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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0400

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sich in dem Maaße wie Hildebrandt rühmen, daß er „seines
Schicksals Schmied" gewesen, daß er Das, was er geworden,
was er erreicht, durch sich selbst geworden sei, aus sich selbst
erreicht habe. — Als Sohn eines in den beschränktesten Ver-
hältnissen lebenden Stubenmalers zu Danzig wurde er am
9. September 1818 geboren. Er genoß nur den ersten Ele-
mentarunterricht, um, noch nicht dem Knabenalter entwachsen,
seinem Vater in der rein handwerklichen Tagesarbeit desselben
zur Hand zu gehen. Mehrere Jahre lang führte er so den
Pinsel des Anstreichers, ehe er den des Künstlers, wozu er ge-
schaffen war, zu erreichen vermochte. Endlich litt es ihn nicht
länger in dieser ihn niederdrückenden Sphäre; sein Vater ver-
mochte seinen Bitten, ein „wirklicher Maler" zu werden, nicht
widerstehen, und so trat der junge Eduard, ebenso reich an
Hoffnungen wie arm an Mitteln, seine erste „Weltreise" —
von Danzig nach Berlin — an. Es war in der That eine
Weltreise für ihn, nicht nur, weil er sie zu Fuß zu machen
gezwungen war, sondern weil er zum ersten Male aus den
engen Grenzen eines armseligen Privatdaseins in die Welt
trat. Er hoffte, daß es ihm gelingen würde, freien Unterricht
in der Akademie zu erhalten, aber diese Hoffnung schlug fehl:
der Direktor Schadow, ein Mann von echt künstlerischem
Geist und einer stets auf das Wesen gerichteten energischen
Thatkraft, aber um so abstoßender auch gegen Jeden, der sich
der Kunst aus Selbstüberschätzung zu widmen wagte und da-
durch nicht selten fehlgreifend in seiner Beurtheilung wirklicher
Begabung und aufrichtigen Kunststrebens, glaubte in den ihm
von Hildebrandt vorgelegten malerischen Versuchen keine irgend-
wie ausbildungswürdigen künstlerischen Anlagen zu entdecken
und schlug ihm nicht nur sein Gesuch um freie Aufnahme in
die Vorbereitungsklasse der Akademie ab, sondern sagte ihm
geradezu, daß er besser gethan hätte, bei seinem Vater zu
bleiben, um ein tüchtiger Stubenmaler zu werden.

Die Meisten in Hildebrandt's Lage hätten sich, entblößt
fast von allen Existenzmitteln, wie er war, durch diese schroffe
Zurückweisung von weiteren Versuchen abschrecken lassen, er aber
hatte sich einmal das Ziel seines Lebens gestellt und war ent-
schlossen, es zu erreichen oder im Kampfe darum zu Grunde zu
gehen. Er hatte vom Professor Wilhelm Krause gehört, wel-
cher damals, einer unüberwindlichen Neigung zur Malerei nach-
gebend, seine Stellung am Königsstädter Theater verlassen und
ein Schüleratelier gegründet hatte. Krause hatte sich als Ma-
rinemaler bereits einen großen Ruf erworben und war beson-
ders als tüchtiger Lehrer gesucht. Von zugänglicher, jovialer
Natur, nahm er Hildebrandt, der, eingeschüchtert durch die un-
freundliche Aufnahme, welche er bei dem alten Schadow gefun-
den hatte, sich ihm nur mit Zagen näherte, mit großer Liebens-
würdigkeit auf, suchte seinen gesunkenen Muth zu heben und
gewährte ihm — dies war die Hauptsache — den Besuch seines
Ateliers. Jetzt warf sich Hildebrandt mit dem ganzen Feuereifer
seines jugendlichen Ehrgeizes auf das Studium der Malerei.
Nachdem er unter Anleitung Krause's eine Anzahl von dessen
Bildern sowie Werke anderer Meister kopirt und sich dadurch
rasch eine große Fertigkeit in der Führung des Pinsels erwor-
ben hatte, malte er einige selbstständige kleine Bilder, die er
das Glück hatte rasch zu verkaufen. Jetzt war nun einiger-

