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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0070

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56

60 Bestimmungen über die Feuersicherung der Gebäude und
nur 9, welche die Gesundheits-Polizei, und nur 6, welche
die persönliche Sicherheit betreffen!

Wird diese Verordnung auf die fortgesetzten Erweite-
rungen der Stadt unverändert angewendet, so muß noth-
wendig die Gesammtheit der Stadtbevölkerung an Gesundheit
wesentlich verlieren; denn die größere Breite der Straßen —
eine allerdings nicht geringe Verbesserung — wiegt den engen
Zusammenbau und das Verschwinden der Gärten nicht in dem
Maaße auf, daß der Zutritt frischer Luft in das Innere der
Stadt derselbe bleiben sollte wie vor der Erweiterung, zumal
der Bebauungsplan des berliner Weichbildes die breitesten neuen
Straßen nicht als Radien nach dem Innern führend, sondern
als Kreislinien um den innern Kern herum darstellt und die
gänzliche Abwesenheit jeglicher Hügelbildung im Innern der
Stadt den Wechsel der Lust daselbst erschwert.

Es bedarf aber zur Vermeidung dieser Uebel nothwendig
des polizeilichen Einschreitens, weil die sämmtlichen einzelnen
Grundbesitzer ohne dieselbe zu einem gemeinschaftlichen besseren
Bauen nicht veranlaßt werden können; und eine Unbilligkeit
liegt in diesem Einschreiten nicht, da das Terrain, welches
früher Ackerland war, doch an Grundwerth ungeheuer gewinnt
und um so mehr gewinnen wird, jemehr das Segensreiche einer
solchen Maaßregel zur Anerkennung und Bestätigung kommt.
Dieses nothwendige Einschreiten wird aber, wenn es nicht bald
kommt, zu spät kommen.

Meines unmaaßgeblichen Dafürhaltens muß daher die Po-
lizei-Behörde auf einer bestimmten Grenzlinie (wie z. B. am
Thiergarten an der Victoriastraße, dem Schifffahrtskanal, dem
Kanal durch das ehemalige Köpnicker Feld, dem Friedrichshain,
der Jnvalidenstraße u. s. w.) die Stadt von den Vorstädten
trennen, und für letztere besondere Vorschriften des Bauens
geben, deren wichtigste die ist, daß (mit Ausnahme des schon
Bestehenden) die Wohnhäuser an der Straße um ein gewisses
Maaß (etwa 10—12 Fuß) von der nachbarlichen Grenze ent-
fernt bleiben müßten, und daß höchstens je zwei und zwei der-
selben, jedoch ohne Seitenflügel, mit den Giebeln aneinander-
stoßen dürften.

Hierdurch wäre eine, nach allen Seiten und bei allen
Richtungen des Windes freie Lustbewegung gestattet und auch
in ästhetischer Hinsicht ein verbesserter Zustand erreicht, der
durch eine die jetzige Vorschrift überschreitende mindeste Größe
der Höfe noch mehr befördert würde; mag dann immerhin der
Grundbesitzer sein Haus beliebig in die Höhe führen, um den
Ertrag zu steigern. Die Vorstädte würden dadurch, daß als-
dann die Häuser an allen vier Seiten Fenster erhielten, ge-
sündere und viel angenehmere, gemüthlichere Wohnungen dar-
bieten, und einen eigenthümlichen, künstlerisch besonderen Cha-
rakter annehmen und wahre Vermittler zwischen Stadt und
Land sein; ich zeige weiter unten an einem Beispiele, in wel-
chem Sinne dies etwa aufgefaßt werden kann.

Die kleinen Städte, welche meistentheils aus früheren
Zeiten herstammen, unterliegen nur selten solchen Erweite-
rungen und Veränderungen, daß sich dadurch ihr Charakter
änderte; cs kann also hier auch weniger auf Verbesserung ge-
wirkt werden, welche wegen des geringeren Umfanges der Stadt

auch nicht so dringend nöthig ist. Wo sich aber Gelegenheit
zur Anlage neuer Stadttheile bietet, wie z. B. in Luckenwalde,
da sollte die Behörde auch dieselben, hier erörterten Gesund-
heits-Rücksichten eintreten lassen; in einem Theile der Stadt
Rathenau ist eine solche Anlage vor etwa 80 Jahren zur
Verwirklichung gekommen.

