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lassen weißer Linien oder Punkte eine „Taille". Doch sei man
hier vorsichtig und vermeide das Konfuse und Gesuchte. Schwarze
Formen auf dem stehengelassenen weißen Grunde sind zierlich
und schlank zu halten, auch innerlich mit Maaß zu detailliren.
Der Grund muß im Flächeninhalte vorherrschen, weil auch hier
die schwarze Masse an der Weißen Masse zehrt. Diese Methode
ist vorzüglich bei Rankenwerken, Palmettenfriesen und Aehnlichem
anwendbar. — Eine dritte Methode ist nun die reine Zeich-
nung, wobei nur die Umrisse der Figuren herausgekratzt und
die inneren Partien derselben mit Schraffirungen herausgehoben
werden. Letztere veranlassen, daß das Dargestellte als Masse
immer etwas dunkler erscheint als der Grund, und dieser Massen-
gegensatz ist nothwendig. Die Stärke der Umrisse und Schatten-
striche richtet sich natürlich nach der Größe des Werkes, nach
der Höhe des Ortes, wo es anzubringen ist, nach der Ent-
fernung des Gesichtspunktes, nach dem Charakter des Ganzen
und Einzelnen, nach der Individualität des Künstlers und nach
vielen andern Dingen. Im Ganzen gilt der Satz: die Mauer-
fläche muß Fläche bleiben. Die Dekoration überschreite das
Gebiet der Flächenverzierung so wenig wie möglich; sie werde
nicht zu plastisch, naturalistisch, sie vermeide Löcher und Vor-
sprünge. In letzterem Sinne sind schattirte Spiegelquadern (wie
sie häufig auf alten italienischen Sgraffitowänden Vorkommen),
architektonische Reliefformen und dergl. im Ganzen zu vermeiden.
Doch bin ich in dieser Beziehung kein gar eifriger Purist. Alles
ist erlaubt, was dem Ganzen nicht schadet, sondern hilft, und
was den Meister lobt." — Das Letztere ist freilich sehr vage.
Es handelt sich eben darum zu bestimmen, was dem Ganzen
hilft und was ihm schadet; könnte dergleichen im Einzelfall von
dem subjektiven Ermessen des Künstlers abhängen, so dürfte
dieses Kriterium auch für alles Uebrige gelten.
Ehe wir nun zu der Hauptfrage zurückkehren, nämlich in
welcher Beziehung die Faoaden-Dekoration zum
Material und zum Styl des Bauwerks steht, die es
zu schmücken bestimmt ist, können wir nicht unterlassen, noch
einen interessanten Artikel zu erwähnen, welchen die deutsche
Bauzeitung in Nr. 42 des vor. Jahrg. unter dem Titel „Vom
ornamentalen Farbencontour" (unterzeichnet E. L. R.)
veröffentlichte. Es ist dabei indeß zu bemerken, daß dieser Artikel
von der materiellen Technik, ja selbst von ihrer Anwendung auf
Architektur abstrahirt und schlechthin über Das, was die Ueber-
schrift ausdrückt, handelt, d. h. von der Behandlung linearischer
Farbenabgrenzungen für dekorative Zwecke. Nichtsdestoweniger
läßt sich von dem darin Gesagten auch für die architektonische
Ornamentation mannigfache Anwendung machen.
Der Verfasser beginnt mit dem allgemeinen Satze, daß
„die unmittelbare Berührung zweier Farben von mittlerer
Helligkeit dem Effekte im Allgemeinen wenig günstig ist. Sind
die beiden Farben wenig von einander verschieden, so heben sie
sich nicht genug von einander ab; sind sie mehr von einander
verschieden, so geben sie, indem besonders beim Sehen in einiger
Entfernung die Farben-Eindrücke auf der Netzhaut nicht mehr
genau auf ihren geometrischen Ort beschränkt bleiben, an der
Grenze eine Mischfarbe, die, mag sie selber wieder lebhaft oder
grau sein, auf alle Fälle schwächend auf die Kombination
einwirkt. Das Mittel, dieses Jneinanderfließen der Farben
zu verhindern, besteht darin, daß man zwischen ihnen einen
dunklen Streifen anbringt, so daß jede von beiden sich auf
der Netzhaut über die halbe Breite dieses Streifens verbreiten
kann, ehe sie einander erreichen. Dieser dunkle Streifen ist
der Eon tour. Er ist bei chromatischen Kompositionen um so
nothwendiger, aus je weiterer Ferne sie betrachtet werden sollen.
