Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0346

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
nichts metir zu spüren. Auf dem Herzogenhurger
Flüge! entwickelt Breu die Sxene — dem gelager-
ten Format gemäß — in breiter, gelockerter Er-
xählnng, wobei er in jugendlicher Übertreibung
durch überscharfe, dem geistigen Gehalt des The-
mas wenig entsprechende Charakterisierung (Ma-
ria, kniender König) und aufdringliche Fixierung
plötxlicher und heftiger Gebärden möglichst inter-
essant wirken will. Die gereiftere Darstellung in
Lilie, die sich xu der Herzogenhurger Redaktion
genau so verhält, wie die Hudapester ^Heimsu-
chung" zu der in Herzogenhurg, verzichtet auf
solche ,,anspringende" Extravaganzen. Streng,
stratf, voll verhaltener Spannung haut sich die
reiche, großzügig gegliederte, kraftvoll rhythmi-
sierte Gruppe auf. Würdige Repräsentation ist der
Grundton. Ein gehaltener, feierlich wogender Kur-
venschlag belebt Gebärde und Gewandung, xu
innerst verwandt der herben ernsten Melodie, wie
sie auf der Budapester Heimsuchung erklingt. Mit
wahrhaft königlicher Geste reicht der greise Fürst,
den Blick verehrend emporgewendet, dem gött-
lichen Kind das gebuckelte Goldkleinod. Der
ragende Kubus des massigen Mauerpfeilers und
der einer Goldscheibe eingestellte Stern von Beth-
lehem sichert der auf einem Treppenaufsatz thro-
uenden Maria und dem Kinde das kompositionelle
Gewicht. Die in dreieckiger Konliguration kunst-
voll verschränkte Anordnung der Köpfe wird durch
die reiche und feinfühlige Abwandlung der Kopf-
haltungen und Blickwendungen belebt. Maria
senkt die Augen auf das Knäblein, das, von den
kostbaren Gefäßen wie ein Edelstein gefaßt, xu der
Mutter xurückblickt, während es ein Goldstück aus
dem Pokal des knienden Königs nimmt. Dieser,
ein würdiger Greis mit prägnant geschnittenen,
knochig-hageren Gesichtszügen, ist ins reine Profi!
gestellt. Dagegen blickt der stehende König, dessen
kräftig akzentuiertes Antlitz auffallend der Phy-
siognomie Jörg Breus ähnlich sieht, auf den Be-
schauer, indes der Mohr durch Blick und Geste un-

gezwungen die geistige Verbindung zwischen der
Hauptgruppe und dem rechten König herstellt.
Eine Brusthöhe Mauer trennt die Szene der Anbe-
tung von dem eigenartigen Stadtblick, über dem
das Gold des Himmels erglänzt. Rasch wird der
Blick durch das steil verkürzte Marmorpflaster, die
als Rückstoßer wirkende Gruppe des Gefolges und
den Straßenzug in die Tiefe geführt. Das Stadtbild
ist so mit italienischen Reminiszenzen durchsetzt,
— die architektonische Wirkung des weiträumi-
gen, von geschlossenen Häuserhlöcken umgebenen
Platzes ist trotz phantastischer Formklitterungen
typisch italienisch, — und zwar kommt die süd-
liche Baugesinnung so unmittelbar und lebendig
zur Geltung, daß angenommen werden darf, Breu
habe die Anregung zu dieser Vedute durch einen
persönlichen Eindruck und nicht aus zweiter Hand
empfangen. Die merkwürdige Gliederung der Häu-
ser durch breite Pfeiler und schlanke Lisenen, die
flachen, vergitterten Fensterschlitze, die Pech-
pfannen auf den Dächern, die wunderlichenDach-
balustraden: eine schrullige und originelle Ver-
schmelzung der südlichen Formelemente mit deut-
scher Bauphantasie ist hier festzustellen. Getreue
Übernahmen aus italienischem Kunstgut dürften
der von einer Figur bekrönte Brunnen mit breitem
Wasserbecken auf dem Platz und die Gemme mit
dem antiken Kaiserporträt an der Goldkette des
greisen Königs sein.Die Rezeption der italienischen
Motive ist noch ohne entscheidenden Einfluß auf
die Grundidee der Bildgestaltung geblieben, die
typisch deutsch ist und noch viel spätgotisches
Form- und Liniengefühl verrät, ln der vegetativ
bewegten, kraus sprossenden Ornamentik der Ge-
fäße. Kronen und Ketten lebt dieser nordisch-spät-
gotische Bewegungsdrang in unverminderter Fri-
sche. Einer ausführlichen Beweisführung, daß hier
kein andrer Meister als Jörg Breu als Autor in Frage
kommen kann, überhebt mich der Vergleich mit
der Herzogenhurger Epiphanie (Abb. 200 u. 233).
Xur spricht der Meister auf der feierlichen Hoch-

326
 
Annotationen