132
Wir haben die verschiedenen Ansichten über die malerische
Behandlung architektonischer Flächendekoration aufmerksam ge-
prüft und glauben, daß es für die Erörterung der ästhetischen
Seite dieser Frage nicht minder wie der technischen von In-
teresse sein möchte, sie im Zusammenhänge zu betrachten und so-
wohl Das, was sie an positiven — kunstgcschichtlichen und
technischen — Erfahrungen enthalten, als auch Das, was sie
an ästhetischen Betrachtungen geben, kritisch zu vergleichen, um
so zu einem annäherungsweise allgemeinen Resultat über die
innere Gesetzmäßigkeit der malerischen Ornamentik auf dem Ge-
biet der Architektur zu gelangen. Außer einer Aeußerung Sem-
per's in der „Zeitschrift für bildende Kunst", die sich aber
fast nur mit technischem Detail, wie Herstellung der besten
Mischungen für den äußerlichen Farbenüberzug u. s. f. beschäf-
tigt, und einiger Bemerkungen Max Lohde's in seiner Ein-
leitung zu der Herausgabe der „Sgraffittobilder im Scphien-
Gymnasium", kommt hier besonders das interessante Werk „Die
Anwendung des Sgraffitto für Fa^adendekoration" u. s. f. von
Lange u. Bühlmann in Betracht, sodann einige lehrreiche
Artikel in der Deutschen Bauzeitung, z. B. „Vom ornamen-
talen Farbenkontur" von E. L. R. und Anderes.
In allen diesen, sonst höchst werthvollen Artikeln und
Werken scheint uns indeß die Vor- und Hauptfrage, wann
überhaupt eine solche der Malerei angehörige Ornamentik mit
Rücksicht auf den Styl und die technische Ausführung des
Gebäudes berechtigt und geboten sei— denn von Willkür
kann doch dabei keine Rede sein — zu wenig berücksichtigt zu
werden. Sodann aber ist im Weiteren auch der wichtige Unter-
schied zwischen äußerer und innerer Dekoration —
sowohl was den Charakter der Darstellungen als was die tech-
nische Behandlung betrifft — in Betracht zu ziehen. Dies Beides
scheint uns aber zunächst, selbst für die Anwendung der Sgraf-
ffttomanier nicht nur, sondern auch für die technische Be-
handlung derselben von principieller Wichtigkeit zu sein. Denn
wenn man von der die Willkür und subjektives Belieben ausschlie-
ßenden Ansicht ausgeht, daß das Ornament in einem innerlichen
und äußerlichen Abhängigkeits-Verhältniß zu dem Körper steht,
den es schmückt — sei dieser nun ein Monumentalgebäude, eine
Villa, ein Denkmal oder eine Vase — so scheint vor Allem
nothwendig, darüber ein festes Urtheil zu erlangen, in welchem
Falle und unter welchen Modalitäten die malerische Ausschmückung
eines Gebäudes — sei es nun äußerlich als Fayadendekoration
oder innerlich als Wandmalerei — anzuwenden sei. Es sind näm-
lich und werden in dieser Beziehung viele Fehler begangen, in-
dem häufig äußere Wandflächen auf eine Weise behandelt wer-
den, als gehörten sie in das Innere, oder auch umgekehrt innere
auf eine solche, als befänden sie sich draußen. Das Erstere
ist unsrer Ansicht nach am berliner Museum, der Münchener
Neuen Pinakothek u. a. O., das Zweite unter Anderem im
Sophiengymnasium von Max Lohde geschehen.
Auf diese Differenzen innerhalb des Gebiets der malerischen
Ornamentation selbst kommen wir wohl noch später zurück, je-
doch nur, um auf die ästhetische Grenzlinie zwischen der male-
rischen Außen- und Innendekoration hinzuweisen. Im Allge-
meinen sei hier nur soviel angedeutet, daß die eigentliche Ma-
lerei — sei diese nun Fresko, oder Stereochromie oder Enkaustik rc.
