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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Münchener Brief, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0210

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399

Nekrologe

400

untergebracht hat, während die breiter gemallen Bas-
sanos die untere Reihe einnehmen. Auf die kleineren
Änderungen in den übrigen Kabinetten einzugehen,
glaube ich, unterlassen zu dürfen.

Ein Wort nur noch über das Oesamtbild der Alten
Pinakothek. Es wird dem Leser aufgefallen sein, daß
eine Reihe der zuerst aus den Filialgalerien einge-
zogenen Bilder wieder verschwunden ist, daß andere,
die ausgeschieden waren, wieder hereingenommen
worden sind. Dabei habe ich nur den gegenwärtigen
Stand der Bilder erwähnt, nicht, was in der Zwischen-
zeit hin und her gewandert ist. Nun möchte ich mit
meiner Bemerkung den sehr rührigen und verdienten
Beamten der Galerie nicht dia Arbeitsfreude verderben,
glaube aber andererseits doch daran erinnern zu dürfen,
daß endlich einmal wieder Ruhe in die Sammlung
einziehen muß, um so mehr, als alle jetzt getroffenen
Maßnahmen doch nur provisorisch sein können, da
der hoffentlich in einigen Jahren fertiggestellte Neu-
oder Ergänzungsbau wiederum tiefergehende Ver-
änderungen zur Folge haben wird. Ist es unter diesen
Umständen sogar fraglich, ob es rationell war, die
hier besprochenen Säle so kurz vorher neu bespannen
zu lassen, so sollten doch auf jeden Fall ein unüber-
legtes Hin- und Herschicken von Bildern und die
häufigen Hängungsänderungen vermieden werden. So
wertvolle Galerien wie die Münchener Alte Pinakothek
sind für den kunstsinnigen Menschen gleichsam Woh-
nungen seines Geistes, seines Gemütes, bei denen man
eine einmalige verbessernde Umwälzung gerne wahr-
nimmt, dann aber auch ein Bestehen haben möchte,
um wieder heimisch zu werden. Wird auch dann
noch immer geändert, heraus- und hereingenommen,
so kommt in diese geistige Wohnung etwas Unbe-
hagliches, worunter die über jeder Galerie ruhende
Stimmung leidet, ganz abgesehen von den einzelnen
Bildern, für die solche Maßnahmen nicht immer ge-
rade von Vorteil sind.

(Schluß folgt.)

NEKROLOGE
John Pierpont Morgan ist im Alter von 76 Jahren
zu Rom gestorben. Die Tagesblätter haben den Abschluß
einer unendlich erfolgreichen Tätigkeit auf dem Kampfplatze
der Geldmächte gebucht. Die Kunstangelegenheiten ge-
widmete Chronik darf diesen Todesfall nicht unbeachtet
lassen. Pierpont Morgan hat als Sammler in den letzten
Jahrzehnten, direkt und mittelbar, eine so gewaltige Um-
wertung des Kunstbesitzes und eine so einschneidende Ver-
schiebung des Kunstbesitzes veranlaßt, wie nie ein Einzelner
vor ihm.

Man glaubt, daß Morgan ein Vermögen von 800 Mil-
lionen Mark und Kunstsammlungen im Werte von 200 Mil-
lionen Mark hinterläßt. Diese Zahlen sind natürlich höchst
zweifelhaft. Die Vorstellung aber, die sie — besser als
superlativische Ausdrücke — vermitteln, ist richtig. Morgan
hat sich stoßweise bald diesem, bald jenem Gebiete
zugewandt, mit Vorliebe geschlossene Sammlungen an
sich reißend. Im Endergebnis sind seine Sammlungen
fast universell wie die staatlichen Museen in den euro-
päischen Hauptstädten. Er hinterläßt (um einiges auf-
zuzählen) eine Kupferstichsammlung, in der Rembrandts
Radierungen und die englischen Schabkunstblätterwundervoll
vertreten sind, eine Sammlung alter Zeichnungen, die früher

