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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Giotto: geb. in Vespignano 1276, gest. in Florenz 1336
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0084

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GIOTTO.

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xuführen, wie man denn in älteren, namentlich byzantinifchen Kirchen, aber
auch im Abendlande wiederholt das Jtingfte Gericht an der Eingangswand und
die Verkündigung zu den Seiten des Triumphbogens, das Leben Jelu aber an
den Langwänden dargeftellt findet- io wird man andererfeits wohl kaum irren,
wenn man das Planvolle, das Gedankenhafte, das hier überall bis inG Einzelne
wahrzunehmen ift, dem Künftler zulchreibt; es entipricht dieies tief Durchdachte
io recht dem Wefen Giotto^fcher Kunft überhaupt.
Ein gemüthvoller Zug geht durch die Bilder, welche die Legende von den
Eltern Mariae zum Gegenftande haben. Auf dem erften Bilde fehen wir den
frommen ))Joachim«, wie er avomPriefter aus dem Tempel gewielen« wird, weil
er, der Kinderloie, auch an einem folchen Tage iein Opfer hatte darbringen
wollen, an welchem dies nur Vätern geftattet war. Voller Gram blickt er inL
zürnende Antlitz des Priefters. Auf dem folgenden Bilde kommt ^Joachim«, in
trübe Gedanken vertieft, x<zu den Hirten aufs Feld«. Wahrhaft ergreifend ift
lein Seelenzuftand: gelenkten Hauptes, den Blick ftarr auf den Boden gerichtet,
die vom Mantel bedeckten Hände über einander gelegt, io bewegt er hch, ihm
ielbft unbewufst, vorwärts. Der fchmerzliche Gedanke an die Demüthigung be-
herricht ihn io vollftändig, dais er in feinem Grübeln es gar nicht gewahr wird
wie er bereits hch dicht vor den beiden jungen Hirten befindet, welche nicht
recht wiffen, was he von der ungewöhnlichen Ericheinung denken und ob he
den Greis anreden tollen oder nicht. Vortrefflich pafst der Charakter der Ge-
birgslandschaft mit der einiam gelegenen Hürde, aus welcher die Schafe hervor-
kommen, zur Stimmung des Vorganges, wenn auch die Darftellung des Land-
schaftlichen fo wie der Thier-Staffage im Einzelnen eine noch lehr frühe Kind-
heitsftufe der Kunft repräfentirt.
Das folgende Bild verletzt uns in die Stube der h. Anna. Während die
Dienerin in einem Vorraum emhg lpinnt, ift die bejahrte Anna niedergekniet und
blickt andächtig zu dem durch ein Fenfter hereinfliegenden Engel empor, der
ihr die Geburt eines Kindes weisfagt. ^Joachim bringt« unterdeffen, wie uns
das vierte Bild zeigt, auf dem Felde dem Herrn ))ein Opfern dar. Dais Gott
das Gebet des demüthig am Boden liegenden Greifes erhören werde, ift durch
die aus dem Himmel ragende Hand (das Symbol der Gegenwart Gottes von der
altchriftlichen Kunftepoche her) angedeutet. Die Erhörung wird Joachim aber
auch aufserdem noch durch den auf ihn zulchreitenden Engel verkündigt. Nun,
ift )>JoachimK vor der Hürde Gn tiefen Schlaf verfunken«, da erfcheint ihm im
Traume der (Schwungvoll durch die Luft fliegende) Engel und befiehlt ihm heim-
zukehren. Hierauf findet an der ^Goldenen Pforte« die ^Begegnung« der Ehe-
gatten ftatt. Die Gefährtinnen der Anna lächeln zu der zärtlichen Umarmung
des betagten Paares.
In den folgenden Darftellungen wird allmälig Maria der Mittelpunkt der
Handlung. . Bei der ^Geburt der Jungfrau« hat hch Giotto, ähnlich wie in Afhh
bei der Geburt Chrifti, in io fern an die traditionelle Darftellungsweiie gehalten,
als auch hier das Kind zweimal vorkommt. Es wird nämlich einmal von einer
Dienerin der fehniuchtig die Arme dem Töchterchen entgegenftreckenden Anna
gereicht. Beim Bade aber im Vordergründe deffelben Bildes zeigt Giotto, wieder
wie in Aihh, dais ihm auch genrehafte Züge zu Gebote ftanden, indem er in
nahezu humoriftifcher Weife das Unbehagen geichildert hat, welches das Kind
 
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