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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Woermann, Karl: Filippino Lippi: Geb. um 1459 in Prato, † 1504 in Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0421

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FILIPPINO LIPPI.

dem Filippino angehört. Der junge Künhler fchliefst hch hier fo eng an fein
grofses Vorbild an, wie möglich. Die horizontale (ifokephale) Gruppirung,
welche die Köpfe der meiften Anwefenden in gleicher Höhe neben einander
ftellt, der grofsartige, fchöne, einfache Wurf der Gewänder, der heilige Ernft
der Gehchter, diefe Eigenfchaften kommen hier noch ganz in Mafaccio's Weife
zur Geltung. Es darf nicht als unmöglich bezeichnet werden, dafs Filippino
den Entwurf feines Vorgängers für die Ge-
fammtcompofition gekannt und benutzt habe.
Die grofse Theilnahmlofigkeit der einzelnen,
der Handlung zum Theil nicht einmal fchein-
bar zufchauenden Umflehenden dagegen ifl ein
Erbtheil Fra Filippo's, während hch in der
fprechenden Porträtähnlichkeit der einzelnen
Köpfe, deren Vafari eine grofse Reihe namhaft
macht ( i), wie in der technifchen Behandlung,
das fortgefchrittene 15. Jahrhundert charakte-
riftifch ausfpricht. —' Ganz dem Filippino ge-
hört, wie gefagt, das grofse gegenüberliegende
Bild an. Rechts fehen wir Petrus, wie es
scheint auch Paulus, vor feinem in holzer
Cäfarentracht mit hnflerem Antlitz thronenden
römifchen Richter (über deffen Bezeichnung
vgl. Ernfl Förfler, Gefch. der ital. Malerei III,
S. 334 f.) inmitten einer Anzahl von Zufchau-
ern mit florentinifchen Porträtköpfen hch ver-
theidigen. Diefe Gruppe ifl von der zur Linken
fchärfer gefondert, als auf irgend einem ande-
ren Bilde der Kapelle Brancacci. Es find eigent-
lich zwei vollftändig getrennte Bilder. In der
Kreuzigung Petri ifl die Haupthandlung felbfl,
die Anheftung des mit dem Kopfe nach unten
gekehrten Apoftels an das Kreuz durch halb-
nackte Henkersknechte, die feine Füfse an
einem Seile emporziehen, dramatifch lebendig
und ergreifend dargehellt. Die Zufchauer zur
Linken verrathen durch ihre Haltung und
ihre Mienen auch, dafs die fchreckliche Scene
he berührt; dagegen flehen die drei horen-
tinifchen Männer zur Rechten, völlig unbekümmert um das Martyrium des
Apohels, nur ihrer eigenen Porträtähnlichkeit wegen da; vortreffliche, ausdrucks-
volle Gehalten und Köpfe (vgl. unten Anm. 1). Jene horizontale Anordnung
der* Köpfe in gleicher Höhe neben einander macht in diefern Bilde fchon einer
freieren, wenngleich noch nicht pyramidalen Compohtionsweife Platz; die Ge-
wandung hat nicht mehr die ftrenge Einfachheit, mit welcher Mafaccio he be-
handelt, fondcrnverräth eine Hinneigung zu reichlicheren Falten und baufchigeren


Die Befreiung Petri.
Kapelle der Brancacci.
 
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