BAUTEN IN FLORENZ.
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pferdigen Dampfmafchine oder eines Kuppelbaues von 20 Fufs Durchmeffer
und ebenfoviel Höhe, wie viele Variationen laffen hch über ein einfaches
muhkalifches Thema componiren! Die Bäume würden aber in den Himmel
wachfen oder von dem leichteften Wind umgeworfen, wenn he wie die Gräfer
gebaut wären, die Infekten in Elephantengröfse weder Flügel noch Beine bewegen
können, Dampfmafchinen von 1000 und mehr Pferdekräften ihren Dienft ver-
tagen, wenn he nach dem Modell einpferdiger Mafchinchen conftruirt würden,
und Kuppelbauten, welche für 20 Fufs Durchmeffer erdacht waren, würden bei
100—150 Fufs Spannweite und gleicher Conftruction einftürzen. So wäre, um
das Architekturgebiet weiter zu verfolgen, Palazzo Pitti in halber Naturgröfse
mmer noch ein refpectabler Bau, aber feine Boffagen würden unpaffend
ierfcheinen, trotzdem he kräftig genug wären, Palazzo Rucellai aber würde, in
allen feinen Dimenhonen um die Hälfte vergröfsert, fo dafs er hch dem Pitti-
palaft näherte, ein Unding. Der letztere repräfentirt in feinem Mafsftab das
Aeufserfte, was für einen von Menfchen bewohnten Palaft überhaupt zuläfsig ift;
wir fehen die Quadern in förmliche Felsbänke verwandelt, und die Hausthüren
hnd fo grofs, dafs man ein fchmales, zweiftöckiges holländifches Familienhaus
bequem durch he hineinfchieben könnte; die Umrahmungsprohle der hölzernen
Thürhügel endlich überfchreiten fo ziemlich das gröfste Format aller Stein-
prohlirungen der Renaiffance; he würden, in ein Viertel ihrer Gröfse in Marmor
ausgeführt, immer noch grofs fein. Palazzo Rucellai dagegen ift zwar in den
Dimenhonen grofs, aber in menfchlich befcheidenen Verhältniffen entworfen,
und gerade defshalb liefs er eine reichere Gliederung der Faffaae zu; das Gröfste
mufs im Princip einfach, das Kleinere darf reich gehaltet fein, das ift ein all-
gemein gültiges Gefetz für die Kunft. Jeder Künftler befolgt diefe Prinzipien
inftinctiv, felbft ohne he hch klar zum Bewufstfein gebracht zu haben; Alberti
freilich fcheint letzteres gethan zu haben. Er befafs eine Vorliebe für die Pilafter,
gedenkt ihrer in feinem Lehrbuch an verfchiedenen Orten und emphehlt he als
Dekorationsmittel bei Fenftern und Thüren.
Eine eigenthümliche Aufgabe hatte Alberti in der Marmorincruftation der
Kirche Santa Maria Novella zu Florenz zu löfen. Aufser dem fchönen Portal ift
von ihm namentlich der Giebelaufbau der Faffade, welchen er in zierlichfter
Weife mit Einlagen von fchwarzem und weifsen Marmor fchmückte. Auch hier
hnden wir ihn wieder nach neuen Motiven fuchend, indem er, anftatt die
Abfchlufswände der Seitenfchiffe wie feither durch halbe Giebel zu charakterihren,
he durch die- nachmals in der Spätrenaiffance fo beliebten Voluten fchmückte,
welche die Ecken des Baues, beffer als jene, mit dem Mittelgiebel in Verbindung
bringen und das ftarre Syftem durch ihre gefchwungene Form mildern. Wenn
man einerfeits diefe Scheindekoration zu tadeln hch erlauben darf, fo ift auf der
anderen Seite nicht zu vergeffen, dafs die Renaiffancezeit in der, der antiken
Confole entlehnten Volutenform überhaupt die Geftaltung erblickte, welche am
beften das Gegenftreben gegen den Seitenfchub ausfpricht; daher verwandelt he
den mittelalterlichen Strebebogen in grofse Voluten, die gleichfam wie elaftifche
und doch ftarre Federn jeder Verfchiebung entgegenwirken. Deutlich wird diefe
Auffaffung in den Werken über Mafchinenbau aus dem 16. Jahrhundert erkenn-
