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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0181

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Naturformen hin. Wir können daher auch mit L. und B.
nur bedingungsweise übereinstimmen, wenn sie fortfahren: ,,Es
ist somit die Ansicht, als müsse das Sgraffito dem Eindrücke
eines Holzschnittes oder einer Radirung gleichkommen, seiner
Darstellungsweise insoweit widersprechend, als es nur in ganz
entschiedenen Gegensätzen von hellen zu dunklen Flächen eine
günstige Wirkung zu erreichen vermag." — Diejenigen nämlich,
welche das Sgraffito mit dem Holzschnitt vergleichen, meinen
damit offenbar nicht die äußerliche Wirkung beider, sondern die
ähnliche Begrenzung auf die sthlistische Behandlung; und in
diesem Sinne kann man sagen, daß das Sgraffito sich zum
Fresco verhalte wie etwa der Holzschnitt (d. h. der alte, in
derben Konturen wirkende) zur modernen Schwarzkunstmanier
des Kupferstichs. Richtiger aber ist noch die Parallele der Sepia-
Zeichnung zum Aquarell. Beherzigenswerth ist die folgende Be-
merkung: „In der Wahl der für Darstellung durch Sgraffito
sich eignenden Gegenstände findet nur insofern eine Beschrän-
kung statt, als diese eine silhouettenartige Komposition gestatten
müssen. Demgemäß bleiben historische Darstellungen mit
der Freiheit des Frescovortrages ausgeschlossen
und können nur in entsprechender Umarbeitung, wenn über-
haupt möglich, durch Sgraffito gegeben werden."

Sehr lehrreich ist ferner die Schilderung des Sgraffito in
der Renaissance, sowie die Andeutung über die verschiedenen
Formengebiete des Sgraffito neuerer Zeit: „Die reiche Formen-
sprache der Renaissance, die sich fast an jedem einzelnen Werke
verschieden kundgiebt, zeigt als Hauptelement der Dekoration eine
ideal-vegetabilische Gestaltung, welcher sich figürliche Dar-
stellungen, Uebergänge aus dem Vegetabilischen in das Mensch-
liche und Thierische beigesellen. Edle Bildung des Blattwerkes,
seiner Verschlingungen wie seines Zusammenhanges mit leblosen
oder belebten Gegenständen, stets in richtiger Beziehung zum
umgebenden Rahmen, verleihen jenen Schöpfungen noch beson-
dere Auszeichnung. Als Motive zu horizontaler Anordnung wie
in Friesen, mögen Züge von Tritonen und Nereiden, Gruppen
von Sphinxen, Delphinen, Putten (Kinder) dienen, in Ver-
bindung von Medaillons oder Wappen. Für heitere Art lassen
sich Scenen aus dem Jagdleben und den Kinderspielen ent-
nehmen. Mehr neutraler Natur, jedoch von großer Zierde, sind
Fruchtschnüre, Bandverschlingungen, Trophäen, Masken, ins-
besondere reiht sich hier für ornamentalen Schmuck die reiche
Auswahl antiker Muster an. — Der vertikalen Anordnung ent-
sprechen Tragfiguren mit Arabeskenfortsetzung, für Pilaster eine
der Marmordekoration nachgebildeten Ausfüllung; in ruhigen
Flächen genügen Teppichmuster. — Fingirte Architekturtheile
können nie durch perspektivische Darstellung in Sgraffito eine
Täuschung erregen, sondern müssen zur Verwendung erst deko-
rativ umgestaltet werden."

