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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0314

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Leutze's Künstlerleben ab. Ihn, den bis dahin über alle An-
fechtungen und Anfeindungen, die ja in keinem Künstlerleben
fehlen, triumphirenden, in allen Unternehmungen siegreichen
Meister trafen Verdrießlichkeiten aller Art und verleiveten ihm
den Aufenthalt in Düsseldorf. Zugleich bot sich in Amerika
eine glänzende Aussicht auf eine übergroße künstlerische Thätig-
keit, eine Aufgabe stand ihm in Aussicht, wie sie einem Ameri-
kaner nicht schöner geboten werden konnte: die Versammlungs-
Räume des Kongresses und des Senates im Kapitol der Union
in Washington mit der Darstellung der Hauptmomente der Ge-
schichte Nordamerika's auözumalen.

Anfangs 1859 verließ Leutze Düsseldorf. In Amerika be-
gann er sogleich mit der gewohnten Rüstigkeit zu schaffen, zahl-
reiche Portraits beschäftigten ihn zuerst; dann folgten 1860:
„Das Mädchen von Saragossa", jene vielbesungene Episode aus
dem französisch-spanischen Kriege, und „Venetianische Masken",
ein eigenthümlich romantisches Genrebild, welches eine vom Feste
heimkehrende Gesellschaft darstellt, deren Gondel bei dämmerndem
Morgen der Gondel der Staats-Inquisition begegnet, welche die
Leichen der heimlich Hingerichteten Staatsverbrecher hinaus in
den Kanal Orfano fährt; 1861 entstand ein „Besuch der An-
gehörigen Lafayette's bei ihm im Gefängnisse zu Olmütz" und
„Die Besitznahme von Maryland durch die Engländer unter
Leonard Calvert", eine große, reiche Komposition, worin der
Gegensatz zwischen den europäischen Ankömmlingen und den ein-
heimischen Indianern in wirkungsvoller Weise zur Erscheinung
kommt und auch die Landschaft von großer Bedeutung ist. In
demselben Jahre machte Leutze eine beschwerliche und gefahrvolle
Reise in den fernen Westen bis in das Felsengebirge und unter
die Indianer, um Studien zu sammeln für das große Werk,
womit er die Arbeiten für das Kapitol begann. 1862 ward
dieses Bild, welches die ganze Wand eines Saales bedeckt, voll-
endet. Dem realistischen Sinne des amerikanischen Publikums
entsprechend, ist dieses Gemälde eine Darstellung aus der Wirk-
lichkeit und Gegenwart, eine Gruppe von Auswanderern, Pio-
nieren der Civilisation, denen, auf der Höhe des Felsengebirges
angelangt, sich der Blick nach dem unbekannten Westen, dem
Goldlande, aufthut. Figuren und Landschaft wirken auch in
diesem Werke zusammen. Ein Sockelbild dazu zeigt die Ansicht
des Golden Gate, des Hafens von San Francisko, und eine
allegorisch-symbolische Umrahmung vervollständigt den Ausdruck
der Jvee, welche der Darstellung zu Grunde liegt. 1862 entstand
„Prinzessin Elisabeth von England im Gefängnisse (unter der
Negierung der blutigen Mary), vom Erzbischof Cranmer besucht",
und unter anderen Portraits die Bildnisse des Staatssekretärs
Seward und des Generals Burnside.

Anfangs 1863 kam Leutze, der nunmehr durch so viele
dort vollendete Arbeiten in seiner amerikanischen Heimath wieder
ganz Eingebürgerte, nach Düsseldorf zurück, um seine Familie,
die inzwischen dort geblieben war, abzuholen und mit sich hin-
überzuführen. Wie warm wurde er von den Freunden empfan-
gen! Wie freuten sich gar Viele, die aus Mißverstand und
wegen so mancher kleinlicher Rücksichten, Interessen und Eifer-
süchteleien sich in der letzten Zeit vor seinem Abgänge mit ihm
entzweit hatten, ihm wieder die Freundeshand drücken zu können!
Manche Genugthuung für unverständige Kränkung ist ihm damals