Die Bleibänder, welche in den alten Glasgemälden an den
Grenzen der Hauptfarben hinlaufen, entstanden aus der Noth-
Wendigkeit, die verschieden gefärbten Glasstücke zu einem Ganzen
zu verbinden; aber sie leisten überdies dem Effekte wesentlichen
Vorschub. So ungehörig diese markirten Contouren da sein
würden, wo man sich die malerische Darstellung der Natur zur
Aufgabe gemacht hat, so angemessen sind sie, wo der Hauptzweck
chromatischer Schmuck ist, und wo die dargestellten Dinge nur
dazu dienen sollen, den Geist des sinnenden Beschauers anzu-
regen. Da die Contouren zunächst dunkel sein sollen, so bietet
sich Schwarz als natürlichste Farbe für dieselben dar, und dies
ist auch in solchen Kompositionen anzuwenden, in denen die
Farben in ihrer Gesammtheit vertreten sind und in denen
im Farbenkreise weit von einander stehende Tinten, namentlich
Komplementär-Farben, an einander stoßen. Wo dagegen nur
ähnliche Farben einander begrenzen, wendet man eine der-
selben, in der Regel am Besten diejenige, welche in der größten
Ausdehnung vorkommt und sich als herrschende Farbe geltend
macht, in einem sehr dunkelen Tone für den Kontour an. Sie
leistet dann bei der geringen Empfindlichkeit, welche die Netzhaut
für die herrschende Farbe zeigt, dieselben Dienste wie schwarz
und erscheint weniger hart, weniger fremdartig."
Daß der Verf. bei diesen Bemerkungen auch die architekto-
nische Ornamentation im Auge hat, geht aus folgenden Worten
hervor: „Bei Gegenständen, welche wie die Wände von großen
Hallen, Tanz- und Musiksälen u. s. w. bald der Betrachtung
aus der Nähe, bald der aus der Ferne ausgesetzt sind, wird
man darauf bedacht sein, Umgrenzungen so anzubringen, daß
sie in der Nähe noch als ein Theil des Ornamentes oder des
Grundes aufgefaßt werden, während sie in der Ferne, wo sie
zurücktreten, noch den Dienst des Contours leisten. Bei Orna-
menten, die ein Relief darstellen, ist es Sache der Geschicklich-
keit des Künstlers, die beschatteten Gegenansichten und die Schlag-
schatten, sei es nun daß sie wirklich vorhanden oder nur gemalt
sind, für diejenigen Zwecke zu benutzen, denen bei flachen Tinten
ausschließlich der Contour dient."
Ein wichtiger Punkt ist der Einfluß des Contours auf die
subjektive Stylisirung des Ornaments, indem er —- wie der Verf.
sich ausdrückt — „bei der ornamentalen Anwendung von Gegen-
ständen der Wirklichkeit, namentlich von Blättern, von Blumen,
aber auch von Thieren und selbst von Menschengestalten dazu
dienen kann, das subjektive Element zu heben, das objektive
herabzudrücken, die Gegenstände, wie man sich wohl auszudrücken
pflegt, zu entnaturalisiren. Er ist der Träger des subjektiven
Elements der Zeichnung, er ist die Handschrift deö Zeich-
ners, und sein Verschwinden in der Neuzeit hängt eng zu-
sammen mit dem sterilen Naturalismus ihrer Geschmacksrich-
tung. So lange man die Tassen, aus denen man trinkt, die
Teller, von denen man ißt, ja die Vasen, in welche natürliche
Blumen gesetzt werden sollen, mit Abbildungen von Blumen
lassen weißer Linien oder Punkte eine „Taille". Doch sei man
hier vorsichtig und vermeide das Konfuse und Gesuchte. Schwarze
Formen auf dem stehengelassenen weißen Grunde sind zierlich
und schlank zu halten, auch innerlich mit Maaß zu detailliren.