Fairfax Murray gehörte, Bücher mit Miniaturen und mit
Holzschnitten, ferner umfangreiche Sammlungen von Bron-
zen der italienischen Renaissance, von Bildnisminiaturen,
Tapisserien, Majoliken, Schnitzereien, Emails, Elfenbein-
arbeiten, chinesischem Porzellan und Uhren. Die Samm-
lungen Ch. Mannheim, Albert Oppenheim (von den Bildern
und Krügen abgesehen), Eug. Gutmann hat er ganz auf-
genommen, aus den Sammlungen Oskar Hainauer und R.
Kann je einige Hauptstücke gewählt. Seine Bildersammlung,
in der Raffael, Fragonard, Gainsborough, Frans Hals,
Roger van der Weyden, Dom. Ghirlandajo, Gerard David
und Fra Angelico mit Meisterwerken vertreten sind, ist
gewiß hervorragend, doch hat Morgan auf diesem Felde
die anderen amerikanischen Sammler nicht so energisch
auf den zweiten Platz verwiesen wie als Käufer von Bild-
werken und kunstgewerblichen Dingen.

Deutsche Kunst und die Malerei des 19. Jahrhunderts
sind so ziemlich die einzigen Gebiete, die Morgan im
großen und ganzen gemieden hat.

Über den napoleonischen Stil seines Sammeins wird
allerlei erzählt. Gewiß ist, daß ersieh gegen Übervorteilung
und gegen Fälschungen weniger durch eigene Kennerschaft
schützte (wie hätte er auch Kenner von allen diesen Dingen
sein können?) als durch Geschäftsklugheit und Menschen-
kenntnis, also jene Eigenschaften, die ihm überall zum
Siege verhalfen. Die großen und klugen Händler und
Agenten spürten bald (und mit den anderen hielt er sich
nicht lange auf), daß auf die Dauer mit guter Ware an
ihm mehr zu verdienen war als mit schlechter.

Was eine so gewaltige Sammelleidenschaft entzündete,
ist schwer zu sagen. Der wortkarge Tatenmensch hat
sich darüber gewiß nicht geäußert, auch schwerlich Nei-
gung gespürt, seine Instinkte zu deuten. Gesellschaftliche
Eitelkeit lag ihm durchaus fern. Ästhetische Bedürfnisse
zu befriedigen: wäre weniger mehr gewesen. Zudem lebte
Morgan nicht eigentlich in seinen Sammlungen, die zu
großen Teilen jahrelang in öffentlichen Museen ausgestellt
waren. War das Ganze nichts als ein Riesenspielzeug, das
in richtiger Proportion stand zu dem gewalttätigen Geschäfts-
ernst des Beherrschers der Wall Street? — Darüber hin-
aus mag Pierpont Morgan Genugtuung und Beruhigung
empfunden haben, wenn er ebenso gigantisch im Geben wie
im Nehmen erschien, mag er die Aufgabe vor sich ge-
sehen haben, seinem Lande das Einzige zuzuführen, was
Europa voraus zu haben schien, den Kulturwert des Kunst-
besitzes. Ob nun sein ganzer Nachlaß unmittelbar der
Öffentlichkeit zugänglich wird oder nicht (noch ist das
Testament nicht bekannt), jedenfalls hat er mehr von
diesem Kulturwert auf die andere Seite gebracht, als irgend
jemand, und seine Landsleute haben allen Anlaß, ihm ein
Denkmal zu setzen. m.j. f.

X Nach kurzem Leiden ist in Berlin am 1. April der
Geh. Baurat Otto March an einem Herzschlage gestorben,
tief betrauert von der deutschen Architektenschaft und von
allen aufrichtigen Freunden der Stadt Berlin und ihrer
Kunst. Der Tod hält in diesem Jahre unter den Berliner
Architekten reiche Ernte. Nach William Müller und Rein-
hold Kiehl, die von der Höhe des Lebens dahingerafft
wurden, ward nun der siebenundsechzigjährige March ab-
berufen, der aber in der Frische seiner Arbeit und der
Lebhaftigkeit seiner künstlerischen Propaganda den Jüngsten
an Elastizität nichts nachgab. Wenn man in Berlin den
Hingang dieses Mannes als einen schweren und vielleicht
auf lange Zeit hinaus unersetzlichen Verlust betrachtet, so
geschieht dies darum, weil dem hauptstädtischen Leben
mit ihm nicht nur ein Künstler, sondern ein ethisches
Element von höchster Bedeutung geraubt wird. Mit ihm
 
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