— dem Inneren, diejenige Techniken dagegen, welche einer-
seits in Hinsicht des Inhalts der Darstellungen „ornamental"
im engeren Sinne sinv, also die Arabesken im weitesten Um-
fange kultiviren, andrerseits in Hinsich der Form sich auf we-
nige einfache, nur dem Gesetz der Farbenharmonie unterwor-
fene, also von der Naturfarbe abstrahirende Farbengegensätze be-
schränken, dem Äußeren der Gebäude vorzubehalten sein dürften.*)
Indeß ist der Gegensatz zwischen dem Inneren und Aeußeren
des Gebäudes keineswegs ein unvermittelter. Es giebt Verbin-
dungsräume zwischen beiden, Vorhallen, Arkaden, Vestibüle,
Treppenhäuser u. s. f., die sowohl dem Aeußeren als dem In-
neren angehören, eben weil sie die Vermittelung zwischen beiden
bilden. Bei diesen wird also der strenge Gegensatz zwischen
dem reinen, sozusagen abstrakten Ornament und dem Wandge-
mälde im engeren Sinne gleichsam aufgehoben; es werden —
aber immer im Hinblick auf den Grundgegensatz zwischen dem
Inneren und Aeußeren, nämlich mit Berücksichtigung des mehr
äußerlichen oder mehr innerlichen Charakters der betreffenden
architektonischen Lokalität — Zwischen- und Mischgattungen der
malerischen Ornamentation entstehen. Aber wir meinen, daß
diese Mischgattungen — worunter wir lediglich Verbindungen
von Innen- und Außenmalerei, d. h. Gemälde der einen und
anderen Art, in harmonische Beziehung zu einander gesetzt, ver-
stehen — weit entfernt, die ästhetische Nothwendigkeit solcher
Unterschiede zu negiren, gerade einen neuen Belag für dieselbe
enthalten.
Vorläufig beschäftigt uns jedoch nur die malerische Außen-
dekoration, bei welcher wieder das Sgraffitto unsere Hauptauf-
merksamkeit in Anspruch nimmt. Es existiren über die architek-
tonisch-malerische Ornamentation eine Reihe von gediegenen
kunsthistorischen Werken, welche diesen Gegenstand theils specicll
theils im Zusammenhang mit anderen Fragen behandeln; **) in-
dessen würde cs außerhalb des durchaus praktisch-ästhetischen
Zweckes unsrer Betrachtung liegen, wenn wir hier eine übrigens
leicht aus den angeführten Werken zu schöpfende Uebersicht über
die kunsthistorische Entwicklung der malerischen Ornamentation
zu geben versuchen wollten. Beschränken wir uns daher auf
das für unfern Zweck Nothwendige. (Forts, folgt.)
*) Doch wie Alles, wenn auch nicht seine Ausnahme, doch seine Be-
schränkung hat, so giebt es auch in diesem Gebiete — und zwar in doppel-
tem Sinne — eine Abweichung von dem oben ausgestellten Princip: näm-
lich die Fresko- oder auch mosaikartige Malerei auf Goldgrund, die auf höchst
effektvolle Weise zur Ornamentation von Flächen am Ziegelrohbau angewandt
wird. Man bemerke aber, daß diese Manier sowohl nach der Seite des
Verpntzbau's, wie nach der der Außendckoration eine Ausnahme bildet.
**) Wir führen hier einige der bedeutendsten an: Ferd. v. Quast,
Die christlichen Bauwerke von Ravenna aus dem 5. bis 9. Jahrhundert.
Berlin, 1842. — H. Shaw, The decorative arts of the middle ages.
London, 1852. — I. C. Robinson, Treasury of ornamental art. Lon-
don, Day and Son, 1853. — Grüner, Decorations de palais et
d'eglises en Italie. Paris und London, 1854. — Monumentos archi-
tectonicos de Kspana, publicados de K. Orden y por disposicion del
ministerio del formento. Madrid, 1859 ll. f. — G 0 ttfr. Semper,
Der Styl in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Aesthctik,
ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde. Frankfurt a. M.,
1860. — Monuments inedits ou peu connns faisant partie du cabinet
de Guil. Libri. London, Dulau & Co., 1862. — Auch die Ornamen-
tenwerke von Oven Jones, nanientlich die Plans of the Alhambra
(London 1842) enthalten schätzbares Material.
