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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Bülow, J. von: Paris auf der juryfreien Kunstschau in Berlin
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 18. 31. Januar 1913

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Qewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
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PARIS AUF DER JURYFREIEN KUNSTSCHAU
IN BERLIN

Von Dr. j. v. Bülow

In der juryfreien Kunstschau zu Berlin war eine
Anzahl Pariser Künstler vertreten, welche, obwohl sie
weder durch Nationalität noch schulhaft zusammen
gehören, die Betrachtung unter einem gemeinsamen
Gesichtspunkte verlangen. Sie stellen zum Teil Ver-
treter einer Kunst dar, wie sie die Pariser Luft einheit-
lich zu erzeugen pflegt, und sind zum mindesten vom
Standpunkte zeitgenössischer Kunstgeschichte inter-
essant, zum Teil aber geben sie Werke, welche über
den Alltag hinaus dauern dürften. Diese Pariser Aus-
stellung unterscheidet sich dadurch von den bisher
in Berlin gezeigten gleichen Ursprungs, daß die
Künstler zum großen Teil mit dem Oedanken her-
kamen, der die juryfreie Ausstellung charakterisiert:
nämlich dem des persönlichen Bekenntnisses und mit
dem Wunsche, ihre künstlerische Meinung frei von
der Bevormundung einer Jury auszusprechen.

Die in der Sezession im vergangenen Jahr unter
der ursprünglich als Spottnamen geltenden Bezeich-
nung »Expressionismus« vorgeführten Arbeiten hatten
einen Zusammenhang nur insofern, als sie dem Besitz
desselben Kunsthändlers entstammten. Die betreffenden
Maler wußten von der Ausstellung nichts.

Die Kunst, die wir hier aus Paris herüberkommen
sehen, ist eine sehr verschiedenartige. Nur ein einheit-
licher Gedanke beherrscht sie: der, daß die hergebrachte
Art des Kunstschaffens den einzelnen nicht mehr be-
friedigt. Alle diese Künstler wollen mehr, sie wollen
heraus aus dem schließlich nicht mehr zu bestreitenden
Stumpfsinn impressionistischen Arbeitens, das von den
paar großen Meistern ausgeschöpft ist. Sie haben
ein stark literarisches Bedürfnis, das sie aber instinktiv,
weil sie Geschmack haben, nicht novellistisch ausarten
lassen wollen. So treten sie der Natur gegenüber
mit dem vorgefaßten Willen sie zu übersetzen, aus
ihr mehr herauszuholen wie der physische Augen-
eindruck erlaubt. Das Resultat dieser Versuche ist
zum Teil noch so, daß man es, wenn man es für
sich selbst bewertet, ablehnen muß, dennoch aber in
manchem den Hoffnungsschimmer für eine gedeihliche
Entwicklung erblickt.

Wir stoßen hier unter den Pariser Künstlern auf
alle Nationalitäten. Am künstlerisch stärksten sind
die östlichen Völker vertreten, sie verraten noch einen
zum Teil ungebändigten Willen nach starker Farbe,
während die jüngeren Franzosen und die, welche
sich ihnen geschmacklich anschließen, deutliches Be-
streben zeigen, wieder grau zu werden, jenes feine
Silbergrau zu suchen, das einmal vor nicht zu langer

Zeit von den Münchener Impressionisten mit Erfolg
angestrebt wurde.

Eine der interessantesten Erscheinungen der Pariser
Gruppe ist zweifellos der Böhme Georg Kars. Mit
leisen Anklängen an den Kubismus verknüpft er ein
starkes, doch zartes Farbenempfinden. Sein Mädchen
mit der Birne enthält zwar manche zeichnerische
Übertreibung, ist aber dennoch so harmonisch, daß
dies keinesfalls stört. Das Kindliche in der Form ist
dadurch nur unterstrichen, das rosa Bändchen im Haar
wirkt zu dem sonst vorherrschenden Graublau pikant.
Seine beiden Landschaften sind gleichfalls von ganz
besonderem Reiz. Die Bewegung des eleganten
Publikums im Bois de Boulogne, das er schemenhaft
an uns vorbeiziehen läßt, ist organisch, die große
Linie wird gewahrt.

Ein anderer Österreicher ist M. Kisling, der in
seinen Arbeiten sonderbare, aber durchaus nicht un-
harmonische Härten bevorzugt. Die Landschaft aus
der Bretagne, in ein paar großen Flecken gehalten,
bei denen der schwarze Rumpf der Schiffe am stärk-
sten spricht, ist ein schöner Teppich. Vom Natura-
listischen ist noch gerade so viel da, daß die Wahr-
scheinlichkeit gewahrt bleibt. Sein Stilleben erinnert
im Aufbau an Cezanne, den er jedenfalls studiert,
aber gut verdaut hat. Die kräftigen Töne sind schön,
aber die Gefahr, daß sich Dilettanten dieses Ausdrucks-
mittels, an ihn anschließend, bedienen werden, er-
scheint mir groß, denn das Äußerliche dieser Art ist
leicht nachzuahmen. In einem Kinderkopf zeigt Kisling,
daß er auch für das Figürliche Verständnis hat und
da die Vereinfachung, die er anstrebt, gut hinein-
zutragen weiß.

Wenig schön ist ein großes Bild des Österreichers
Alfred Reth. Hier spricht die Absicht, originell zu
erscheinen, zu stark. Die Art und Weise, wie er
Nasen gleich Fragezeichen gibt, ist wirklich ein wenig
zu billig als Stilisierung. Das blaurote, wurstartig
verdickte Fleisch seiner Akte spricht nicht für ein
starkes ästhetisches Empfinden. Im übrigen erinnert
sein Bild im Aufbau an Espagnat, was auch nur ein
bedingtes Lob ist.

Geschmackvoll ist Friedrich von Knapifsch aus
Wien, besonders seine Landschaft ist erfreulich. Ein
Stilleben entfernt sich (das soll aber kein Tadel sein)
in nichts von dekorativer Naturbeobachtung.

Szamaj Mondszajn, ein Pole, gibt einen lesenden
Mann, der gut in den Raum gesetzt ist und Können
und Geschmack verrät. Es liegt in dem Bild etwas
eigenartig wildes, eine Verquickung von Cezanne und
Slaventum.

Als Bildhauer und Zeichner lernen wir Eli Nadel-
mann, ebenfalls einen Polen, kennen, der dank seinem
 
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