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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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Wettergren, Erik: Neuerwerbungen des Nationalmuseums zu Stockholm
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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0319

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 42. 5. September 1913

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Qewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

NEUERWERBUNGEN DES NATIONALMUSEUMS

ZU STOCKHOLM
I. Der Verein »Die Freunde des Nationalmuseums .

Seit dem Jahre 1910 besteht in Stockholm ein Verein,
der, nach den Beispielen des Kaiser-Friedrich-Museums-
Vereins, der amis du Louvre usw. den Zweck verfolgt, »wert-
volle Kunstgegenstände einzukaufen, die dann dem National-
museum als Gabe überlassen oder dort deponiert und aus-
gestellt werden. Die Arbeiten lebender schwedischer
Künstler und Kunsthandwerker sind vom Einkauf ausge-
schlossen«, wie es wörtlich in den Satzungen heißt. Der
Vorsitzende des jungen Vereins ist Se. Kgl. Hoheit der
Kronprinz und als Sekretär fungiert das neben diesem an
Iniative reichste Mitglied des Vorstandes, der bekannte
Kunstfreund und Sammler, Herr Thorsten Laurin. Trotzdem
der Mitgliedsbeitrag auf 100 Kronen pro Jahr festgesetzt
ist, hat der Verein schon eine recht große Anzahl Mitglieder
erhalten, und die Früchte der Tätigkeit des Vereins machen
sich nicht nur an den Wänden des Museums, sondern auch
in einem lebhafteren und unternehmungslustigeren Kunst-
interesse in der Hauptstadt bemerkbar.

Ein kurzer Bericht über die Einkäufe des Vereins wird
deren Spannweite zeigen, die um so größer sein muß, da
das Museum sowohl moderne wie alte Kunst, Malerei,
Skulptur, Graphik, Handzeichnungen und Kunstindustrie
enthält. Natürlich hat der Verein sein erstes Augenmerk
darauf gerichtet, die Lücken im Museum zu füllen, die eine
allzu knapp bemessene Staatssubvention lange hat offen
stehen lassen. So entbehrte das Nationalmuseum ein Werk
der florentinischen Quattrocentokunst, bis die »Freunde«
einen Tondo in Tempera von Piero di Cosimo, »Maria
mit dem Kinde und dem kleinen Johannes«, einkauften.
Wenn das Bild auch nicht von so hoher Qualität ist, daß
es Werke der leitenden Quattrocentomeister ersetzt, so ist
das Panneau des empfänglichen Piero doch eine gute Stich-
probe der stilistischen Linie, deren preziöse Anmut ihr"
typischstes Kräuseln bei Filippino Lippi erhält. Eine Balu-
strade, vor welcher die Madonna sitzt und die den Tondo
in der Mitte abschneidet, deutet vielleichtauf norditalienischen
Einfluß hin.

Wie bekannt, ist die Abteilung des Museums für fran-
zösische Malerei vom 18. Jahrhundert eine der am besten
versehenen in Europa — sie enthält ja u. a. Bouchers un-
vergleichlich hervorragendstes Werk »Die Geburt derVenus«
— und das Streben der Museumsverwaltung geht deshalb
dahin, dieselbedurch Neuerwerbungen möglichstabzurunden.
»Die Freunde des Nationalmuseums« haben eine solche
Ergänzung durch Beiträge zum Ankauf eines Bildnisses von
J. B. Greuze ermöglicht. Auf den letzten Ausstellungen
französicher Kunst aus dem 17. Jahrhundert hat sich die
tiefe Kluft zwischen dem rührseligen Sittenschilderer und
dem klaräugigen Porträtisten Greuze immer klarer heraus-
gestellt. Das neue im Besitze des Museums befindliche
Brustbild eines unbekannten Mannes bestätigt dies mit
seinen herb kühlen Tönen und seinem offenen Antlitz, das
eine ererbte Vornehmheit mit den vorurteilsfreien und neu-
erwachten Blicken der Revolutionszeit vereinigt. Als Ver-
bindungsglied zwischen zwei Epochen, sowie durch seine
solide Malerkultur ist das Bild interessant.