Der Grund muß im Flächeninhalte vorherrschen, weil auch hier
die schwarze Masse an der Weißen Masse zehrt. Diese Methode
ist vorzüglich bei Rankenwerken, Palmettenfriesen und Aehnlichem
anwendbar. — Eine dritte Methode ist nun die reine Zeich-
nung, wobei nur die Umrisse der Figuren herausgekratzt und
die inneren Partien derselben mit Schraffirungen herausgehoben
werden. Letztere veranlassen, daß das Dargestellte als Masse
immer etwas dunkler erscheint als der Grund, und dieser Massen-
gegensatz ist nothwendig. Die Stärke der Umrisse und Schatten-
striche richtet sich natürlich nach der Größe des Werkes, nach
der Höhe des Ortes, wo es anzubringen ist, nach der Ent-
fernung des Gesichtspunktes, nach dem Charakter des Ganzen
und Einzelnen, nach der Individualität des Künstlers und nach
vielen andern Dingen. Im Ganzen gilt der Satz: die Mauer-
fläche muß Fläche bleiben. Die Dekoration überschreite das
Gebiet der Flächenverzierung so wenig wie möglich; sie werde
nicht zu plastisch, naturalistisch, sie vermeide Löcher und Vor-
sprünge. In letzterem Sinne sind schattirte Spiegelquadern (wie
sie häufig auf alten italienischen Sgraffitowänden Vorkommen),
architektonische Reliefformen und dergl. im Ganzen zu vermeiden.
Doch bin ich in dieser Beziehung kein gar eifriger Purist. Alles
ist erlaubt, was dem Ganzen nicht schadet, sondern hilft, und
was den Meister lobt." — Das Letztere ist freilich sehr vage.
Es handelt sich eben darum zu bestimmen, was dem Ganzen
hilft und was ihm schadet; könnte dergleichen im Einzelfall von
dem subjektiven Ermessen des Künstlers abhängen, so dürfte
dieses Kriterium auch für alles Uebrige gelten.
Ehe wir nun zu der Hauptfrage zurückkehren, nämlich in
welcher Beziehung die Faoaden-Dekoration zum
Material und zum Styl des Bauwerks steht, die es
zu schmücken bestimmt ist, können wir nicht unterlassen, noch
einen interessanten Artikel zu erwähnen, welchen die deutsche
Bauzeitung in Nr. 42 des vor. Jahrg. unter dem Titel „Vom
ornamentalen Farbencontour" (unterzeichnet E. L. R.)
veröffentlichte. Es ist dabei indeß zu bemerken, daß dieser Artikel
von der materiellen Technik, ja selbst von ihrer Anwendung auf
Architektur abstrahirt und schlechthin über Das, was die Ueber-
schrift ausdrückt, handelt, d. h. von der Behandlung linearischer
Farbenabgrenzungen für dekorative Zwecke. Nichtsdestoweniger
läßt sich von dem darin Gesagten auch für die architektonische
Ornamentation mannigfache Anwendung machen.
Der Verfasser beginnt mit dem allgemeinen Satze, daß
„die unmittelbare Berührung zweier Farben von mittlerer
Helligkeit dem Effekte im Allgemeinen wenig günstig ist. Sind
die beiden Farben wenig von einander verschieden, so heben sie
sich nicht genug von einander ab; sind sie mehr von einander
verschieden, so geben sie, indem besonders beim Sehen in einiger
Entfernung die Farben-Eindrücke auf der Netzhaut nicht mehr
genau auf ihren geometrischen Ort beschränkt bleiben, an der
Grenze eine Mischfarbe, die, mag sie selber wieder lebhaft oder
grau sein, auf alle Fälle schwächend auf die Kombination
einwirkt. Das Mittel, dieses Jneinanderfließen der Farben
zu verhindern, besteht darin, daß man zwischen ihnen einen
dunklen Streifen anbringt, so daß jede von beiden sich auf
der Netzhaut über die halbe Breite dieses Streifens verbreiten
kann, ehe sie einander erreichen. Dieser dunkle Streifen ist
der Eon tour. Er ist bei chromatischen Kompositionen um so
nothwendiger, aus je weiterer Ferne sie betrachtet werden sollen.
