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LUCA SIGNORELLI.
Bündigkeit zu verkümmern. Befonders fein bedeutendBer Schüler, Signorelli war
ihm wie vom Schickfal entgegengebracht als wahlgerechter geiftiger Erbe. Beide
wie gefchaffen für einander.
Vgl. Naumann's Archiv für die zeichnenden Fünfte, 2. Jahrgang 1856. E. Harzen: Ueber den
Maler Pietro degli Franceschi und feinen vermeintlichen Plagiarius, den Francishanermönch Luca Pa-
cioli; fowie die eingehende Würdigung bei Crowe und Cavalcafelle, Gefch. d. ital. Mal. Bd. 111. S.
294 — 325. Beiden Arbeiten verdankt der Verfaffer werthvolle Winke zum Verfländniffe Pietro's. —
Nachforfchungen in feinem Geburtsorte haben zweifellos feftgestellt, dafs er im Jahre 1492, alfo um
ein Geraumes früher geftorben ift, als bisher nach einer Notiz des Luca Pacioli angenommeu wurde:
Vgl. Francesco Corrazini: Appunti storici e filologici della Valle Tiberina superiore. Sansepolcro, Bec-
camorti, 1874. in 8L
Luca (d'Egidio di Ventura) Signorelli iE wahrfcheinlich im Jahre 1441 ge-
boren zu Cortona, einem malerifch gelegenen BergBädtchen, unfern vom See
Trahmeno. Giorgio Vafari (fein Verwandter mütterlicherfeits) berichtet, dafs
er feine Lehrjahre in Arezzo unter Pietro degli Franceschi zugebracht und feine
erBen Arbeiten i. J. 14/2 in S. Lorenzo dafelbB ausgeführt habe. Darnach könnte
man alfo annehmen, dafs Signorelli bis zu feinem dreifsigBen Lebensjahre, wenn
nicht gerade Schüler, fo doch noch unfelbBändiger Mitarbeiter Pietro's war. Er
iB wohl bis in's Jahr 14/ß in Arezzo geblieben und hat tich dann 14/4 nach
Gitta di CaBello gewandt, wo er den Thurm der Piazza mit einer Madonna
fchmückte. Die nächBen Spuren feines weiteren Verbleibens finden wir in den
Fresken zu Loreto, deren Ausführung ungefähr in das Jahr 14/8 zu fetzen fein
wird. Wenn man nun bezweifelt, dafs er fchon in feiner früheren Jugend während
feines Verhältniffes zu Pietro Studienreifen unternahm, fo mufs man nothwendig
vermuthen, dafs er dies zwifchen den Jahren 1474 und 1478 that. Denn in Loreto
zeigen feine Malereien bereits beBimmte florentinifche Einhüffe. Dafs er zuvor
fchon die Schule von Perugia, einen Plorenzo di Lorenzo, Perugino, Pinturicchio,
kennen gelernt und nicht ohne Einwirkung von ihr geblieben fei, dies iB aus
der Nähe diefer Stadt mit ziemlicher Wahrfcheinlichkeit zu fchliefsen. Jedoch
diejenige Kraft, welche in ihm vorherrfchte und welche aus der Schmiede eines
Pietro herkam, Be mufste ihn noch viel dringender nach Florenz weifen und dort
mit Fra Filippo und Filippino, befonders aber mit Botticelli und den Pollaiuoli,
überhaupt mit dem ganzen muthigen KunBleben diefer Stadt in Fühlung bringen.
Wahrfcheinlich noch im Jahr 1478 iB er von PapB Sixtus IV. nach Rom berufen
worden, um hier in der SiBina neben einem Ghirlandaio, Botticelli, Perugino,
Rofelli ein Zeugnifs feiner KunB abzulegen. Das Bild feiner Hand in jenem
grofsen Freskencyklus fchildert uns in alterthümlicher Simultaneität die letzten
Thaten und den Tod des Mofes. Bei diefem römifchen Aufenthalte hat wohl
die Doppeleinwirkung von umbrifcher und horentinifcher DarBellungsart den
MeiBer mit befonderer Kraft erfafst. Auch mag diefer wahrfcheinlich gleich-
zeitige KunBwettBreit Signorelli's Sinn für Anordnung und Gruppirung bei
gröfseren Compohtionen neu belebt uud geklärt haben. Wie lange er in Rom
geblieben, wiffen wir nicht genau. Sechs Jahre fpäter taucht er für unfere Blicke
wieder in feiner VaterBadt Cortona auf, wo er von nun als feBer Bürger -
häufig fogar als Prior und in anderen Amtswürden — mit nur vorübergehenden
LUCA SIGNORELLI.
