Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

DOI Artikel:
Wiener Brief
DOI Artikel:
Seidlitz, W. von: Sedelmeyer gegen Bredius
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0116

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
211

Sedelmeyer gegen Bredius

212

malerischer Qualität zu kaufen — was sonst nicht
immer vorkommen soll.

f Endlich gibt es noch in der Galerie Miethke eine
Gedächtnisausstellung des vor kurzem verstorbenen
tschechischen Malers (urdeutschen Namens) Hans
Schwaiger, dessen Bilder in größerer Menge freilich
enttäuschen, so köstlich auch einige von den phan-
tastischen, urderben und knorrigen Märchen- und Spuk-
geschichten sind. Das Zentrum bildet ein riesiges
Aquarell mit vielen Hunderten von Gestalten und
Köpfen, »Die Wiedertäufer«, bei dem aber der fehlende
architektonisch-kompositionelle Aufbau der Gruppen
das Ganze in ein wirres Nebeneinander von Details
zerfallen läßt. Schwaiger war im Leben wie in der
Kunst ein seltsamer Eigenbrödler und Sonderling, der
weit abwärts stand und auch gar keinen Anschluß
gesucht; ein letzter Ausläufer der Romantik Schwindscher
Fassung, nur derber und urwüchsiger.

Lebende Künstler findet man diesmal — seltsame
Fügung des Schicksals! — nur im altehrwürdigen
Künstlerhause. Freilich nicht in der Ausstellung der
üblichen malenden und bildhauernden Mitglieder. Die
sind schon bei Lebzeiten meist gründlicher tot als
so mancher, dessen 100. Geburtstag man heute feiert!
Auch der Gast, der Karlsruher Professor Ludwig Dill,
ist nicht der Mann, um jemand zu begeistern. Da-
gegen ist eine Kollektion von Zeichnungen des Ober-
baurats Prof. Friedrich Ohmann ausgestellt, die Ent-
würfe und ausgeführte Bauten aus den letzten fünf
Jahren zeigt und die außerordentliches Interesse zu er-
wecken geeignet ist. Ohmann ist nämlich ein Zeichen-
künstler, wie es nur sehr wenige Architekten gegeben
hat, so daß es ein ausgesprochen künstlerischer Ge-
nuß hohen Ranges ist, diese Zeichnungen zu betrachten.
Was freilich in der Zeichnung ein Vorzug ist, kann
im ausgeführten Bau ein Fehler sein, und wirklich
verleitet der geniale Zeichner Ohmann den Architekten
Ohmann oft zu Dingen, die dann recht papieren aus-
fallen — wie z. B. beim Wienfluß-Abschluß im Stadt-
park. Trotzdem er sich gewöhnlich an alte Stile —
am liebsten an das österreichische Barock und Ro-
koko — anschließt, so ist sein Schaffen doch ein
durchaus künstlerisches und neuschöpferisches, es
wirkt dadurch immer geschmackvoll und vor allem
charaktervoll. Wie glücklich wären wir, wenn wenigstens
ein solcher »Stil«-Architekt unsere neuen großen
Bauten bekäme, damit nicht so unsagbar trostlose
Pfuscher unsere schönsten Plätze und Straßen mit
ihren geistlosen und dabei unerträglich anspruchs-
vollen Elaboraten für viele Jahrzehnte schänden dürften.

Für kurze Zeit hat in Wien auch die Gruppe
der italienischen Futuristen, deren Werke allenthalben
soviel Zeitungslärm verursacht haben, ihr Zelt aufge-
schlagen. Tant de bruit. . ! Der Lärm ist nicht
recht zu verstehen. Talentvolle (Severini) und minder
talentierte, selbst kitschige Versuche, den toten Im-
pressionismus in neuer Form wieder emporzubringen,
sind doch wahrlich nichts Welterschütterndes! Jeden-
falls nichts umstürzlerisch Neues! Im Gegenteile, wie
allen Ausläufern großer Bewegungen haftet auch diesen
Bildern etwas Abgestorbenes, Totes, ja Akademisches