Wir haben die verschiedenen Ansichten über die malerische
Behandlung architektonischer Flächendekoration aufmerksam ge-
prüft und glauben, daß es für die Erörterung der ästhetischen
Seite dieser Frage nicht minder wie der technischen von In-
teresse sein möchte, sie im Zusammenhänge zu betrachten und so-
wohl Das, was sie an positiven — kunstgcschichtlichen und
technischen — Erfahrungen enthalten, als auch Das, was sie
an ästhetischen Betrachtungen geben, kritisch zu vergleichen, um
so zu einem annäherungsweise allgemeinen Resultat über die
innere Gesetzmäßigkeit der malerischen Ornamentik auf dem Ge-
biet der Architektur zu gelangen. Außer einer Aeußerung Sem-
per's in der „Zeitschrift für bildende Kunst", die sich aber
fast nur mit technischem Detail, wie Herstellung der besten
Mischungen für den äußerlichen Farbenüberzug u. s. f. beschäf-
tigt, und einiger Bemerkungen Max Lohde's in seiner Ein-
leitung zu der Herausgabe der „Sgraffittobilder im Scphien-
Gymnasium", kommt hier besonders das interessante Werk „Die
Anwendung des Sgraffitto für Fa^adendekoration" u. s. f. von
Lange u. Bühlmann in Betracht, sodann einige lehrreiche
Artikel in der Deutschen Bauzeitung, z. B. „Vom ornamen-
talen Farbenkontur" von E. L. R. und Anderes.
In allen diesen, sonst höchst werthvollen Artikeln und
Werken scheint uns indeß die Vor- und Hauptfrage, wann
überhaupt eine solche der Malerei angehörige Ornamentik mit
Rücksicht auf den Styl und die technische Ausführung des
Gebäudes berechtigt und geboten sei— denn von Willkür
kann doch dabei keine Rede sein — zu wenig berücksichtigt zu
werden. Sodann aber ist im Weiteren auch der wichtige Unter-
schied zwischen äußerer und innerer Dekoration —
sowohl was den Charakter der Darstellungen als was die tech-
nische Behandlung betrifft — in Betracht zu ziehen. Dies Beides
scheint uns aber zunächst, selbst für die Anwendung der Sgraf-
ffttomanier nicht nur, sondern auch für die technische Be-
handlung derselben von principieller Wichtigkeit zu sein. Denn
wenn man von der die Willkür und subjektives Belieben ausschlie-
ßenden Ansicht ausgeht, daß das Ornament in einem innerlichen
und äußerlichen Abhängigkeits-Verhältniß zu dem Körper steht,
den es schmückt — sei dieser nun ein Monumentalgebäude, eine
Villa, ein Denkmal oder eine Vase — so scheint vor Allem
nothwendig, darüber ein festes Urtheil zu erlangen, in welchem
Falle und unter welchen Modalitäten die malerische Ausschmückung
eines Gebäudes — sei es nun äußerlich als Fayadendekoration
oder innerlich als Wandmalerei — anzuwenden sei. Es sind näm-
lich und werden in dieser Beziehung viele Fehler begangen, in-
dem häufig äußere Wandflächen auf eine Weise behandelt wer-
den, als gehörten sie in das Innere, oder auch umgekehrt innere
auf eine solche, als befänden sie sich draußen. Das Erstere
ist unsrer Ansicht nach am berliner Museum, der Münchener
Neuen Pinakothek u. a. O., das Zweite unter Anderem im
Sophiengymnasium von Max Lohde geschehen.
Auf diese Differenzen innerhalb des Gebiets der malerischen
Ornamentation selbst kommen wir wohl noch später zurück, je-
doch nur, um auf die ästhetische Grenzlinie zwischen der male-
rischen Außen- und Innendekoration hinzuweisen. Im Allge-
meinen sei hier nur soviel angedeutet, daß die eigentliche Ma-
lerei — sei diese nun Fresko, oder Stereochromie oder Enkaustik rc.