Bündigkeit zu verkümmern. Befonders fein bedeutendBer Schüler, Signorelli war
ihm wie vom Schickfal entgegengebracht als wahlgerechter geiftiger Erbe. Beide
wie gefchaffen für einander.
Vgl. Naumann's Archiv für die zeichnenden Fünfte, 2. Jahrgang 1856. E. Harzen: Ueber den
Maler Pietro degli Franceschi und feinen vermeintlichen Plagiarius, den Francishanermönch Luca Pa-
cioli; fowie die eingehende Würdigung bei Crowe und Cavalcafelle, Gefch. d. ital. Mal. Bd. 111. S.
294 — 325. Beiden Arbeiten verdankt der Verfaffer werthvolle Winke zum Verfländniffe Pietro's. —
Nachforfchungen in feinem Geburtsorte haben zweifellos feftgestellt, dafs er im Jahre 1492, alfo um
ein Geraumes früher geftorben ift, als bisher nach einer Notiz des Luca Pacioli angenommeu wurde:
Vgl. Francesco Corrazini: Appunti storici e filologici della Valle Tiberina superiore. Sansepolcro, Bec-
camorti, 1874. in 8L
Luca (d'Egidio di Ventura) Signorelli iE wahrfcheinlich im Jahre 1441 ge-
boren zu Cortona, einem malerifch gelegenen BergBädtchen, unfern vom See
Trahmeno. Giorgio Vafari (fein Verwandter mütterlicherfeits) berichtet, dafs
er feine Lehrjahre in Arezzo unter Pietro degli Franceschi zugebracht und feine
erBen Arbeiten i. J. 14/2 in S. Lorenzo dafelbB ausgeführt habe. Darnach könnte
man alfo annehmen, dafs Signorelli bis zu feinem dreifsigBen Lebensjahre, wenn
nicht gerade Schüler, fo doch noch unfelbBändiger Mitarbeiter Pietro's war. Er
iB wohl bis in's Jahr 14/ß in Arezzo geblieben und hat tich dann 14/4 nach
Gitta di CaBello gewandt, wo er den Thurm der Piazza mit einer Madonna
fchmückte. Die nächBen Spuren feines weiteren Verbleibens finden wir in den
Fresken zu Loreto, deren Ausführung ungefähr in das Jahr 14/8 zu fetzen fein
wird. Wenn man nun bezweifelt, dafs er fchon in feiner früheren Jugend während
feines Verhältniffes zu Pietro Studienreifen unternahm, fo mufs man nothwendig
vermuthen, dafs er dies zwifchen den Jahren 1474 und 1478 that. Denn in Loreto
zeigen feine Malereien bereits beBimmte florentinifche Einhüffe. Dafs er zuvor
fchon die Schule von Perugia, einen Plorenzo di Lorenzo, Perugino, Pinturicchio,
kennen gelernt und nicht ohne Einwirkung von ihr geblieben fei, dies iB aus
der Nähe diefer Stadt mit ziemlicher Wahrfcheinlichkeit zu fchliefsen. Jedoch
diejenige Kraft, welche in ihm vorherrfchte und welche aus der Schmiede eines
Pietro herkam, Be mufste ihn noch viel dringender nach Florenz weifen und dort
mit Fra Filippo und Filippino, befonders aber mit Botticelli und den Pollaiuoli,
überhaupt mit dem ganzen muthigen KunBleben diefer Stadt in Fühlung bringen.
Wahrfcheinlich noch im Jahr 1478 iB er von PapB Sixtus IV. nach Rom berufen
worden, um hier in der SiBina neben einem Ghirlandaio, Botticelli, Perugino,
Rofelli ein Zeugnifs feiner KunB abzulegen. Das Bild feiner Hand in jenem
grofsen Freskencyklus fchildert uns in alterthümlicher Simultaneität die letzten
Thaten und den Tod des Mofes. Bei diefem römifchen Aufenthalte hat wohl
die Doppeleinwirkung von umbrifcher und horentinifcher DarBellungsart den
MeiBer mit befonderer Kraft erfafst. Auch mag diefer wahrfcheinlich gleich-
zeitige KunBwettBreit Signorelli's Sinn für Anordnung und Gruppirung bei
gröfseren Compohtionen neu belebt uud geklärt haben. Wie lange er in Rom
geblieben, wiffen wir nicht genau. Sechs Jahre fpäter taucht er für unfere Blicke
wieder in feiner VaterBadt Cortona auf, wo er von nun als feBer Bürger -
häufig fogar als Prior und in anderen Amtswürden — mit nur vorübergehenden