an. Dabei sind sie ja auch ein gut Teil literarisch
und ohne den — im Katalog bereitwilligst gelieferten
— Kommentar unverständlich. Wie stark erinnert das
alles an die Zeiten der Historienbilder mit den kilo-
meterlangen erklärenden Titeln! Auffallend ist es
auch, daß es gerade Italiener sind, die diesen Wieder-
belebungsversuch am Impressionismus machen,
während zu einer Zeit, als der Impressionismus sich
entwickelte und in Blüte stand, sich gerade die Italiener
am wenigsten um ihn kümmerten. Heute aber, wo
bereits um ganz andere Probleme gekämpft wird, wollen
sie ihn retten. Den Namen »Futuristen« dürften sie sich
mit Unrecht beigelegt haben, denn die Zukunft wird
andern Künstlern gehören und nicht diesen akade-
mischen Nihilisten. O. P.

SEDELMEYER GEGEN BREDIUS
Von W. v. Seidlitz

In einer reich illustrierten Schrift1) sucht der Nestor
des internationalen Kunsthandels, der jugendfrische Charles
Sedelmeyer, die Echtheit des Gemäldes der ehemaligen
Sammlung Weber, der Ehebrecherin vor Christus, gegen-
über den Angriffen von Bredius zu erweisen.

Von der Beunruhigung, die dem Kunsthandel durch
solche Anzweiflungen erwächst, soll hier nicht die Rede
sein, da es sich dabei stets in erster Linie um die kunst-
geschichtliche Frage handelt: wie gestaltet sich das Bild
des Künstlers, wenn ihm ein bestimmtes Werk ab- oder
zugesprochen wird. Hierüber gehen gerade bei Rem-
brandt die Ansichten weit auseinander, und ganz be-
sonders in bezug auf das genannte Bild, wie aus den un-
geheuren Schwankungen der Preise hervorgeht, die dafür
in den letzten Jahrzehnten bezahlt worden sind.

Sedelmeyer bespricht die Kostüme, die Typen, die
Farbe und die Technik des Gemäldes. Die Zipfelmütze
des Mannes, der den Schleier vom Kopf der Ehebrecherin
hebt, sucht er durch den Vergleich mit Kopfbedeckungen
von Juden und Landstreichern zu rechtfertigen, die er in
großer Zahl abbildet; doch wird sich nicht jedermann
durch diesen Beweis befriedigt sehen. Der Johannes soll
die Züge von Rembrandts Sohn Titus tragen, was trotz
der vielen Abbildungen ebensowenig überzeugt. Richtig
dagegen ist, daß Johannes nicht, wie flüchtige Betrachtung
ergeben könnte, einen van Dyck-artigen Umlegekragen,
sondern ein kragenloses Hemd trägt. Die vielen hier mit
abgebildeten Darstellungen von alten Juden zeigen wohl,
daß der Typus des Greises ein ähnlicher ist; dadurch
wird dieser aber noch nicht zu einem Werk Rembrandts,
wenn auch die Barthaare wie bei Originalwerken mit
einem »drei Zentimeter breiten« Pinsel gemalt sind. Wert-
voll ist vor allem der Hinweis, daß in der Ehebrecherin
Hendrickje Stoffels dargestellt sei; diese Erkenntnis wird
aber durch eine falsche Deutung des reich beigebrachten
Abbildungsmaterials nicht für das wichtige weitere Er-
gebnis ausgenutzt, daß Hendrickje schon für das von 1644
datierte Bild der Ehebrecherin in der Londoner National-
galerie, also bereits ein Jahr nach Saskias Tode, Modell
gestanden habe.

All diese Bildervergleichungen, welche Beziehungen
zu Rembrandtschen Werken mit mehr oder weniger Glück

1) Charles Sedelmeyer. Die Ehebrecherin vor Christus.
Gemälde von Rembrandt. Offener Brief an Dr. Abraham
Bredius über die Echtheit dieses Gemäldes. Paris, Ch.
Sedelmeyer, 1912. Gr. 4°.
 
Annotationen