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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0115

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nun mit Metopen geziert, welche aus 5'/, Fuß hohen und 8 Fuß
breiten Platten in Kunststein bestehen und in Hochrelief je eine der
fünf, mit dem Theater in näherer Beziehung stehenden Musen „Poly-
hymnia", „Terpsichore", „Erato", „Euterpe" und „Urania", jede von
zwei Genien begleitet, darstellen. Das mittelste Relief stellt „Poly-
hymnia", die Hauptmuse, dar. Begeistert durch die Muse der
Redekunst, deklamirt sie im Bühnenschritt mit heftiger Rede, während
der Genius des Schauspiels die Rolle vor Eifer zerknittert und der
andere gleichsam als Echo dem Publikum die Rede wiederholt. —
Rechts schließt sich daran „Terpsichore", die Muse des Tanzes.
Mit anmuthiger Leichtigkeit schwebt sie in rhythmischer Bewegung
dahin, ihr voran ein den „Nationaltanz" charakterisirender Genius
mit dem Tambourin, gefolgt von „Bacchus", der im Wcinrausch
Becher und Thyrsos schwingend dahertaumelt. Dann folgt „Erato",
die Liebliche, welche, zur „Polyhymnia" emporschwebend, die von der
„Psyche" bekränzte Lyra spielt. Beide, von Liebe beseelt, schweben,
der Erde entrückt, höheren Sphären zu. „Amor" indeß schmeichelt sie
zurück auf die Erde, indem er als Lohn die Rosen der beglückten
Liebe darreicht, ohne jedoch Bogen und Pfeile, die Synibole des
Liebesschmerzes, zu vergessen. Auf der linken Seite der „Polyhymnia"
schreitet „Euterpe" mit der Doppelflöte derselben entgegen, gefolgt
von einem elegischen Flötenbläser, voran ein Genius, der die lärmenden
Becken schlägt. „Urania" endlich wandelt, eine hehre Gestalt, empor
zu den Gestirnen, deren Bahn sie auf dem Globus bestimmt. Die
beiden Genie» verkünden theils den Menschen die Ergebnisse der wissen-
schaftlichen Forschung, theils verscheuchen sie die mystischen Traum-
gcstalten der Finsterniß durch das Licht der Wahrheit.

Wenn wir die hohe Anmuth der Gestaltung in diesen Kom-
positionen, welche sich besonders durch eine außerordentlich lebendige
Bewegung der Figuren auszeichnen, anerkennen, so können wir doch
andererseits nicht umhin zu bedauern, daß es dem Künstler nicht
vergönnt war, statt dieser ziemlich abstrakten und für die Aufgabe
und Thäligkcit des Theaters nur wenig charakteristischen Motive,
bestimmtere und einfachere Gegenstände zu behandeln. Aber, wie
schon bemerkt, waren die Künstler in der Wahl der Motive nicht frei,
sondern an bestimmte Entwürfe und Ideen gebunden, so daß ihnen
hieraus kein Vorwurf gemacht werden kann. In der That aber ist
es schwer zu begreifen, warum nicht z. B. einfach die verschiedenen
Gebiete der theatralischen Darstellung: „Die Tragödie", das „Schau-

spiel", das „Lustspiel", die „Oper" und zwar als tragische, historische,
komische Oper, das „Melodrama" u. s. f. in prägnanten Gestalten
versinnbildlicht worden sind; jedenfalls wären dieselben dankbarere und
auch leicht verständlichere Sujets gewesen, als die hellenisch-antiken
Abstractioueu, die zum größten Thcil, wie z. B. die Andeutungen
auf Bacchus, gar nicht auf unser heutiges Theater Bezug haben.

Doch dies nebenher; es ist nicht unsere Absicht, in eine Kritik
der Motive einzugehen, sondern die künstlerische Verwerthung und
technische Behandlung der gegebenen Motive, d. h. die Werke als
solche zu betrachten, und in dieser Beziehung verdienen die Lürssen-
scheu Kompositionen, wenn auch hier und da in dem physiognomischen
Ausdruck der Figuren, namentlich der Genien, einige zu moderne, wenn
mau will genrchafte Anklänge Vorkommen, unbedingteste Anerkennung.

Außer diesen Hauptornamenten des Theaters sind noch anzu-
führen: das große Giebelfirstakroterion der Hinterfront: eine
von einem singenden Schwan gekrönte, fünfsaitige Lyra, die von zwei
geflügelten Greifen bewacht wird, modellirt von Schiele, in Zink-
guß; die vier Eckakroterieu des über dem Mittelbau emporragenden
quadratischen Oberbaues, welche hohe Kandelaber, die von je zwei in
einem rechten Winkel stehenden Greifen gehalten werden, darstellen, in
Zinkguß; die großen Kaudelaberhalter von Wittich, als Akro-
terien der vier Ecken der beiden Pavillons, in Zinkguß. Sie stellen
acht große Gruppen dar, deren jede aus einem mächtigen Kandelaber
besteht, welcher von zwei in einem rechten Winkel gestellten weiblichen
Figuren gehalten wird.

