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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Rosenberg, Adolf: Lorenzo Ghiberti: geb. in Florenz 1378, gest. ebenda 1455
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0257

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LORENZO GHIBERTI.

feffeln, und Ghiberti war in der That fchon bereit, feinen Wünfchen nachzu-
geben, als ein Brief feines Pflegevaters ihn zurückrief.
Nach dem Erlöfchen der Peft hatte die Genoffenfchaft der Florentiner Kauf-
leute befchloffen, das Baptiflerium mit einem zweiten Thürenpaare von Erz zu
verfehen. Die erften Thüren waren, wie in dem Abfchnitt über die Pifani näher
ausgeführt, vor hebzig Jahren von Andrea Pifano gefchaffen worden; feine An-
ordnung des bildnerifchen Schmuckes gab das Mufter für das zweite Paar der
Kirchenthüren her. In einem Aufrufe wurden die Künfller von ganz Italien auf-
gefordert, fleh an der Concurrenz um die Ausführung jener Bronzethüren zu
betheiligen. Merkwürdiger Weife leifteten nur fechs Männer diefem Aufrufe
Folge. Sollte der ganzen Angelegenheit von den italienifchen KünfHern keine
grofse Bedeutung beigelegt worden fein? Oder follen wir, um diefe geringe
Bewerbung zu erklären, annehmen, dafs aus einer gröfseren Zahl von Concurrenten
nur die fechs, von denen wir wiffen, zu einer engeren Bewerbung ausgewählt
wurden?
Unter ihnen befand hch Ghiberti. Der junge Künfller hatte einen fchweren
Kampf zu beltehen, denn feine Mitbewerber waren erprobte Meiftcr des Faches:
Filippo Brunellesco, Jacopo della Quercia, Niccolo von Arezzo, Francesco di
Valdambrina und Simone da Colle. Es könnte auffallen, dafs der junge Ghiberti,
welcher hch in der Bildnerei noch keinen Namen erworben hatte, zur Concurrenz
herangezogen wurde. Der Grund davon mag einerfeits darin liegen, dafs zu
jener Zeit die Kunftübung eine univerfellere war, und dafs es genügte, wenn hch
Jemand in einem Fache als Künfller legitimirt hatte, um auch auf anderen Ge-
bieten der künhlerifchen Thätigkeit als folcher zu gelten. Andererfeits fcheint
der Stiefvater Ghiberti's in Florenz als Künfller ein gewiffes Anfehen genoffen
zu haben, und vielleicht mag Forenzo auf deffen Betreiben als Mitbewerber zu-
gelaffen worden fein, wenngleich er eine Zeitlang den Augen feiner Mitbürger
entrückt gewefen war. Als Goldfehmied hatte er ohnehin Gelegenheit gehabt,
hch mit der Technik des Bronzeguffes — und auf diefe kam es fehr wefentlich
bei der Concurrenz an -—- vollkommen vertraut zu machen.
Im Jahre 1403 kamen vierunddreifsig der erfahrenhen Bildhauer, Maler und
Goldfehmiede zufammen, um ihr Urtheil über die nunmehr vollendeten Probe-
ftücke der fechs Bewerber abzugeben. Ihr einftimmiger Spruch lautete, dafs die
Reliefs von Brunellesco und Ghiberti die vollendetften feien. Wie es kam, dafs
Fetzterer endlich allein die Ausführung erhielt, haben wir im Leben Brunellesco's
gefehen. Fr felbft fagt darüber etwas fchönfärbend in feinem Tagebuche: ,,Die
Palme des Sieges wurde mir von allen Kunflerfahrenen und vor Allen, die hch
neben mir verfuchten, zugetheilt."
Am 23. November 1403 wurde der Vertrag abgefchloffen, nach welchem die
Anfertigung der Erzthtire den Goldfehmieden Lorenzo di Bartolo und Bartolo
di Michele, feinem Vater, übertragen wurde. In jedem Jahre follten drei Reliefs
fertig gehellt werden, und es wurde dabei ausdrücklich bemerkt, dafs Ghiberti
die Figuren alle felbft machen follte. Die bevorzugte Stellung, welche ab-
gefehen von diefer Einfchränkung der Pflegevater in dem Contracte einnimmt,
läfst vermuthen, dafs er, wie fchon oben bemerkt, ein nicht unbedeutender
 
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