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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 63.1928-1929

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Kuhn, Alfred: Photographie und Gemälde
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https://doi.org/10.11588/diglit.9253#0050

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PHOTOGRAPHIE UND GEMÄLDE

Photographie hat nichts mit Malerei zu tun,
so wenig, wie Kunsthandwerk mit Kunst.
Kunst ist Kunst und Handwerk ist Handwerk.
Photographie ist Photographie und Gemälde ist
Gemälde.

Beim Gemäldeporträt kommt es darauf an,
die ideale Synthese herzustellen zwischen der
Persönlichkeit des Dargestellten und der Per-
sönlichkeit des Darstellers. Es ist immer eine
Art geistigen Ringkampfes, der zwischen Objekt
und Subjekt entsteht. Mehr rezeptive Naturen
werden überwältigt von dem Darzustellenden,
sehr aktive hinwiederum überwältigen ihn. Wenn
Rembrandt in seinem Alter einen Menschen
porträtierte, so gab er eine Paraphrase: die
ganze eigene Welterfahrung und Weltverach-
tung sprach sich darin aus. Wenn die Porträ-
tisten der römischen Hochrenaissance ihre Zeit-
genossen malten, so malten sie die eigene Welt-
bejahung mit, die tastbare Sicherheit, die sie
sich in diesem Dasein errungen hatten, das sie
zu kennen glaubten, wie ihre eigene Tasche.
Nicht anders ist es gewesen in den Zeiten des
Klassizismus, wie überhaupt in allen rational
eingestellten Epochen. Mystisch orientierte, er-
regte Zeiten, wie etwa die hinter uns liegenden
Jahre des Expressionismus, haben die darzustel-

lende Persönlichkeit ins riesenhafte gesteigert.
Wie ausgeweitet von Leidenschaften scheinen
die Köpfe eines Meidner.

Von all diesen Dingen soll die Photographie
nichts zeigen. Sie soll sachlich bleiben, soll die
Distanz zwischen Objekt und Subjekt wahren;
aber sie soll es doch erstreben, die Quintessenz
der Persönlichkeit zu geben. Dies jedoch ist
eine Kunst für sich. Sie hat nichts zu tun mit
der bewußten Modelung, die das gemalte Por-
trät vornimmt. Sie ist eine Kunst höchster Be-
scheidenheit, höchster Rezeptivität, die den
Augenblick abwartet, da der Andere sein
Wesen enthüllt, die Maske fallen läßt, um dann
gerade diese Situation festzuhalten. Nichts ist
unangenehmer als die künstlerische Pose, die
manche Photographen glauben ihren Schützling
machen lassen zu müssen, nichts ist peinlicher,
als das arrangierte Bild. Unsere heutige Zeit ist
versessen auf charaktervolle Persönlichkeiten,
wahrscheinlich, weil es so wenig davon gibt.

Aber bei allem bewußten Nichtkunsthaften
ist eine Photographie, wie wir sie eben skizziert
haben, eine eminent künstlerische Angelegen-
heit, denn sie setzt bei ihren Schöpfer die In-
tuition voraus, die eben im Letzten doch wieder
eine Gnade ist, eine Kunst.....alkreu kühn.
 
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