Daß nun auf dem platten Lande der Auseinanderbau
durch die bestehenden Vorschriften noch mehr berücksichtigt wird,
als hier für die Vorstädte vorgeschlagen wird, ist in der Ordnung,
und nur zu wünschen, daß mit Ausnahme-Bewilligungen vor-
sichtig verfahren werde, um den Dörfern nicht das Ansehn und
die Gesundheitsübel der Städte zu verleihen.

Das offene freie Land, welches — sei es flach oder hü-
gelig oder gebirgig — zur Schaffung und Erhaltung von Gärten
und Parks einladet, ist nun die Heimath der eigentlichen Villen,
der L a n d Häuser, deren unterscheidender Charakter darin besteht,
daß sie für den gemüthlichen, ländlichen Gebrauch nur Einer
Familie dienen und in ihrer Umgebung keine anderen gleich-
berechtigten Wohnungen dulden, vielmehr nur Gartenpartien
eingeschlossen sind, in denen die Stallungen und sonstige Neben-
Gebäude verborgen sind.

Aus der werthvollen Schrift des Herrn Dr. Schasler
„Villa oder Miethskaserne?" ersehen wir, daß sich in Berlin
und der nächsten Umgebung sechs Gesellschaften resp. Privat-
Unternehmungen gebildet haben, welche den äußerst wohlthätigen
und schönen Zweck verfolgen, den engen, finsteren Kasernenbau
aus den äußeren Theilen der Stadt und deren Nähe zu ver-
bannen und dafür anmuthige Wohnungen mit Gartenumgebun-
gen herzustellen. Wenn nun gleich diese Pläne ohne Mitwir-
kung der Behörde immer nur auf einen verhältnißmäßig kleinen
Umfang beschränkt bleiben, und die daneben und dazwischen un-
vermeidlich auftretende „Miethskasernen" nur um so schroffer
abstechen werden, so ist mit diesem Anfänge eines Besseren
doch immer schon ein erheblicher Fortschritt gemacht, welcher
den maaßgebenden Behörden zu einem weiteren Erwägen dieser
Angelegenheit Anlaß giebt. Von diesen Baugesellschafts-Unter-
nehmungen ist ohne Ausnahme der Charakter der reinen Villa
festgehalten, jedoch wegen des hohen Grundwerthes in zu großer
Zusammengedrängtheit, welche dem Wesen der Villa schadet.
Ueberdem hat nur Einer dieser Bebauungspläne aus die not-
wendigen Lebensbedürfnisse Rücksicht genommen, und größere
Stadthäuser für gewerbliche Anlagen aller Art, Postexpeditionen
und dergl. zwischen gestreut, welche meines Erachtens aber mit
ihren hohen Seitenflügeln und kahlen Giebeln*) die Umgebungen
der Villen stören werden, während, wie oben gezeigt, das eigent-
liche Landhaus überhaupt hier nicht ganz am Platze sein dürfte,
welches seinen Zweck in der Aufnahme nur Einer Familie findet.
Es ist aber in volkreichen Städten nicht nur Raumverschwen-
dung, so kleine Gebäude aufzuführen, sondern die Bevölkerung
ist auch auf das Zusammenleben direkt angewiesen, und wer sich
dem entziehen will, muß ganz auf das Land, in die benachbarten

*) Dies dürfte wohl nicht zu fürchten sein, da die hier genieinten größe-
ren Straßenhäuser am Nollendorfer Platz sämmtlich Eckgebäude sind, auch,
da sie einen freien Platz umgeben, den Villen selbst keinen Abbruch thun
können. ■ Die Red.
 
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