Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

DOI Artikel:
Redtenbacher, Rudolf: Baldassare Peruzzi: geb. in Siena 1481, gest. in Rom 1536
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0665

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

BALDASSARE PERUZZI.

zu diefen Bauten uns die ganze Gröfse des MeiFers ahnen laffen; der Medi-
ceerpalaF des Giuliano da San Gallo, deffen FaFaden für San Lorenzo in Florenz,
eine mächtige Triumphbogenfaffade, die er unter Julius II. entwarf, erheben aber
auch diefen Rivalen Bramante's auf eine ungeahnte Höhe; die Villa Madama
und der zerftörte Palaft Branconi d'Aquila würden Raffael's Verdienft um die
BaukunF noch fteigern; und wenn Perruzzi's und des jüngeren Antonio da San
Gallo unerfchöpftiche Baugedanken und Alles, was Michelangelo an Architektur-
werken erfann, als ausgeführte Werke uns vor Augen gefleht würden, fo müfste
uns wahrlich die Entfcheidung darüber in einige Verlegenheit bringen, wem der
Ehrenkranz zu verleihen fei. Am liebften würden wir ihn vielleicht theilen,
Bramante mit dem gröfsten, Peruzzi mit dem edelften Zweig fchmücken, den
Reft unter die Anderen, nach Mafsgabe, um wie viel jeder zu kurz kam durch
des Schickfals UngunfI, ungleich austheilen. Die Thätigkeit diefer Männer
fleht in fo engem Zufammenhang zu einander, dafs wir Aller gedenken müffen,
wenn wir das Leben des Baldaffare Peruzzi fchildern wollen. OhneBerückfichtigung
aber der für die Ausführung beftimmt gewefenen, jedoch nur auf dem Papier
gebliebenen Pläne diefer Meifler vermögen wir es weder, ein richtiges Bild
ihrer gleichzeitigen Beftrebungen zu entwerfen, noch über den Kampf der Meinun-
gen und Richtungen uns klar zu werden, der da ausgefochten wurde.
Man braucht warlich keine Ehrenrettungsverfuche zu Gunften Bramante's
gegenüber den Angriffen, die er fchon von Vafari erfahren, vorzunehmen, wie
Manche möchten, wird vielmehr immer eine glückliche Schickfalsfügung in dem
Zufammentreffen Julius' II. und gerade diefes Meifters erblicken müffen. Stets wird
man Bramante zwifchen Brunellesco und Michelangelo Fellen, die beiden Männer,
deren reformatorifche Bedeutung fchon Vafari erkannt hatte. Will man aber
gerecht fein, fo mufs auch den andern Künftlern, welche um und neben Bra-
mante lebten, die gebührende Stellung in der Kunftgefchichte angewiefen werden.
Bei dem grofsartigen Ereignifs der Grundfteinlegung von St. Peter mögen unter
den Zufchauern Bramante's Schüler Peruzzi, fowie die von ihm angefeindeten
Rivalen, Giuliano da San Gallo und Michelangelo fleh befunden haben; unter
den Leidtragenden bei feinem Begräbnifs dürfen wir diefelben, unter Hinzutritt
von Raffael und Antonio da San Gallo d. J. vermuthen mit Ausnahme des
Michelangelo, der damals abwefend von Rom war.
Den Baldaffare Peruzzi haben feine Zeitgenoffen wie die Epigonen ftets für
einen der gröfsten Künftler gehalten; freilich gehört er nicht unter die kleine
Anzahl der bahnbrechenden Genien, dafür aber zu den ebenfo feltenen, welche in
einer vorgezeichneten Richtung das Höchfte vollbringen. Er ift immer der be-
fcheidene Künftler gewefen, der dem geringften Werke feine ganze Hingabe zu-
wendet, um ihm den Stempel der Vollendung aufzuprägen; ein gemüthstiefer,
poetifcher und finniger Meifter, weifs er auch das Kleine zu adeln und ftrebt ftets
nach der vollendetften Abrundung aller feiner Werke.
Dafs er von den kühnften Ideen befeelt, von den erhabenften Gedanken
erfüllt war, erfahren wir mehr aus feinen erhaltenen Plänen als aus feinen Bauten.
Kaum hat das Schickfal jemals einen Künftler fo ftiefmiitterlich bedacht, wie
ihn, feine höchften Wtinfche blieben unerfüllt; immer und immer wieder Feilt
 
Annotationen