In Betreff des Kolorits — für den nicht wohl an-
gemessenen Ausdruck „Kolorit", worunter man realistische Farben-
stiminung versteht, wäre besser die Bezeichnung Farbenarrangement
zu wählen, da es eben für das Sgraffito charakeristisch ist, daß
es vom „Kolorit" abstrahirt — bemerken L. und B., daß das-
selbe in den ältesten Beispielen lediglich im Gegensatz von Weiß
und Schwarz bestand, indem der mit Kohle untermengte Grund-
verputz mit reiner Kalkmilch übertüncht wurde. Doch läßt sich

nicht leugnen, daß bei der Farbenverschiedenheit des für die
Architekturtheile einer Faoade angewandten Materials dieser Ge-
gensatz manchmal zu grell erscheinen mochte. Neuere Versuche,
dem Untergrund anstatt Schwarz eine bald graue, bald dunkel-
grüne oder auch braune Färbung zu geben und in gleicher Art
das Weiß der Oberfläche durch geringen Zusatz von Gelb zu
mildern, erwiesen, daß hiedurch das Kolorit der ganzen Faoade
in volle Harmonie zu bringen sei. So z. B. am Palaste Nicolini
in Florenz entspricht der dunkelgrün gehaltene Grund vollständig
dem Weiß der Zeichnung wie dem Dunkelocker der Architektur-
theile der Fatzade. Außerdem hat man in Italien letzter Zeit
Versuche angestellt, innerhalb der in Sgraffito behandelten
Flächen auch Frescomalerei einzulegen, in der Absicht, den
Fatzaden hiedurch noch größere Abwechslung zu verleihen".

Ehe wir auf das technische Verfahren beim Sgraffito ein-
gehen, halten wir es für geboten, einige Mittheilungen über
den eigentlich kunsthistorischen Inhalt des Werkes von L. und B.
zu geben. Es enthält drei große Tafeln mit 28, theils größeren
theils kleineren Darstellungen. Die erste Tafel enthält in Figur 1
eine Ansicht der Faoade von Hause des Notar Sander in Rom
das angeblich nach Entwürfen des Bramante im Jahre 1506
erbaut ist; die feinen Gliederungen sind in Stein, die Fries-
Dekorationen und einige Architekturlinien in Sgraffito ausge-
führt. In Fig. 7 und 9 werden Details vom Portal und
des Fensters im ersten Stockwerk gegeben. Figur 2 stellt
die Fayade des Palastes Guadagui in Florenz, durch Simone
Cronaca um 1490 erbaut, dar, in Fig. 6 werden Details der
Sgraffitcdekoration zwischen dem mittleren Stockwerke gegeben.
Von besonders schöner Wirkung und geschmackvoller Zeichnung
ist die Sgraffito-Ornamentation am Palast Nikolini in Florenz,
von Baccio d'Agnolo um 1510 erbaut. Der Hintergrund der
Zeichnung ist dunkelgrün, die Medaillons und Nischen mit
buntem Fresco eingelegt, während die Architekturtheile einen
gelblichen Ockerton zeigen. — Auf der zweiten Tafel werden
verschiedene höchst geschmackvolle Muster von Rosetten, Pfeiler-
Dekorationen, Friese in Sgraffito, sowie eine vollständige Sgraf-
fitofa^ade des vicolo del governo veccbio in Rom gegeben,
auf Tafel III. die Fatzade des Palastes Spinell! in Florenz
mit Friesen und Wandflächen in Sgraffito, ferner eine Ansicht
des Hofes aus Palast Bartolini in Florenz, von Baccio d'Agnolo
um 1510 erbaut, nebst Details von den Brüstungsdekorationen
beider Stockwerke, welche auf Tafel IV. in vergrößertem Maaß-
stabe fortgesetzt werden. An dieser Tafel kann man die außer-
ordentliche Schönheit der architektonisch - malerischen Wirkung
des Sgraffito am deutlichsten erkennen. Tafel V. endlich giebt
einige Ornamente von Palast Spinell! in noch größerem Maaß-
stabe und in zwei Farben (schwarz und weiß).

Indem wir diese dürre Inhaltsangabe mittheilen, welche
freilich ohne die eigne Anschauung keine Vorstellung von dem
geschmackvollen und echt künstlerischen Charakter der Darstellun-
gen zu geben vermag, können wir nicht umhin, den Wunsch
auszusprechen, daß die Herren Herausgeber sich veranlaßt sehen
möchten, diesen interessanten Publikationen weitere folgen zu
lassen, vielleicht auch selbstständige Kompositionen für Sgraffito
als Muster für die Monumental- und Privat-Architektur der
Gegenwart aufzustellen. (Forts, folgt.)
 
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