maaßen der Weg geebnet, auf dem er weiter zu streben hatte.
Er vertauschte das ärmliche Stübchen, in welchem er bisher
bei einer armen Handwerkerfamilie gewohnt hatte, mit einer-
bequemeren Wohnung und hatte sogar die Freude, von dem Er-
trage seines Fleißes etwas zur Unterstützung seiner Familie zu
erübrigen. Dem Rathe seines Lehrers folgend, trat er — es
war gegen das Ende der dreißiger Jahre — eine Reise nach
den nordischen Küstenländern an. Er besuchte Norwegen und
Schottland und füllte seine Mappe mit mannigfaltigen und eine
sich immer mehr entwickelnde originale Richtung verrathenden
Studien. Von England ging er — einem schon lange genähr-
ten Wunsche folgend — nach Paris, um in des berühmten
Jsabeh Atelier zu arbeiten. Diese Zeit war für seine künst-
lerische Entwicklung außerordentlich fruchtbar. Die ersten Bil-
der, welche Hildebrandt im Anfang der vierziger Jahre theils
nach Deutschland sandte, theils nach seiner Rückkehr hierher
malte, zeigen noch ganz den Charakter des etwas strengeren,
der Form in nicht minderem Grade als der Farbe Rechnung
tragenden Pinsels Jsabeh's. Namentlich besitzt die Navens'sche
Gemäldegallerie aus dieser und der nächstfolgenden Zeit eine
Reihe kleinerer Bilder von Hildebrandt, welche eine große
Solidität und Feinheit der Zeichnung neben einer bescheidenen,
aber gediegenen Farbenstimmnng besitzen — Eigenschaften, welche
Hildebrandt später mit einer gewissen Absichtlichkeit zu Gunsten
der rein koloristischen Lichtwirkung zu vermeiden suchte. Es sind
dies unter Anderem „Eine Straße in Lyon", „Eine Straße in
Rouen", einige „Winterlandschaften", eine kleine „Mondschein-
landschaft" und „Irländische Bauernhütte", sowie „Kinder,
welche einen Seekrebs am Strande betrachten".

Nachdem Hildebrandt auf dem Pariser Salon von 1842
durch eine Medaille dritter Klasse ausgezeichnet war, kehrte er
im folgenden Jahre nach Berlin zurück, das jetzt seine eigent-
liche künstlerische Heimath wurde, eine Heimath freilich, die er
mehrmals seiner großen Kunststudienreisen halber auf Jahre
hinaus verließ. Durch die nähere Beziehung, in welche Hilde-
brandt in dieser Zeit zu Alexander v. Humboldt getreten
war, hatte er das Glück, die Aufmerksamkeit des kunstsinnigen
Königs Friedrich Wilhelm IV. auf sich zu ziehen, und dadurch
seinen Lebenswunsch, die Lorbeern, welche sein großer Beschützer
und Freund durch die Weltreisen auf dem Gebiete der Wissen-
schaft gepflückt, auf dem der Kunst sich zu erringen. Der
„Alexander v. Humboldt in der Kunst" zu werden, wurde nun
die eigentliche Aufgabe seines Lebens, eine Aufgabe, an die er
seine besten Kräfte und seine liebsten Illusionen setzte. — Es
ist dies ein Punkt, der für die Charakteristik Hildebrandt's von
tiefster Bedeutung ist und der den Schlüssel nicht nur zu Dem,
was er Großes erreichte, als auch zu Dem, was und warum er
es nicht erreichte, nicht erreichen konnte, enthält.

Seine erste große Reise trat er, im Aufträge des Königs,
im Jahre 1843 nach Brasilien und Nordamerika an. Er war
fast zwei Jahre abwesend und kehrte mit einer Sammlung von
Studien zurück, hauptsächlich Aquarellen von großer Schönheit, die
als Aequivalent für die ihm gewährten Reisekosten dem Kupfer-
stich -Kabinet des königl. Museums einverleibt wurden. Diese
seine „brasilianische Reise" bildet einen scharfen Abschnitt in
der künstlerischen Entwickelung Hildebrandt's; man kann sagen,
 
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