— dem Inneren, diejenige Techniken dagegen, welche einer-
seits in Hinsicht des Inhalts der Darstellungen „ornamental"
im engeren Sinne sinv, also die Arabesken im weitesten Um-
fange kultiviren, andrerseits in Hinsich der Form sich auf we-
nige einfache, nur dem Gesetz der Farbenharmonie unterwor-
fene, also von der Naturfarbe abstrahirende Farbengegensätze be-
schränken, dem Äußeren der Gebäude vorzubehalten sein dürften.*)
Indeß ist der Gegensatz zwischen dem Inneren und Aeußeren
des Gebäudes keineswegs ein unvermittelter. Es giebt Verbin-
dungsräume zwischen beiden, Vorhallen, Arkaden, Vestibüle,
Treppenhäuser u. s. f., die sowohl dem Aeußeren als dem In-
neren angehören, eben weil sie die Vermittelung zwischen beiden
bilden. Bei diesen wird also der strenge Gegensatz zwischen
dem reinen, sozusagen abstrakten Ornament und dem Wandge-
mälde im engeren Sinne gleichsam aufgehoben; es werden —
aber immer im Hinblick auf den Grundgegensatz zwischen dem
Inneren und Aeußeren, nämlich mit Berücksichtigung des mehr
äußerlichen oder mehr innerlichen Charakters der betreffenden
architektonischen Lokalität — Zwischen- und Mischgattungen der
malerischen Ornamentation entstehen. Aber wir meinen, daß
diese Mischgattungen — worunter wir lediglich Verbindungen
von Innen- und Außenmalerei, d. h. Gemälde der einen und
anderen Art, in harmonische Beziehung zu einander gesetzt, ver-
stehen — weit entfernt, die ästhetische Nothwendigkeit solcher
Unterschiede zu negiren, gerade einen neuen Belag für dieselbe
enthalten.
Vorläufig beschäftigt uns jedoch nur die malerische Außen-
dekoration, bei welcher wieder das Sgraffitto unsere Hauptauf-
merksamkeit in Anspruch nimmt. Es existiren über die architek-
tonisch-malerische Ornamentation eine Reihe von gediegenen
kunsthistorischen Werken, welche diesen Gegenstand theils specicll
theils im Zusammenhang mit anderen Fragen behandeln; **) in-
dessen würde cs außerhalb des durchaus praktisch-ästhetischen
Zweckes unsrer Betrachtung liegen, wenn wir hier eine übrigens
leicht aus den angeführten Werken zu schöpfende Uebersicht über
die kunsthistorische Entwicklung der malerischen Ornamentation
zu geben versuchen wollten. Beschränken wir uns daher auf
das für unfern Zweck Nothwendige. (Forts, folgt.)
*) Doch wie Alles, wenn auch nicht seine Ausnahme, doch seine Be-
schränkung hat, so giebt es auch in diesem Gebiete — und zwar in doppel-
tem Sinne — eine Abweichung von dem oben ausgestellten Princip: näm-
lich die Fresko- oder auch mosaikartige Malerei auf Goldgrund, die auf höchst
effektvolle Weise zur Ornamentation von Flächen am Ziegelrohbau angewandt
wird. Man bemerke aber, daß diese Manier sowohl nach der Seite des
Verpntzbau's, wie nach der der Außendckoration eine Ausnahme bildet.
**) Wir führen hier einige der bedeutendsten an: Ferd. v. Quast,
Die christlichen Bauwerke von Ravenna aus dem 5. bis 9. Jahrhundert.
Berlin, 1842. — H. Shaw, The decorative arts of the middle ages.
London, 1852. — I. C. Robinson, Treasury of ornamental art. Lon-
don, Day and Son, 1853. — Grüner, Decorations de palais et
d'eglises en Italie. Paris und London, 1854. — Monumentos archi-
tectonicos de Kspana, publicados de K. Orden y por disposicion del
ministerio del formento. Madrid, 1859 ll. f. — G 0 ttfr. Semper,
Der Styl in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Aesthctik,
ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde. Frankfurt a. M.,
1860. — Monuments inedits ou peu connns faisant partie du cabinet
de Guil. Libri. London, Dulau & Co., 1862. — Auch die Ornamen-
tenwerke von Oven Jones, nanientlich die Plans of the Alhambra
(London 1842) enthalten schätzbares Material.