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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Giotto: geb. in Vespignano 1276, gest. in Florenz 1336
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0109

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DIE ÄLTERE ITALIENISCHE MALEREI.

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bis tief in die mittelalterlichen Jahrhunderte hinein mit den Gelchicken des oft-
römifchen Reiches aufs Engfte verknüpft.
Hätte es vor Giotto in Italien blofs venezianilche, ficililche und luditalienilche
Kunft gegeben, lo würde Vafari mit feiner Behauptung des ausfchliefslichen Kunft -
betriebs durch Griechen nahezu Recht haben. Die Dinge liegen aber ganz anders.
Wir kennen eine beträchtliche Anzahl von Malereien und Mofaiken im Toscani-
Ichen, in Rom und an anderen Orten Italiens, die einen andern Stil zeigen. Hier
beginnen die Schwierigkeiten der ^byzantinifchen Fragen. Bei der Vergleichung
diefer Werke unter einander und mit echt byzantinifchen ftellt hch heraus., dafs
wir hier mehr, dort weniger Anklänge an den byzantinifchen Stil., an manchen
Stellen aber eine zwar rohe, doch naive, von byzantinifcher Tradition, wie es
lcheint, gänzlich unabhängige Kunftweife antreffen. Werke dieler letzteren Art
pflegt man romanifch zu nennen. In ihnen finden wir nicht jene Starrheit des
Ausdrucks, welche die Gehalten byzantinifcher Malereien der Verfallzeit charak-
terihrt, nicht jene ftrenge unabänderliche; von individueller Auffaffung gänzlich
unabhängige Anordnung der Figuren und Gruppen, wie he dem byzantinifchen
Künftler vorgefchrieben war. Es find kindlich naive unbeholfene Feiftungen, wie
man he auf den erften Stufen einer neuen Kunftentwicklung antrifft. Doch folche
Werke find in geringer Zahl auf uns gekommen. Weit häufiger find diejenigen,
welche mehr oder weniger an byzantinifche Kunft erinnern, doch aber auch
manchen Charakterzug behtzen, der auf einen einheimifchen Urfprung hinweift.
Solchen Werken gegenüber ift den verfchiedenlten Hypothefen Thür und Thor
geöffnet. Hier hat man es vielleicht mit -einem Gemälde zu thun, deffen Urheber
byzantinifche Werke gekannt und manche ihrer Eigenthümlichkeiten angenommen
hat, ohne eine treue Nachahmung derfelben bieten zu wollen; dort wieder mag
das mit dem Byzantinifchen Uebereinftimmende hch daher fchreiben, dafs das
urfprüngliche Vorbild bereits in altchriftlicher Zeit entftanden und fowohl im
Morgenlande als auch im Abendlande als Ausgangspunkt für fpätere Darftellungen
gedient hat.
Jedenfalls war die italienilche Malerei vor Giotto nicht lo einförmig und
gleichartig, wie es nach VafaiVs Angabe fcheinen möchte.
Eine feine Bemerkung Schnaafe's ift es, dafs in den Quellen des iß. und
14. Jahrhunderts — alfo jener Zeit, in welcher nach fpäterer Auffaffung, wie wir
he eben bei Vafari, früher aber fchon bei Ghiberti und Cennino antreffen, der
Gegenfätz von Giotto's nationaler Kunftweife gegen die Bgriechifche« Manier
eintrat — von diefer griechifchen Manier noch nirgend die Rede ift. So fchweigt
Dante, der in Kunftangelegenheiten lehr erfahren war, fo auch fein früher Er-
klärer gänzlich davon. Erft fpäter, im iß. Jahrhundert, lcheint der irreführende
Ausdruck Bgriechifche Manier«, als Collectivbezeichnung für die frühmittelalter-
liche Malerei, die Malerei vor Giotto, in Uebung gekommen zu fein. Diefe Be-
zeichnung konnte leicht entliehen, da, bei nur flüchtiger Betrachtung der wenig
gefchätzten, oder gar verachteten älteren Werke, he in ihrer alterthümlichen, fremd-
artigen, nun überwundenen Weife unter einander lehr ähnlich erlchienen und die
meiften von ihnen in der That viele Züge mit der byzantinifchen Kunlt gemein
hatten.
Mufsten wir Valarbs Auffaffung der älteren italienilchen Malerei als durch-
aus einfeitig verwerfen, fo können wir doch nicht leugnen, dals er Cimabue's und
 
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