GIOTTO.
lind; den Kleinen wieder aufzunehmen. Während der Vorgang in Afhfi in eine
reich verzierte gothifche Kirche verletzt ift, hat der Künftler hier den heiligen
Ort bloss durch einen Altar mit dem darüber in romanifchem Stile erbauten
Ciborium angedeutet. Ueberhaupt find die architektonifchen Hintergründe in der
Scrovegni-Capelle einfacher gehalten als in Afhfi. Während der Meifter in der
Unterkirche von S. Francesco den von ihm dargeftellten Gebäuden vorwiegend
gothifche Motive lieh, wiegt hier der romanifche Stil neben manchen gothifchen
Elementen vor.
Bei der ))Flucht nach Aegypten« erfreut uns wieder jener idyllifche Zug; der
lchon bei Gelegenheit des Bildes in S. Francesco gerühmt wurde. Das Kind er-
fcheint diefes Mal etwas älter; die Haltung der Maria ift faft gänzlich diefelbe.
Aufserordentlich wahr ift das lchreitende Laftthier dargeftellt.
Der ))Kindermord« ift nicht fo reich an Figuren und Motiven wie in Afhfi;
die Verzweiflung der Mütter hat etwas Stereotypes; die am Boden liegenden
Kinderleichen zeigen in der Behandlung des Nackten grofse Befangenheit. Herodes
und einer der Schergen ftimmen in der Haltung wieder faft völlig mit Allifi
überein. ))Chriftus im Tempel lehrend« ift ein beinahe ganz- zerftörtes Bild. Leb-
hafter als in Afhfi ift hier die Sehnfucht der Mutter nach dem lange vergeblich
gefuchten Knaben ausgedrückt. Bei der ))Taufe Chrifti« hat fich Giotto der
Tradition angelchloffen, indem er zwei am Ufer ftehende Engel die Gewänder
Jelu halten lälst. Die ))Hochzeit zu Kana« zeigt in dem häfslichen heifchigen
Diener^ der aus der Kanne trinkt; wieder das Beftreben GiottoV; kräftig zu cha-
rakterifiren. Es follte hier, im Gegeniatz zu der edlen Tifchgefellfchaft, eine ge-
wöhnliche Natur gefchildert werden; und diefes ift denn auch dem Meifter —
freilich auf Koften der Schönheit — völlig gelungen.
Die ^Auferweckung des Lazarus« ift eines der bedeutendften und berülnn-
teften Werke GiottoL. In der Anordnung folgt er hier wieder älteren Vorbil-
dern. Schon die altchriftliche Kunft ftellte; wie man aus Sarkophag-Reliefs;
Elfenbeinarbeiten und Katakomben-Malereien erfehen kann; Lazarus in aufrechter
Stellung dar; auch dafs die neben ihm flehenden Perfonen Nafe und Mund mit
dem Gewände bedecken; um dadurch den Modergeruch und alfb den wirklich
eingetretenen Tod anzudeuten; ift nicht etwa GiottoL Erfindung; fondern beruht
auf alter Tradition. Giotto konnte diefes Motiv (abgefehen von anderen Bei-
fpielen) in dem nahen Verona gefehen haben; wo es fich auf einer der älteren
ftark byzantinifirenden Wandmalereien in S. Zeno findet. Die zu Chrifti Füfsen am
Boden liegenden Schweftern hnd u. A. in einer Miniatur der berühmten; dem
Ende des 9. Jahrhunderts angehörenden Handfchrift der Predigten GregoFs von
Nazianz in der Parifer Bibliothek dargeftellt. Auch ftimmt die ganze Compofition
auffallend mit der im Malerbuche vom Berge Athos gegebenen; auf alter Ueber-
lieferung beruhenden Vorfchrift überein: )).... Vor dem Berge ift ein Grab; und
ein Mann (bei Giotto zwei Knaben) wälzt den Stein von demfelben. Lazarus
fteht in Mitte des Grabes. Und ein anderer Menfch wickelt ihn los; Chriftus
fegnet ihn mit der einen Hand; und mit der anderen Hand hält er ein Blatt; und
lagt: ))Lazarus komme hervor« und hinter ihm die Apoftel und zu feinen Füfsen
Martha und Maria; welche ihn anbeten.)) Keineswegs wird GiottoL Verdienft
durch die Anlehnung an die typifche Darftellungsweife gefchmälert. Er hat hier
wieder einmal klar gezeigt; wie den alten Typen neues Leben verliehen werden
lind; den Kleinen wieder aufzunehmen. Während der Vorgang in Afhfi in eine
reich verzierte gothifche Kirche verletzt ift, hat der Künftler hier den heiligen
Ort bloss durch einen Altar mit dem darüber in romanifchem Stile erbauten
Ciborium angedeutet. Ueberhaupt find die architektonifchen Hintergründe in der
Scrovegni-Capelle einfacher gehalten als in Afhfi. Während der Meifter in der
Unterkirche von S. Francesco den von ihm dargeftellten Gebäuden vorwiegend
gothifche Motive lieh, wiegt hier der romanifche Stil neben manchen gothifchen
Elementen vor.
