Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 13.1900

DOI Artikel:
Schubring, Paul: Bischofsstühle und Ambonen in Apulien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3912#0136

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Abhandlungen.

Bischofsstühle und Ambonen in
Apulien.

(Mit 4 Abbildungen.)

|er wenig bekannte Südosten
Italiens bietet in der „terra
di Bari" eine festumris-
sene Baugruppe mittel-
alterlicher Kathedralen
an, die ihre Entstehung
und Sonderart der eigen-
artigen Geschichte dieses
Landstreifens verdanken. Hat Ravenna als
Sitz des Exarchats länger als ein Jahrhun-
dert nicht nur Dependenz, sondern Pflanz-
stätte byzantinischer Kunst und Kultur sein
dürfen, so kann sich der Süden des Adria-
strandes zwar keiner so ausschließlichen, glän-
zenden und schöpferischen »byzantinischen
Epoche« rühmen, wohl aber einer längeren.
Bis zum Ende des XL Jahrh. hat der Katapan
aus Ostrom hier die Steuern erhoben, der Pa-
triarch von Konstantinopel entsandte noch im
XII. Jahrh. den Erzbischof nach Otranto. Die
Pionierarbeit der Basilianermönche hat so nach-
drücklich den ganzen Süden Apuliens durch-
kreuzt, dafs noch heute an manchen Orten um
Otranto herum (in Zollino, Kallimera, Castri-
gnano de'Greci,Martano, Sternatia, Melpignano)
griechischer Dialekt lebt. Die Künstlerfamilie
der Bizamanos in Otranto fertigte noch im
XVI. Jahrh. ihre Madonnen und Kreuzigungen
streng orthodox mit griechischen Beischriften
an; ihre Bilder werden noch heute als beson-
ders heilkräftig verehrt.

Die seit dem beginnenden siebenten Jahr-
hundert stark longobardisch durchsetzte Be-
völkerung hat die Anregung und Leitung, die
ihr die politische und kirchliche Präsenz einer
so alten Kultur anbot, willig aufgenommen und
in selbständigem Formensinn fortentwickelt.
Die Architektur erlebt in den Zeiten des XL
und XII. Jahrh. hier eine hohe Blüthe, die
durch den Einfall des kunstlosen Barbarenvolkes
der Normannen kaum eine Trübung, eher eine
selbstbewusste Steigerung erfuhr. Die grofsen
Dome von Bari, Trani, Bitonto, Canosa, Con-

versano verrathen in ihrem Grundrifs und
Aufbau, dafs sie einst dem byzantinischen Kult
gedient haben. Die strenge Sonderung der
einzelnen Kasten und Geschlechter, die Tren-
nung des Chors vom Langschiff durch die
Ikonostase, die durchgängige Anlage von Ma-
tronei (Frauenemporen) — alles weist auf ost-
römische Traditionen und Ansprüche, denen
selbst die konservativste Provinz Italiens im
Mittelalter, Rom, nichts Gleichartiges an die
Seite zu stellen hat.

Mit der Blüthe der Architektur war eine
mindestens ebenso beachtenswerthe Entwick-
lung der bildnerischen Kunst Hand in Hand
gegangen. Die Skulptur erreicht hier in
Apulien im XIII. Jahrh. eine so hohe Blüthe,
dafs man lange Zeit glaubte, der grofse Niecola
Pisano stamme aus Apulien; auch wenn
diese Annahme definitiv als irrig erwiesen
wäre — was bis jetzt keineswegs der Fall ist
— würde Apulien der Platz bleiben, an
dem sich eine erste vor- und aufsertoska-
nische Blüthezeit der italienischen Steinkunst
entwickelt hat. Zwar nicht eigentlich in der
Freiskulptur. Die Bildnerei erschöpft sich
fast völlig im Schmuck der Portale und
Fenster, die sie mit leidenschaftlicher Betrieb-
samkeit zu einzigartigen selbständigen Gesammt-
leistungen steigert. Vom ganz flachen Re-
lief ausgehend, in dem der Grund gleichmäfsig
tief herausgestemmt wird, wagt sich der
Meifsel immer tiefer, der Bohrer tritt hinzu,
starke Vorkragungen entwickeln das Clairobs-
cur der Fernwirkung, schwere Kränze und tiefe
Bänder rauschen schliefslich um die dunkeln
Oeffnungen. Das ursprünglich rein dekorativ
behandelte Reliefband entwickelt sich nament-
lich im Tympanon und am Thürsturz zu selbst-
ständigen Kompositionen. Die Figuren wer-
den frei mit reichlichem Zwischenraum vor den
Grund gesetzt. Auch in den Reliefs der Seiten-
pilaster neben der Thür gewinnt die selbststän-
dige Bildkomposition Daseinsrecht. In dem
Portal des Domes von Altamura, das unter
Robert I. von Anjou, also im Anfang des
XIV. Jahrh., gearbeitet wurde, und in der
Hauptthür des Domes von Bitetto, deren
 
Annotationen