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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0360

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vor diesem armseligen Stück Natur die Achseln zucken und sich lieber
jenen Bildern zuwenden, welche schöne Gegenden darstellen, für deren
Wiedergabe ja auch die Mehrzahl unserer Künstler reichlich sorgen.
Ueber die Malerei der Achenbach'schen Bilder etwas zu sagen, halte
ich insofern für überflüssig, als ja seine sämmtlichen Werke die
Meisterschaft des künstlerischen Vortrages besitzen. — Ein anderes
Gemälde eines ebenfalls bestrenommirten Künstlers nimmt den Ehren-
platz ein: „Pferdestall" von W. Verschnür sen., das wohl zu den
ausgezeichnetsten Werken des Meisters zu zählen ist. Der Effekt des
großen Gemäldes koncentrirt sich auf einem brillant gemalten Schim-
mel, welcher sich von der sonst tiefen Skala des Bildes in frappanter
Wirkung abhebt. — H. Lang schildert mit Vorliebe Pußtenpferde
in verschiedenen Situationen. Das gegenwärtig von ihm ausgestellte
„Steeple chase“ führt uns Rennpferde in einer prächtig gemalten Land-
schaft vor. Kenner wollen aber die Thiere nicht als Vollblutrenner
anerkennen. Es ist möglich, daß jener Vorwurf nicht ganz unbegründet
Denjenigen erscheint, welche mehr vom Reitsport als wir verstehen.
Den Kunstfreund wird das Bild trotzdem fesseln, sowohl was die
koloristische Gesammtstimmung betrifft, welche in diesem Lustre nicht
von vielen Künstlern erreicht werden dürfte, als auch in Hinsicht des
glücklichen Arrangements der Gruppen. — Ein Bild von glühendem
Inkarnat ist „Die alte Frau" von de Block in Antwerpen. — Auch
Hamman, welcher durch die diskrete Behandlung der Farbe glänzt,
brachte ein ganz ausgezeichnetes Kabinetstück „Das Familiendokument".
Der Kopf des Alten ist vortrefflich gezeichnet, nicht minder fesselnd
ist der lauschende Knabe und die noble Figur der jungen Dame.
In der Malerei des Stofflichen leistet Hamman bekanntlich ebenfalls
Hervorragendes; er steht darin den alten Niederländern Netschcr und
Mieris kaum nach. — Eine ganz reizende Koquette, der es an Lieb-
habern nicht fehlen wird, stellte C. Boutibonne aus. Im aller-
modernsten Kostüm von schwerer farbiger Seide und mit famos
passenden dänischen Handschuhen versehen, stndirt die junge Dame
vor einem großen Standspiegel ihre Schritte: Gangstudien, welche
von der hübschen Koquette ebenso grazös cxercirt, als vom Künstler
scharf pointirt wiedergegeben sind. — Schieß in München malte eine
neue Variation über sein öfter benutztes Thema „Partie ans dem
Urnerthale", welche lange nicht in dem Maaße anziehend wirkt, wie
seine im Format größere „Idylle", die allen poetischen Reiz besitzt
und mit großer Innigkeit vom Künstler dargcstellt wurde. Möge
das Bild beim Publikum diejenige hohe Anerkennung flnden, welche
cs mit Recht verdient. — Eine „Junge Italienerin" von I. Mowis
ist nur als sehr gut gemaltes Kostümbild von virtuoser Behandlung
interessant. — Bakker Korff läßt in seinem „Verweis" eine alte Frau
über eine alte Jungfer schimpfen, welche schmachtenden Ausdrucks die
Philippika anhört. Vermuthlich hat die Dame mit den langen Locken
auf ihre ältere Tage noch ein Abenteuer riskirt, worüber die alte
Frau eben loswettert. Das Bild ist im Miniaturformat höchst fleißig
und glatt gemalt. —• C. Kuwassegg d. A. stellte eine mit jugend-
lich frischer Auffaffung gemalte „Strandpartie aus der Normandie"
dar. Es ist eine stille Bucht, bewacht von hohen Felsen, an die der
Wogenschlag wohl nur selten anprallt. Luft und Wasser wetteifern
im Bilde um die Klarheit. Als eine echte Perle der modernen Land-
schaftsmalerei ist dies Bild zu bezeichnen. Wie wir hören, hat das-
selbe hier einen Käufer gefunden, dem wir zu dieser Acquisition nur
gratuliren können. — Teschendorf's „Genovefa" hätten wir einen
hübscheren Kopf gewünscht, ungleich intereffanter ist ein „Betendes
Mädchen" von L. Bourges in Paris, das sowohl durch die Innig-
keit des Ausdrucks, als auch durch den breiten, flotten Vortrag fesselt.
— C. Werner's „Maurisches Gemach" von fast stereoskopischer
Wirkung ist überaus fleißig, aber nach unserem Geschmack zu glatt
gemalt. — In der Farbenskala von Freskogemälden gemalt sind die

beiden, sehr glücklich komponirten Bilder vom verstorbenen Professor
Jacobs in Gotha. — Riedel zeigt uns in seiner durch eine
Menge Reproductionen populär gewordenen „Bacchantin" das Non
plus ultra des Kolorits und der Beleuchtung.

