorischen Figuren des Deckengewölbes.
Mehr Beifall fanden die großen barocken Sandsteingruppen
(Prometheus und Andromeda) an Ihnes Marstallfassade.
Eine Zeitlang arbeitete Lessing auch in Gemeinschaft mit
dem Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoff mann; davon gibt
namentlich der Herkulesbrunnen auf dem Lützowplatz
Kunde, der weit besser gelang als der Rolandbrunnen
zum Abschluß der Siegesallee (1902), wo Otto Lessing
auch das Standbild von Albrecht Achilles zufiel. Von den
sonstigen Monumentalarbeiten des Heimgegangenen sind
das Lessing-Denkmal in Berlin (1890) oder Shakespeare in
Weimar, der Kaiser Wilhelm für Hildesheim und das Denk-
mal des Dichters Wolfgang Müller in Königswinter zu
nennen. Als die beste seiner freien Skulpturen könnte
man die Halbfigur von Ludwig Knaus in der National-
galerie bezeichnen, der sich mehrere andere Porträts an-
schließen (darunter eine Büste Moltkes). Die malerische Be-
gabung Lessings (ein Jugendbild »Die drei Jäger« hängt in
der Karlsruher Galerie) führte ihn später besonders zu
Glasmosaikentwürfen, z. B. für die Kuppel des Berliner
Völkerkunde-Museums und einige Häuserfassaden in der
City. Auch für Sgraffitomalereien und kunstgewerbliche
Gegenstände verschiedener Art, denen man in Berliner
Familien begegnet, zeichnete er Entwürfe. Vieles von
seinen Schmuckstücken für Architektur ist in den von
ihm herausgegebenen »Bauornamenten der Neuzeit« ver-
öffentlicht (1880—92), neben denen einige andere Publi-
kationen stehen (so »Schloß Ansbach«, 1893).

Karlsruhe. Oestorben ist im Alter von 68 Jahren
der frühere langjährige künstlerische Leiter der hiesigen
Oroßherzoglichen Kunststickereischule, ProfessorFritz Baer,
einer der bedeutendsten und bekanntesten Musterzeichner,
der den hohen Ruf, den die genannte Anstalt seit einer
Reihe von Jahren weithin genießt, mit begründete.

PERSONALIEN

Der Archäologe der Straßburger Universität, Professor
Dr. Franz Winter, hat einen Ruf als Nachfolger Oeorg
Loeschkes an die Universität Bonn erhalten und wird ihm
voraussichtlich Folge leisten.

DENKMALPFLEGE
Mainz. Zur Restaurierung der Karmeliterkirche
wurden von den Stadtverordneten 165000 M. angefordert
und bewilligt. Der kunsthistorisch wichtige Bau enthält
eine Reihe wertvoller Wandgemälde. Er soll nach der Restau-
rierung voraussichtlich als Museum Verwendung finden.

Venedig. Unter Sardis Leitung ist nun die Restau-
rierung von S. Stefano so gut wie beendet. Die häßlichen
Schein Wölbungen sind nun auch aus dem rechten Seitenschiffe
verschwunden und die schöne Balkendecke dadurch wieder
sichtbar, ebenso wurden die letzten vermauerten Fenster
 
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