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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0155

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Wesens jeglichen Objekts bilden die Merkmale jener Dekorationen,
entgegengesetzt der modernen Behandlung, die durch Sur-
rogate für besseres Baumaterial, wie Zink, Cement, Ghps,
nicht nur eine Scheindekoration, sondern auch die Mono-
tonie und Leblosigkeit der dekorativen Ausschmückung
herbeigeführt hat. Jene Werke zeigen zugleich, wie selbst in
Fällen finanzieller Beschränkung dem Architekten stets Mittel
zur künstlerischen Belebung seiner Arbeit zu Gebote stehen, die
den monumentalen Werth derselben zu erhöhen vermögen. —
Besonders hierdurch zeichnet sich die Dekorations-Weise des
Sgraffito aus, die bei leichter und wenig kostspieliger Herstel-
lung eine solche künstlerische Verwendbarkeit im engen Anschluß
an Architektur besitzt".

Dieser letztere Punkt ist namentlich in praktisch-ästhetischer
Beziehung d. h. für die Regenerirung unsrer heutigen Bauweise
durch Unterdrückung jeder Scheinarchitektur und Lügenornamentik
von großer Wichtigkeit. Denn da der Geldpunkt, bei zugleich
vorwaltender Tendenz nach äußerer Pracht, stets der eigentliche
Quell für die dauernde Korruption der modernen Bauweise sein
wird, so kann es hierin nur dann erst besser oder doch ein
Anfang zum Besseren gemacht werden, wenn der architektonische
Geldbeutel zu der Ansicht gelangt, daß es einen Weg giebt, Wohl-
feilheit mit dekorativer Schönheit zu verbinden, ohne sich der
Lüge in die Arme zu werfen.

Dies ist der Grund, warum wir die malerische Orna-
mentation des Verputzbaus — denn hierin erblicken wir den
Anfang für eine Regenerirung der heutigen Privatarchitektur —
zum Gegenstände einer besonderen Betrachtung gemacht haben.

Es bieten sich für diese Betrachtung nun drei verschiedene
und doch wieder in einander übergreifende Gesichtspunkte dar,
nämlich: 1) der kunsthistorische, 2) der praktisch-tech-
nische und 3) der praktisch-ästhetische. Von dem ersteren
aus wird man erkennen, wie die malerische Fayaden-Dekoration
zu den Zeiten der Kunstblüthe, sowie vor- und nachher, sowohl
im sthlistischen wie im technischen Sinne, behandelt wurde. Der
zweite wird die Art und den Umfang der technischen Mittel
in Betracht zu ziehen haben, deren richtige Erkenntniß für die
künstlerische Verwendbarkeit nothwendig ist. Von dem dritten
endlich wird, an die Resultate der ersten beiden Betrachtungs-
weisen anknüpfend, diese künstlerische Verwendbarkeit, nament-
lich auch in Hinsicht auf die Unterschiede von Innen- und
Außenarchitektur, ihrer inneren ästhetischen Gesetzmäßigkeit nach
zu erläutern sein.

1. Die frühsten Spuren ornamentaler Bemalung bis auf die
Anwendung des Sgraffito in der Renaissance.

Für diejenigen unserer Leser, denen diese Technik noch nicht
genauer bekannt ist, bemerken wir — ohne schon in technisches
Detail einzugehen — daß das Sgraffito (von SAraktinre, aus-
kratzen, schraffiren) keine Malerei, sondern eine Art Umrißzeich-
nung auf Mauerwerk ist, dadurch hervorgebracht, daß zwei ver-
schiedenfarbige Kalkschichten, am gewöhnlichsten schwarz und weiß,
aber auch weiß und braun, schwarz und roth, übereinander auf die
Mauerfläche aufgetragen worden, worauf dann durch Schabe-In-
strumente die äußere Schicht so abgekratzt wird, daß die untere
stellenweise sichtbar wird. Wenn diese abgekratzten Stellen nun

entweder in Umrissen oder ganzen Flächen, Arabesken, Figuren rc.
darstellen, so nennt man solche Ornamentzeichnung „Sgraffito".
Schon aus dieser Art der Herstellungsweise erkennt man, daß
das „Sgraffito" recht eigentlich die ornamentale Technik des
Verputzbau's ist. Es ist keine bloße Auftragung von Farben
auf den Kalk, sondern eine Art Farbenrelief, das organisch ebenso
mit dem Putz verbunden ist, wie die gebrannten Thonornamente
mit dem Ziegelrohbau.