Die moderne französische Kunst hat ebenfalls dank den
»Freunden« einige außerordentlich wertvolle Vermehrungen
erhalten.

Eine Landschaft von Courbet ist in Vevey, Schweiz,
gemalt, im Jahre 1875, also im Jahre nach der Gefangen-
schaft, als er seine Genialität in einer letzten Serie von
Landschaften auflodern ließ. Die Komposition ist beinahe
symmetrisch abgewogen mit einem Wasserfall, der zwischen
ein paar ruhig silhouettierten Klippen stürzt. Es ist typisch,
daß er auch im pittoresk-spitzen Hellweiß nach den archi-
tektonischen Motiven aus einem Guß greift, ähnlich denen
seiner Heimatgegend, welche sich dem schwer monumen-
talen Zuge des »Realisten« Courbet gegenüber so entgegen-
kommend verhalten. Echt Courbetisch ist auch das Kolorit
mit seinen saftigen, samttiefen Tönen in Erdbraun, Grün
und Glasblau.

Von dem französischen Impressionismus hatte das
Museum bis zum Jahre 1912 kein einziges zentrales Werk

— ein sehr hübscher Manet und ein guter Raffaelli ge-
hören ja nur zu den Grenzgebieten des Impressionismus.
Jetzt ist durch eine Flußlandschaft von Sisley, in Tönen
von Weiß, Hellgrün und Blau gestimmt, die durch eine
Reihe spärlicher, violetter Bäume hindurchsickern, ein Strom
von Licht und mildester Isle-de-France-Luft in das moderne
französische Kabinett hineingeweht worden. Es ist ein
Pleinair-Gemälde,das die ganze Frische des Impressionismus
in sich trägt, ohne an dessen Neigung zur Mechanisierung
des Technischen zu leiden. Das Bild — »Aux bords du
Canal du Loing« genannt — ist 1896 datiert. Ein Renoir

— den ich in einem folgenden Artikel zu schildern Ge-
legenheit haben werde — und zwei Degas repräsentieren
die Figurenmalerei des Impressionismus. Es unterliegt
keinem Zweifel, daß diese drei Bilder einige der gewich-
tigsten Erwerbungen sind, die das Museum in den letzten
Jahren gemacht hat. Die beiden Degas besitzen neben dem
künstlerischen ein bedeutendes kunstgeschichtliches Inter-
esse, da sie zwei verschiedene Seiten seines Schaffens
repräsentieren. Das eine ist ein Tänzerinbild, Pastell,
aufgebaut mit einer untrüglich sicheren Architektonik
und gleichzeitig ein Dokument der augenblicklichen Be-
wegung, wie sie nur Degas darstellen kann. Es sind zwei
Tänzerinnen in Ruhe. Die müden, etwas negerhaft brutalen
Gesichter zurückgelehnt, heben sie ihre Hände bis zu den
Schultern empor und hieraus bilden sie ein Ornament einer
großen und schweren Monumentalität über den summarisch
behandelten Steifröcken, deren hellziegelrote Fläche den
Vordergrund ausfüllt. Starke Schatteneffekte auf den Körpern
und eine summarisch ausgedehnte Kulisse in Violett, Grün, »
und Rot geben dem Bilde Räumlichkeit. Bei diesem Bilde
hat die Bewegung und die Komposition den Künstler am
meisten interessiert, während er sich gleichzeitig von der
fruchteisartigen Süßlichkeit in der Farbe, die bei ihm oft
das Gleichgewicht zwischen Form und Farbe stört, voll-
ständig frei gemacht hat. Das zweite Bild ist eine rein
koloristische Ölstudie von höchster Kultur. Ein Weib sitzt
auf einem großen, weichen Stuhl, die Hände auf der Lehne.
Keine Bewegung, nichts von der großen Zeichnung im
Pastell, ja, man kann sogar unachtsame Verzeichnungen

' nachweisen. Die Zahl der Farben ist nur ganz gering. Ein
 
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