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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Andrea Orcagna: geb. in Florenz 1308?, gest. 1368?
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0198

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.DER TRIUMPH DES TODES..

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in ähnlicher Weife der Gedanke von der Nichtigkeit des weltlichen Treibens und
dem Vorzüge ftiller Befchaulichkeit durchgeführt.
Während dem bisher befprochenen Theile des Bildes, wie wir Iahen, ein asce-
tifcher Gedanke zu Grunde liegt, herrfcht in der zweitem, rechten Hälfte der Com-
pohtion ein anderer Geift. Dort waren weltlicher Sinn und religiöfe Befchaulich-
keit inContraft gefetzt; hier bilden tiefftes menfchliches Elend und höchftes Lebens-
glück den Hauptgegenfatz. In einem lieblichen Garten voller Obftbäume ergötzen
hch adlige Herrn mit ihren Damen an den Tönen der Muffk. Hier waltet Jugend,
Glück., Liebe, Lrohfinn. Da kommt, von grofsen Liedermausflügeln getragen,
Vogelkrallen an den Füfsen, das aufgelöfte Haar im Winde fliegend, das entfetz-
liche Weib (la morte) herbeigehogen. Im nächften Momente wird fle mit einem
Schwünge ihrer mächtigen Senfe dem fröhlichen Leben ein Ende gemacht haben.
Dann werden diefe eben noch fo glücklichen Menfchen da liegen, wie die fchreck -
liche Todesernte aus den verfchiedenften Ständen, die bereits den Boden (nach
der Mitte des Bildes hin) bedeckt. Dann wird es fleh auch für fle fragen, ob ihre
Seelen von holden Engeln in Empfang genommen und ins Paradies getragen,
oder ob garftige Teufel fleh derlelben bemächtigen und fle in die Höllen-
fchltinde ftürzen werden. Warum aber nahet der Tod gerade dielen Glücklichen auf
Erden, die feiner nicht bedürfen, und fliegt unbarmherzig an jenen Elenden vor-
über, die von Krankheit und Schmerzen aller Art gefoltert, ihre Hände flehend
nach ihm ausftrecken und (laut dem Text der Schriftrolle in der Hand der lahmen
Alten) ihm zurufen:

"Dache prosperitade ci ha lasciati,
O morte, medicina Togni pena.

"Dieweil das Glück hch von uns abgewendet,
O Tod, Arznei du gegen jede Qual,

Es ift die antike Idee vom Neide des Schickfals, welche hier den Künftler
leitete.
Neuerdings ift (von Hettner an der Schon genannten Stelle) eine andere
geiftreiche Deutung der Gruppe im Garten verfucht worden, indem diefelbe, wie
die ganz ähnliche in der Capella degli Spagnuoli der Kirche Sta. Maria Novella zu
Florenz, in Anlehnung an eine Schrift des Thomas von Aquino, als die Schaar
der Frommen, welche die Verfuchung des Teufels, der Welt und des Fleifches
überwunden, erklärt wird. Abgelehen davon, dafs der Ausdruck diefer Geftalten,
vor allen der Citherfpielerin, die geradezu kokett blickt, nichts fpeciftfch Frommes
hat, und die Falken, fowie das Schoofshtindchen (denn für einen Löwen kann ich
das Thier nicht halten) doch wohl auf noch herrfchende, nicht aber bereits be-
ilegte Weltluft hinweifen, verbietet, wie ich glaube, diefe neue Deutung fleh
dadurch von felbft, dafs durch diefelbe einer der wirkfamften Contrafte, an
denen diefes Bild fb reich, ja aus denen es wefentlich zufammengefetzt ift,
lahm gelegt würde; nämlich eben der Gegenfatz zwilchen Krankheit und
Elend einerfeits und Jugend, Gelundheit, Frohflnn andrerseits. Und ift es
denn fb unwahrscheinlich, dafs im vierzehnten Jahrhundert etwas von dem
antiken Geifte, der durch die Literatur der Zeit ging, einmal auch in ein Ge-
mälde drang?
Ift es nicht als hätte der Künftler, da er feine grandiofe Geftalt des Todes
Schuf, an die Stelle in PetrarcaE ntrionfo della morte. gedacht, wo derfelbe feine
 
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