Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

DOI article:
Bode, Wilhelm von: Desiderio da Settignano: geb. 1428;  gest. in Florenz 1464
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0329

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
30

DIE FLORENTINER MARMORBILDNER.

ordentliche Grazie und Liebreiz in den Köpfen, wefshalb das Antlitz feiner Frauen-
und Kindergeftalten zart, füfs und anmuthig erfcheint, fowohl durch inneren Beruf,
welcher ihn zur Kunft getrieben hatte, als durch die Studien, durch welche er
fein angeborenes Talent ausbildete.«
Für Vafari's Angabe, dafs Defiderio ein Schüler Donatello's war, fpricht auch
die Notiz in Alberti's Memoriale (i$io), wonach beide Künfller gemeinfam den
Fries an der Capella Pazzi fchufen, eine falt zahllofe Reihe von Engel-
köpfchen, welche mit Donatello's Frifche fchon Defiderio's Holdfeligkeit ver-
binden. Muthmafslich war es eine Jugendarbeit, das frtiheRe uns erhaltene Werk
des Künftlers. Ein anderes Werk, bei welchem Defiderio's Name gleichfalls in
Verbindung mit Donatello genannt wird, der von Vafari mit grofsem Lobe
erwähnte Sockel für Donatello's Bronzeflatue des David, ifl leider nicht mehr er-
halten. Auch von den übrigen Werken deffelben, die Vafari aufzählt, find nur drei
wichtigere auf uns gekommen: eine Bülte und feine beiden Hauptwerke, das Wand-
tabernakel der Sakramentskapelle in San Lorenzo und das Grabmal Marzuppini in
Sta. Croce. Erlteres, muthmafslich die frühere Arbeit von beiden, ilt leider in der
Kirche von feinem alten Platze entfernt und hat dadurch einen Theil feiner archi-
tektonifchen Umrahmung verloren; auch wird es durch einen neueren Altartheilweife
verdeckt und dadurch der Eindruck diefes in feiner Art vollendetften Werkes
noch mehr beeinträchtigt. Pilafler mit Rachem, aufserordentlich zierlichen Blatt-
ornament bilden den Rahmen der als Halle mit Tonnengewölben perfpektivifch
gebildeten Flachnifche, in welcher die (moderne) Bronzethüre das Allerheiligftc
birgt; in die Halle treten beiderfeits eine Schaar anbetender Engel; in der
Lünette ift Gottvater dargeRellt. Auf dem GeRmfe vor dem Halbrund, welches
das Tabernakel abfchliefst, find in FreiRguren das Chriftkind *) Rehend auf dem
Kelche und zu feinen Seiten zwei in Verehrung ihm zugewandte Engel ange-
bracht, KindergeRalten, wie Re nicht naiver und reizvoller gefchaffen Rnd. In
den Sockel iR das Flachrelief einer Pieta eingelaRen: der Leichnam ChriRi auf
feinem Grabe von Maria und Johannes gehalten. An den Seiten des Tabernakels
Rehen die Statuen von zwei älteren Chorknaben neben hohen Leuchtern. Der
Aufbau des Tabernakels iR von den glücklichRen Verhältniffen und daher faR
ein Jahrhundert in Florenz muRergültig geblieben. Die Decoration, in welcher
Defiderio wieder in reizvollRer Weife feine köRlichen Cherubim angebracht hat,
iR durchweg Rach gehalten, aber fo fauber und fo fcharf umrändert, dafs Re
an ihrem Platze von feinRer Wirkung iR. Das Relief der Pieta zeigt übrigens die
Grenze der KunRweife DeRderio's wie der ganzen Reh an ihn fchliefsenden Rich-
tung: die Formenbehandlung iR zu weichlich, und dem Gefühlsausdruck fehlt es
an Haltung und ErnR, fodafs die DarRellung dadurch einen AnRug von Carri-
catur erhalten hat. Wie er das Pathos feines MeiRers Donatello abfchwächt und
deffen charaktervolle Herbigkeit in feinem lebendigen SchönheitsRnne umzu-

i) In den Handbüchern pflegt diele Figur dem Baccio da Montelupo zugefchrieben zu werden.
Allerdings war zu Vafari's Zeit die Statue Defiderio's durch ein Werk des Baccio erfetzt; aber als im Jahre
1677 das Tabernakel an feinen jetzigen Platz gebracht wurde, erhielt dasfelbe wieder Defiderio's urfprüng-
liche Statue. Baccio's Chriftkind befindet fich jetzt im Befitze des Barons K. E. von Liphart zu Florenz.
 
Annotationen