Ferner sind noch erwähnenswerth ein reizendes Kabinetstück von
Seignac „Das Kartenhaus", eine Landschaft voll Sonnenschein:
„Waldbach" von G. O sterroth und im Aquarelleiizimliier sehr hübsch
aufgcfaßte „Reiseskizzen" von Otto Tafel, sowie „Landschaften aus
dem Schwarzwald" von F. 3E. v. Riedmüller.

W. Kassel, im Oktober. (Kunstgeschichtliches auö der
Provinz Hessen. Schluß.) Nach der Zerstörung der Hersfeloer
Stiftskirche durch die Franzosen wurde dieselbe lange Zeit als er-
giebiger Steinbruch benutzt, bis man endlich im Lauf dieses Jahr-
hunderts an die Erhaltung der ehrwürdigen Ruine zu denken begann,
ohne indcß hierin des Guten zuviel gethan zu haben. Was z. B.
die erwähnte kleine Vorhalle betrifft, die in unwürdigster Weise ganz
von Unrath und Gestrüpp angefüllt ist, so vermißt man gänzlich
die ordnende Hand eines Hüters und Pflegers.

Wenige Stunden südlich von Hersfeld finden sich in dem an
an der hessischen Nordbahn gelegenen und zur Domäne gleichen
Namens gehörigen Schloß Haidan einige werthvolle Alterthümer,
auf die wir zum Schluß aufmerksam machen wollen. Im Jahre
1253 ward hier ein Kloster gegründet, von welchem die Kirche, der
Kreuzgang und die an diesen anstoßenden Räumlichkeiten des Erd-
geschosses — unter Anderem eine ohne Zweifel die Stelle der in
früherer Zeit üblichen Krypten vertretende Seitenkirche von pracht-
voller Wölbung — noch erhalten sinv. Nach Aufhebung des Klosters
wurden die zerstörten Theile desselben von Landgraf Moritz restaurirt
und zum Fürstensitz eingerichtet. Aus dieser und der nachfolgenden
Zeit neu auferblühter Kunstthätigkcit sind zwei interessante Skulptur-
werke erhalten, ein großer, einen Festsaal schmückender und ini schönsten
Styl jener Zeit gearbeiteter Kamin von Sandstein und ein im ehe-
maligen landgräflichen Kirchenstand befindlicher Ofen aus gebranuter
Thouerde, vom Jahr 1670.

Die Platten des eisernen Unterofens zeigen in schöner Arbeit
Wappen und ein Schiff, letzteres als figürliches Bild des Staates
oder der Kirche. Darüber erhebt sich, hausfönnig und in ein spitzes
Dach auslaufend, in zwei Etagen der thönerne Aufsatz, welcher
ringsum mit figürlichen Darstellungen in Relief ans das Reichste
geschmückt ist. Die einzelnen Figurenfelder sind dlirch Karyatiden
und antike Säulchen getrennt und stellen Scenen aus dem Leben
Christi (Abendmahl, Anbetung der Hirten rc.), Portraits und phan-
tastisches Ornamentwerk dar, dieses Alles in zierlichster Arbeit. Als
Karyatiden dienen zum Theil weibliche Figuren nnt bärtige» Gesichtern.
Die Glasur der gebrannten feinen und Hellen Thonerde ist glänzend
dunkelbraun, stellenweise in einen schönen Goldton fallend, und ist
eine Zierde des gut erhaltenen und in der so reichhaltigen Geschichte
der Thonbildnerei seine Stelle verdienenden Werkes.

Q München, Mitte Oktober. (Zur ästhetischen Wür-
digung Kaulbach's; Mackart's „Moderne Genien" und
„Leda"; vom Kunst-Verein; „Verein für Ausbildung
der Gewerke"; PH. Voltz; Glasmalerei; Frhr. v. Schack.
Forts.) In Kaulbach's Atelier steht auch ein Bild Mackart's,
das er, wenn ich nicht irre, „Moderne Genien" nennt. Der Ein-
druck, den ich bei einem leider nur flüchtigen Beschauen des von
Kaulbach erworbenen Bildes empfing, war der, den eine Fülle in's
Gras gestreuter reizender Blumen der verschiedensten Farben macht.
Mein nächster Besuch bei Kaulbach wird mir wohl ein klareres Bild
davon geben, für heute nur die Bemerkung, daß wir in Mackart
ein ungewöhnliches koloristisches Talent besitzen, das in C. Piloty's
Schule gebildet ward.
 
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