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pferdigen Dampfmafchine oder eines Kuppelbaues von 20 Fufs Durchmeffer
und ebenfoviel Höhe, wie viele Variationen laffen hch über ein einfaches
muhkalifches Thema componiren! Die Bäume würden aber in den Himmel
wachfen oder von dem leichteften Wind umgeworfen, wenn he wie die Gräfer
gebaut wären, die Infekten in Elephantengröfse weder Flügel noch Beine bewegen
können, Dampfmafchinen von 1000 und mehr Pferdekräften ihren Dienft ver-
tagen, wenn he nach dem Modell einpferdiger Mafchinchen conftruirt würden,
und Kuppelbauten, welche für 20 Fufs Durchmeffer erdacht waren, würden bei
100—150 Fufs Spannweite und gleicher Conftruction einftürzen. So wäre, um
das Architekturgebiet weiter zu verfolgen, Palazzo Pitti in halber Naturgröfse
mmer noch ein refpectabler Bau, aber feine Boffagen würden unpaffend
ierfcheinen, trotzdem he kräftig genug wären, Palazzo Rucellai aber würde, in
allen feinen Dimenhonen um die Hälfte vergröfsert, fo dafs er hch dem Pitti-
palaft näherte, ein Unding. Der letztere repräfentirt in feinem Mafsftab das
Aeufserfte, was für einen von Menfchen bewohnten Palaft überhaupt zuläfsig ift;
wir fehen die Quadern in förmliche Felsbänke verwandelt, und die Hausthüren
hnd fo grofs, dafs man ein fchmales, zweiftöckiges holländifches Familienhaus
bequem durch he hineinfchieben könnte; die Umrahmungsprohle der hölzernen
Thürhügel endlich überfchreiten fo ziemlich das gröfste Format aller Stein-
prohlirungen der Renaiffance; he würden, in ein Viertel ihrer Gröfse in Marmor
ausgeführt, immer noch grofs fein. Palazzo Rucellai dagegen ift zwar in den
Dimenhonen grofs, aber in menfchlich befcheidenen Verhältniffen entworfen,
und gerade defshalb liefs er eine reichere Gliederung der Faffaae zu; das Gröfste
mufs im Princip einfach, das Kleinere darf reich gehaltet fein, das ift ein all-
gemein gültiges Gefetz für die Kunft. Jeder Künftler befolgt diefe Prinzipien
inftinctiv, felbft ohne he hch klar zum Bewufstfein gebracht zu haben; Alberti
freilich fcheint letzteres gethan zu haben. Er befafs eine Vorliebe für die Pilafter,
gedenkt ihrer in feinem Lehrbuch an verfchiedenen Orten und emphehlt he als
Dekorationsmittel bei Fenftern und Thüren.
Eine eigenthümliche Aufgabe hatte Alberti in der Marmorincruftation der
Kirche Santa Maria Novella zu Florenz zu löfen. Aufser dem fchönen Portal ift
von ihm namentlich der Giebelaufbau der Faffade, welchen er in zierlichfter
Weife mit Einlagen von fchwarzem und weifsen Marmor fchmückte. Auch hier
hnden wir ihn wieder nach neuen Motiven fuchend, indem er, anftatt die
Abfchlufswände der Seitenfchiffe wie feither durch halbe Giebel zu charakterihren,
he durch die- nachmals in der Spätrenaiffance fo beliebten Voluten fchmückte,
welche die Ecken des Baues, beffer als jene, mit dem Mittelgiebel in Verbindung
bringen und das ftarre Syftem durch ihre gefchwungene Form mildern. Wenn
man einerfeits diefe Scheindekoration zu tadeln hch erlauben darf, fo ift auf der
anderen Seite nicht zu vergeffen, dafs die Renaiffancezeit in der, der antiken
Confole entlehnten Volutenform überhaupt die Geftaltung erblickte, welche am
beften das Gegenftreben gegen den Seitenfchub ausfpricht; daher verwandelt he
den mittelalterlichen Strebebogen in grofse Voluten, die gleichfam wie elaftifche
und doch ftarre Federn jeder Verfchiebung entgegenwirken. Deutlich wird diefe
Auffaffung in den Werken über Mafchinenbau aus dem 16. Jahrhundert erkenn-
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