Indem wir hiermit unsere Beschreibung schließen, können wir
nicht umhin, auch der technischen Ausführung der sämmtlicheu Skulp-
turen, welche von Herrn Czarnikow theils in Kunststein, theils in
Zinkguß vollendet wurde, unsere Anerkennung auszusprecheu. In
der That zeigt dieselbe, welcher hohen Ausbildung diese Technik, na-
mentlich des Kunststeins, welcher für solche umfangreiche Orna-
mente, und unter diesen wieder besonders für große Reliefs so ge-
eignet ist, unter der Hand eines intelligenten und stets auf die Ber-
vollkommung des Materials aufmerksamen Fabrikanten fähig ist. An
Härte den Sandstein übertreffend, bietet der Kunststein auch den
großen Vorzug einer schnelleren und billigeren Herstellung und, was
noch mehr in's Gewicht fällt, den einer das Originalmodell in
facsimileartiger Genauigkeit wiedergebenden Bestimmtheit und Schärfe
der Formen dar. M. Sr.

KunjMeraLur.

Äesthetili. — Zeschichte. — Technik.

ic Jllustrirte Prnchtbibel. Die heilige Schrift, Altes
und Neues Testament, illustrirt von Gustav Do re.
Deutsche Ausgabe, herausgegebeu von Ed. Hallberger.
Lief. 1 — 2. Verlag von Ed. Hallbergcr in Stuttgart,
gr. 4.

Die Bibel ist ohne Zweifel das populärste und weitverbreiteste
aller Bücher. Es existiren fast 7000 Bibelgesellschaften, d. h. Bereine, welche nur
mit der Herausgabe und Verbreitung dieses „Buches aller Bücher" sich be-
schäftigen ; allein von England aus sind seit dem Anfang dieses Jahrhunderts
über 50 Millionen Bibeln verbreitet worden, und alljährlich werden noch gegen
2 Millionen nach allen Weltgegenden versandt. Aber nicht nur in der mo-
dernen Zeit, sondern schon im 15. Jahrhundert, gleich nach Erfindung der Buch-
druckcrkunst, war die Bibel und später namentlich die Lutherische Uebersetzung
in das Volk gedrungen und mehr als irgend ein anderes Buch in den Hän-
den des Publikums. Eine Popularität dieser Art macht es an sich schon
begreiflich, wenn die Künstler von jeher ihre Kraft und ihr Talent an die
bildliche Ausschmückung der Bibel, an die Versinnbildlichung und Veran-
schaulichung der in ihr geschilderten Scenen und Vorgänge ans der Lebens-
und Leidensgeschichte biblischer Personen vom ersten Schöpfungsakt bis zu
den Schicksalen der Apostel und ersten Christen setzten.

Wie groß indessen vom Gesichtspunkt der künstlerischen Darstellbarkeit der
Reichthum an solchen Scenen und andrerseits die Popularität des Buches
selber sein mag, diese Momente allein erklären noch keineswegs die tiefe Ge-
walt, welche die Künstler zudem „Buche aller Bücher" hinzog; ja selbst nicht
der unvergängliche Inhalt an tiefen Gedanken und ewigen Wahrheiten giebt
schon die Lösung des Räthsels, daß von jeher die größten Künstler aller
Zeiten seit dem Ursprung der christlichen Kunst dazu getrieben wurden, aus
der Bibel den Stoff zu ihren großartigsten und unvergänglichste» Werken zu
schöpfen: es ist vielmehr die unerschöpfliche Fülle tiefster künstlerischer
Anschauungen, welche dies gewaltige und doch wieder so einfache Buch
in sich birgt. Bis auf die Blüthezeit der Knust war die Bibel und die
heilige Legende überhaupt fast die einzige Quelle für künstlerische Darstellung,
aber selbst als die Kunst den profanen Gebieten des Menschenlebens und der
Natur sich zuwandte, blieb die Bibel der edelste und reinste Born, aus denen
die Künstler ihre Motive schöpften; sie blieb bis auf die Gegenwart gewisser-
maaßen der Prüfstein für die Werthschätzung jedes höheren künstlerischen Stre-
bens. Eine lange Reihe erhabener Meister, von Giotto bis van Eyck und
Fra Angelico, von Leonardo da Vinci, Raphael und Michel-
Angelo bis Rubens, von Albrecht Dürer bis Cornelius, Over-
beck und Hippolyt Flandrin, ist vorzugsweise durch ihre großartigen
religiösen Schöpfungen zu der Höhe gelangt, auf welcher sie unerreicht und
 
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