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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Nino Pisano: Gest. in Pisa gegen 1368
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0054

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NINO PISANO.

das nach einer (jetzt fehlenden) Blume in der Hand der Mutter greift,, auf dem
linken Arme und fleht es liebevoll an; die andere reicht dem behaglich in ihren
Armen ruhenden Kinde die Bruft; das Gefühl des Mutterglückes fpricht deutlich
aus ihren fchönen Zügen. Die Kirche Sta. Catarina in Pifa befitzt eine Verkün-
digung^ die mit vieler Wahrfcheinlichkeit Nino zugefchrieben wird. Sowohl der
Engel als auch Maria (beides Statuen) zeigen die dem Künftder eigentümliche
Weichheit. Gabrielas anmuthige Züge find durch ein holdfeliges etwas füfses
Lächeln verklärt; die Lippen der Madonna erfcheinen wie gewaltfam zufammen-
geprefst. Wenn,, wie es nicht unwahrfcbeinlich ift, auch das Grabmal des Domi-
nicaners Simone Saltarelli in der-
felben Kirche von Nino ftammt,
fo hat er in der Geftalt des Ver-
dorbenen den Beweis geliefert,
dafs ihm auch die Wiedergabe
individueller Züge nicht unzugäng-
lich war; ja er ift in feinem Natu-
ralismus fo weit gegangen , dafs
er in den eingefallenen Augen und
dem Munde das Leichenhafte betont
hat. Die Madonna oben in der
Nifche hat die ftark ausgebogene
Haltung^, die nach Giovannfs Vor-
gänge auch in der italienifchen
Kunft üblich geworden. Das Kind
auf ihrem Arme zeigt wieder jenen
freundlich-ftifsen Ausdruck, der für
Nino charakteriftifch ift.

Viel bedeutender als Nino war
aber ein anderer Erbe der Kunft
Andrea PifanoN: der Architekt,
Maler und Bildhauer Andrea
Orcagna, deffen ich hier nur kurz
erwähne, um in einem andern Zu-
fammenhange eingehender von ihm
zu handeln.
OrcagnaN Sculpturen am Tabernakel in Orsanmichele zu Llorenz knüpfen an
Andrea PifanoN Darftellungsweife an, gehen aber in der Lebhaftigkeit des Aus-
drucks über he hinweg. Orcagna hat eine ftärkere dramatifche Ader als der
Meifter aus Pontedera. Es ift etwas von Giovanni's mächtigem Geifte in ihm,
doch tritt er in geläuterter Eorm vor uns.
Ich habe hier nur eine Ueberficht der bedeutendften Nachfolger Niccolo
PifanoN geben wollen. Die Kunftgefchichte kennt noch die Namen und die
Werke fo manches andern Künftlers, der aus der Pifaner Bildhauerfchule des
13. und 14. Jahrhunderts hervorging. Ueber ganz Italien verbreitete fich der
Pifanifche Sculpturftil, deffen Enthebung und allmälige Wandelung ich zu ver-


Reliera:efta.lten an der Faffade des Domes zu Orvieto.
 
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