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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0414

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Das Mittelalter.

Zinnen in die Ferne. Eine Mauer umgab den Hofraum mit
den Stallen. Der Thurm konnte die ganze Burg sein. Gewöhn-
lich stand ihm aber eine Kapelle zur Seite, sodann ein Palas,
das Herrenhaus, zu dessen Saal eine Außentreppe emporleitete,
und die Franenwohnnng oder Kemenate; sodann Vorrathshäuser,
Werkstätten, Gelasse für die Dienerschaft. Die vollständig aus-
gestattete Burg hatte einen Vorhof oder Zwinger; durch eine
Zugbrücke gelangte man über den Graben nach der Pforte die
zu dem ummauerten Innern führte. Die Vertheilnng der Ge-
bäude bot mehr malerischen Reiz als Regelmäßigkeit, die Por-
tale, die Fenster waren anfangs rundbogig, dann spitzbogig ab-
geschlossen, Zinnen krönten die Mauer, und boten dem Vertei-
diger auf dem Gang hinter ihnen bald Schutz bald Raum zum
Schießen oder Steinschleudern. In Italien beginnt bereits der
Palastbau in den Städten. Die castellartigen Häuser in Flo-
renz, unten voll trotzig fester Kraft, oben mit bogengekrönten
Fenstern zierlich ansgestattet, deuten ans Wohlbehagen des ge-
sicherten Daseins. Der Palazzo Vecchio steht wie eine kriege-
rische Burg mitten in der Stadt. Dagegen öffnet sich der Pa-
lazzo publico zu Piacenza, zu Cremona im Untergeschoß zwischen
den Pfeilern, die durch Spitzbogen verbunden sind, zu einer Halle,
die Fenstergruppen des Obergeschosses umschlingt eine portalartige
Decoration, und stattliche Zinnen krönen die Mauer. So hebt
hier schon der Civilbau an, der sich in der folgenden Epoche mit
dein Bürgerthnm entwickelt.

Plastik und Malerei im 12. und 13. Jahrhundert.
Die Ritter führten weder Meißel noch Pinsel, darum kam
die bildende Kunst erst da zur Blüte wo die Städte sich zu Trä-
gern der Cnltur emporarbeiteten. Sie blieb kirchlich und der
Architektur untergeordnet, doch regte sich der Sinn und die Em-
pfindung einer neuen Epoche auch in ihr. Im ganzen stehen wir
in den Anfängen; neben dem frischen innigen LebenSgefühl, neben
rohen Erstlingsversuchen liegen antike Reminiscenzen noch unver-
mittelt; aber dann sehen wir auch die in sich harmonischen Keime
 
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