Die Bleibänder, welche in den alten Glasgemälden an den
Grenzen der Hauptfarben hinlaufen, entstanden aus der Noth-
Wendigkeit, die verschieden gefärbten Glasstücke zu einem Ganzen
zu verbinden; aber sie leisten überdies dem Effekte wesentlichen
Vorschub. So ungehörig diese markirten Contouren da sein
würden, wo man sich die malerische Darstellung der Natur zur
Aufgabe gemacht hat, so angemessen sind sie, wo der Hauptzweck
chromatischer Schmuck ist, und wo die dargestellten Dinge nur
dazu dienen sollen, den Geist des sinnenden Beschauers anzu-
regen. Da die Contouren zunächst dunkel sein sollen, so bietet
sich Schwarz als natürlichste Farbe für dieselben dar, und dies
ist auch in solchen Kompositionen anzuwenden, in denen die
Farben in ihrer Gesammtheit vertreten sind und in denen
im Farbenkreise weit von einander stehende Tinten, namentlich
Komplementär-Farben, an einander stoßen. Wo dagegen nur
ähnliche Farben einander begrenzen, wendet man eine der-
selben, in der Regel am Besten diejenige, welche in der größten
Ausdehnung vorkommt und sich als herrschende Farbe geltend
macht, in einem sehr dunkelen Tone für den Kontour an. Sie
leistet dann bei der geringen Empfindlichkeit, welche die Netzhaut
für die herrschende Farbe zeigt, dieselben Dienste wie schwarz
und erscheint weniger hart, weniger fremdartig."
Daß der Verf. bei diesen Bemerkungen auch die architekto-
nische Ornamentation im Auge hat, geht aus folgenden Worten
hervor: „Bei Gegenständen, welche wie die Wände von großen
Hallen, Tanz- und Musiksälen u. s. w. bald der Betrachtung
aus der Nähe, bald der aus der Ferne ausgesetzt sind, wird
man darauf bedacht sein, Umgrenzungen so anzubringen, daß
sie in der Nähe noch als ein Theil des Ornamentes oder des
Grundes aufgefaßt werden, während sie in der Ferne, wo sie
zurücktreten, noch den Dienst des Contours leisten. Bei Orna-
menten, die ein Relief darstellen, ist es Sache der Geschicklich-
keit des Künstlers, die beschatteten Gegenansichten und die Schlag-
schatten, sei es nun daß sie wirklich vorhanden oder nur gemalt
sind, für diejenigen Zwecke zu benutzen, denen bei flachen Tinten
ausschließlich der Contour dient."
Ein wichtiger Punkt ist der Einfluß des Contours auf die
subjektive Stylisirung des Ornaments, indem er —- wie der Verf.
sich ausdrückt — „bei der ornamentalen Anwendung von Gegen-
ständen der Wirklichkeit, namentlich von Blättern, von Blumen,
aber auch von Thieren und selbst von Menschengestalten dazu
dienen kann, das subjektive Element zu heben, das objektive
herabzudrücken, die Gegenstände, wie man sich wohl auszudrücken
pflegt, zu entnaturalisiren. Er ist der Träger des subjektiven
Elements der Zeichnung, er ist die Handschrift deö Zeich-
ners, und sein Verschwinden in der Neuzeit hängt eng zu-
sammen mit dem sterilen Naturalismus ihrer Geschmacksrich-
tung. So lange man die Tassen, aus denen man trinkt, die
Teller, von denen man ißt, ja die Vasen, in welche natürliche
Blumen gesetzt werden sollen, mit Abbildungen von Blumen