Bei der ))Flucht nach Aegypten« erfreut uns wieder jener idyllifche Zug; der
lchon bei Gelegenheit des Bildes in S. Francesco gerühmt wurde. Das Kind er-
fcheint diefes Mal etwas älter; die Haltung der Maria ift faft gänzlich diefelbe.
Aufserordentlich wahr ift das lchreitende Laftthier dargeftellt.
Der ))Kindermord« ift nicht fo reich an Figuren und Motiven wie in Afhfi;
die Verzweiflung der Mütter hat etwas Stereotypes; die am Boden liegenden
Kinderleichen zeigen in der Behandlung des Nackten grofse Befangenheit. Herodes
und einer der Schergen ftimmen in der Haltung wieder faft völlig mit Allifi
überein. ))Chriftus im Tempel lehrend« ift ein beinahe ganz- zerftörtes Bild. Leb-
hafter als in Afhfi ift hier die Sehnfucht der Mutter nach dem lange vergeblich
gefuchten Knaben ausgedrückt. Bei der ))Taufe Chrifti« hat fich Giotto der
Tradition angelchloffen, indem er zwei am Ufer ftehende Engel die Gewänder
Jelu halten lälst. Die ))Hochzeit zu Kana« zeigt in dem häfslichen heifchigen
Diener^ der aus der Kanne trinkt; wieder das Beftreben GiottoV; kräftig zu cha-
rakterifiren. Es follte hier, im Gegeniatz zu der edlen Tifchgefellfchaft, eine ge-
wöhnliche Natur gefchildert werden; und diefes ift denn auch dem Meifter —
freilich auf Koften der Schönheit — völlig gelungen.
Die ^Auferweckung des Lazarus« ift eines der bedeutendften und berülnn-
teften Werke GiottoL. In der Anordnung folgt er hier wieder älteren Vorbil-
dern. Schon die altchriftliche Kunft ftellte; wie man aus Sarkophag-Reliefs;
Elfenbeinarbeiten und Katakomben-Malereien erfehen kann; Lazarus in aufrechter
Stellung dar; auch dafs die neben ihm flehenden Perfonen Nafe und Mund mit
dem Gewände bedecken; um dadurch den Modergeruch und alfb den wirklich
eingetretenen Tod anzudeuten; ift nicht etwa GiottoL Erfindung; fondern beruht
auf alter Tradition. Giotto konnte diefes Motiv (abgefehen von anderen Bei-
fpielen) in dem nahen Verona gefehen haben; wo es fich auf einer der älteren
ftark byzantinifirenden Wandmalereien in S. Zeno findet. Die zu Chrifti Füfsen am
Boden liegenden Schweftern hnd u. A. in einer Miniatur der berühmten; dem
Ende des 9. Jahrhunderts angehörenden Handfchrift der Predigten GregoFs von
Nazianz in der Parifer Bibliothek dargeftellt. Auch ftimmt die ganze Compofition
auffallend mit der im Malerbuche vom Berge Athos gegebenen; auf alter Ueber-
lieferung beruhenden Vorfchrift überein: )).... Vor dem Berge ift ein Grab; und
ein Mann (bei Giotto zwei Knaben) wälzt den Stein von demfelben. Lazarus
fteht in Mitte des Grabes. Und ein anderer Menfch wickelt ihn los; Chriftus
fegnet ihn mit der einen Hand; und mit der anderen Hand hält er ein Blatt; und
lagt: ))Lazarus komme hervor« und hinter ihm die Apoftel und zu feinen Füfsen
Martha und Maria; welche ihn anbeten.)) Keineswegs wird GiottoL Verdienft
durch die Anlehnung an die typifche Darftellungsweife gefchmälert. Er hat hier
wieder einmal klar gezeigt; wie den alten Typen neues Leben verliehen werden