Diese Art Technik scheint, obwohl genauere Angaben dar-
über fehlen, sehr alt zu sein. Ob sie jedoch, wie Semper aus
der Analogie der äußerlichen Behandlung der Sgraffitomanier
mit der auf antiken Vasenbildern schließen zu können glaubt,
bis in's klassische Alterthum zurückdatirt, scheint uns ebenso
unwahrscheinlich wie seine extravagante Behauptung, daß „an
allen, auch den edelsten Monumenten der perikleischen Zeit ein
vollständiger Farbenüberzug vorhanden gewesen." Mithoff hat
in seinem interessanten Aufsatz „Die Anwendung von Farben
an Gebäuden"*) das Haltlose dieser Behauptung durch gewich-
tige Gründe nachgewiesen. Wir können hier, wo es sich für
uns um einen besondern Zweck handelt, in das Für und Wider
dieser interessanten Frage nicht näher eingehen und beschränken
uns daher auf das für unsere Frage Wesentliche.

Semper**) sagt von der architektonischen Polychromie
mit großer Entschiedenheit: „Wo immer eine Mauer über-
haupt Fatzade bilden und zu einer architektonischen Wirkung
beitragen sollte, war sie polhchromirt und zum Theil mit
historischen oder scenischen Malereien geziert", und weiter: „Ein
architektonisches Werk kann ohne seine richtige Farbenergänzung
gar nicht in seinem wahren Sinne gedacht und aufgefaßt wer-
den, das Wesen der Formen ist durch die Farben bedingt". —
Hiegegen hat schon Mithoff geltend gemacht: 1) daß die Nach-
richten, welche aus dem Alterthum über Bemalung von Archi-
tekturen auf uns gekommen sind, überhaupt sehr dürftig seien,
ja, daß nach einzelnen Mittheilungen von Pausanias und Vitruv,
die Anwendung von Farbe bei den Außenseiten in größerer
Ausdehnung nur auf solche Gebäude sich erstreckt zu haben
scheint, deren Wände mit einem Stucküberzuge versehen waren.
— 2) Daß mehrfach die Rede von weiß aussehenden Gebäuden
ist. — 3) Daß bei allen Vasengemälden des vollendetsten Styls
die Tempelarchitekturen weiß erscheinen und nur das Gesimse
und der Hals der Säulen gewöhnlich einige gelbe Streifen
zeigen. — 4) Was die auf unsere Zeit gekommenen Monu-
mente selbst betrifft, so gewähren dieselben bestimmtere Anhalts-
punkte. Es ist bekannt, daß sich Farben auch an den vollendetsten,
meist aus weißem Marmor errichteten Gebäuden finden. So am
„Tempel des Theseus": Farbenreste an den Figuren des mit
blauem Grunde versehenen Frieses, unter letzterem eine vor-
springende Platte mit gemaltem Mäander, ferner ein mit Eiern
bemalter Viertelstab und darüber die Kassettirungen der Decke
mit farbigem Grunde, von welchem Heller gefärbte Sterne sich
abheben. Roth, Blau und Grün, auch zweifelhafte Spuren
von Vergoldung kommen an diesem Tempel vor. Aehnliche

*) Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins für Hannover.
(Vergl. auch unfern Auszug daraus in Nro, 48. 4866.)

**) „Der Styl in den technischen und tektonischen Künsten".
 
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