geworden. Wir hätten ihn so gern bei uns im lieben deutschen
Vaterlande behalten, aber bei uns war kein Wirkungskreis für
ihn, und drüben, im Lande der unbegränzten Zukunft, winkte
ihm ein großer. Er blieb in Düsseldorf bis zum Oktober des-
selben Jahres, und auch während dieses kurzen Aufenthaltes
war er nicht müßig; er malte während desselben einen Aus-
wandererzug, der in der Prairie von wilden Indianern über-
fallen wird, und zwei Portraits. Dann schied er, und dieses
Mal waren es nicht nur die näheren Freunde, die ihm das Ab-
schiedsfest bereiteten, fast die ganze düsseldorfer Künstlerschaft
betheiligte sich daran: die Säle des „Malkastens" konnten die
Gäste kaum fassen, die Fest- und Abschiedstoaste wollten nicht
enden und alle schlossen mit dem Wunsche und der Hoffnung:
„Wir sehen Dich dennoch wieder, Du gehörst zu unö, Du wirst
wieder zu uns zurückkehren!" Es sollte nicht sein.

Auch seine großen Hoffnungen sollten sich nicht erfüllen.
Der gewaltige Bürgerkrieg machte den Plänen für die künstle-
rische Ausschmückung des Kapitols ein Ende, ihre Ausführung
wurde auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben. Die Werke aus
dieser letzten Lebensperiode des Meisters sind die folgenden:
„Der Abzug der letzten Mauren aus der Alhambra", ein lebens-
großes Portrait Washingtons in ganzer Figur als Großmeister
der Freimaurer; die Portraits des Präsidenten Lincoln und des
Generals Grant; „Margaret von Branksome" (nach Walter
Scott's „Lay of the last Minstrel“), Maria Stuart nach
ihrer Rückkehr nach Schottland, die erste Messe hörend", „Lady
Godiva" und „Elaine", nach Gedichten von Tennyson, und
„Die Braut Christi". Außer diesen entstammen seinen letzten
Jahren aber noch eine Menge von Portraits und kleineren Ar-
beiten, auch wurden mehrere Cartons für die Arbeiten im Ka-
pitol gezeichnet; der größte derselben, die „Emancipation der
Sklaven" darstellend und für den Versammlungssaal des Senats
bestimmt, war das letzte Werk, welches er einige Tage vor seinem
Tode vollendete.

Der Tod ereilte ihr plötzlich. Am 18. Juli hatte er un-
vorsichtiger Weise in der furchtbarsten Mittagshitze zu Washing-
ton, der Stadt, welcher er vor allen amerikanischen Städten
den Vorzug gab und wo er seinen bleibenden Aufenthalt ge-
nommen hatte, einen längeren Ausgang gemacht. Unwohl nach
Hause zurückgekehrt, konnte er doch noch am Nachmittage Per-
sonen empfangen, die zu einer Portraitsitzung in sein Atelier
kamen, aber er mußte sie bald entlassen, und zwei Stunden
darauf war er verschieden. Die Wirkung der übermäßigen Hitze
hatte einen Gehirnschlag herbeigeführt.

Wir hatten gehofft, ihn in diesem Herbste nochmals in
Düsseldorf zu sehen, wo seine Gemahlin und eine seiner Töchter
bei ihrer Familie zum Besuche waren, er hatte versprochen, zu
kommen, und viele seiner Freunde knüpften an sein Kommen
die Hoffnung, ihn bei uns fesseln zu können. Die politischen
Wirren in der amerikanischen Union hatten die Aufnahme der
großen künstlerischen Arbeiten neulich wiederum in's Unbestimmte
hinausschieben lassen, und in Düsseldorf war die Stelle offen,
in welcher wir ihn so gern gesehen hätten, in welcher er, wie
kein Anderer, an seinem Platze gewesen wäre: die Stelle des
Direktors der Kunstschule. Es sollte nicht sein.

Am 6. August waren es zwanzig Jahre, seit der Künstler-
 
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