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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1918)
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Gregori, Ferdinand: Theater und Film: eine Warnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0025

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gar die Titel, deren imnrer gleich mehrere für jedes Werk — mit und ohne
„Oder" — auftauchten. Titel ist die halbe'Zugkraft, hieß es wie bei den Meer--
schweinchen-Bühncn, die etwa den Laubeschen „Grafen Essex" dadurch in Schil-
lersche Höhen zu heben suchen, daß sie, analog „Kabale und Liebe", „Krone und
Schafott" drunter setzen.

Aber sind denn nun die Schauspieler ohne weiteres für den Film geeignet?
Steht unsre Bühne im besonderen nicht mehr als jede andre auf Wort und
Ton? Gerade die körperliche Unbeweglichkeit, die von Konrad Ekhof bis zu
Bernhard Baumeister ein Erkennungszeichen des wahrhaft deutschen Schauspielers
gewesen, mußte fehl am Ort erscheinen, wo fast tänzerische Beweglichkeit die Lücken,
die das nnausgesprochene Mort ließ, wieder zu schließen hatten. Unser Gebärden-
Vokabularium ist im Vcrgleich zum romanischen gar armselig, und wo wir's
gewaltsam erweitern, artet es leicht ins Fratzenhafte ans. Handelt es sich
abcr nm Gesellschaftsstücke, die auf tadellosen Anzug und Laschheit der Bewe-
gung gestellt sind, so sehlt's bei uns auch hinten und vorn. Ein gut gekleidctes
Liebcspaar bekommt der Film-Regissenr wohl noch zusammcn, aber kaum —
wenigstens kaum für schnödes Geld — eine ganz feine Ballgesellschaft. Und.
der Ehrgeiz des Publikums gcht doch grade auf „elegante Dramen". Was
der Film mit unsern völkischen Kräften herrlich zeigen könnte, das hat ja
noch niemand zu sehen gekriegt! And nun noch die Schützengräben! Dort
lagen die Gestalten, die man HLtte brauchen können. Solange die obersten
Militärbehörden den Krieg für wichtiger hielten als den Film, war da schwer
Wandcl zu schaffen. Aber die Theater! Die genosseu von Aufang an cine
Vergünstigung von oben herab und brauchten ihre Leute doch nur abends von
7 bis sO Uhr! Der Film ist hanptsächlich eine Tagesarbeit. So wurde der Vund
geschlossen. Doch man glaube nicht, daß Film und Theatcr nun Hand in Hand
gehen: im Gegenteil, es ist ein fortwährendes Zerren und Reißen dabei, hin-
über, herüber. das keinem Tcile Freude, dem Theater aber ganz sichercn Schaden
bringt.

An den Berliner Theateru — nnd um sie handelt sich's zumeist — sind die
Gagen trotz der Teucrung nicht oder nnr unwesentlich gestiegen. Anverantwort-
liche behaupten sogar, die Leiter drückten sie herab und gäben dafür ihr still-
schweigendcs Einverständnis zur Film-Betätigung (in den Vcrträgcn ist es
den Schauspielcrn meist ausdrücklich verboten, dort mitzuwirken), das ihnen
ja tatsächlich beträchtliche Einnahmen schaffen kann. Iedenfalls waren die
Schauspieler, die sich beim Bcginn des Krieges da und dort brotlos oder auf
ein Drittel ihrer Friedcnsbezüge gesetzt sahen, schon heilfroh, als man ihnen
nach Iahr und Tag die alten Stcllen wieder cinränmte und die altcn Einkünfte
wicder zubilligte. Nun trat der Versuchcr an sie heran, fast gleichzeitig mit
dem Teuerungsgespenst. Ich will nicht die Königreiche uennen, die mau dcn
Film-Sternen zu Füßen legte; ich erwähne nur, daß der geringste Statist, dcr
beim Theater keine 5 TNark am Tage zu vcrzehren hat, beim Film außerdem
mit 25—30 Mark abgefunden wird; daß aber schon bei Schauspielern mit ciner
Tagesgage von 10 Mark diese Summe beim Film ins Zehnfache hinaufschncllt.
„Das Geld liegt auf der Straße"; wer soll, wer darf da ablehnen! Man läuft
sich sogar schon die Beine ab, um so ein stattliches tzonorar einstrcichen zu
können, obglcich man an den Rollen selbst fast niemals Freude hat; einige abcr
sind so begeistcrt, daß sie behaupten, das Theater sei eine elendc tzandwerksbude
und nur bcim Film verstehe man noch künstlerisch zu arbeiten.

Wie gering nun aber auch die Ausprüche scien, die eine gut bezahlte Film-
aufnahme an den einzelneu Darsteller macht (es wird weniger Kraft als Zeit
dabei vertrödclt), sie stoßen dann und wann, sie stoßen sogar fort und fort
schmerzhaft mit scinen Theaterpflichten zusammcu. Das Thcater aufzugebcn
verbietet ihm der künstlcrische Ehrgciz oder, wo der anfgebrancht ist, die Rück-
sicht auf die militärische Reklamation; es bleibt also nichts übrig, als kleine
Schiebungen vorzunchmen, bald hier-, bald dorthin, um den bciden Herren
— mit genauer Not — zu dienen. Da sind vorerst die Theatcrprobcn, das
 
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