Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kimpflinger, Wolfgang [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 1, Teil 2): Stadt Braunschweig — Braunschweig, 1996

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44169#0066

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
verändert erhalten und in einer traditionsbewuß-
ten Formensprache ausgeführt, die Architek-
turmotive deutscher Baukunst der Renaissance
und des Barock in freier Form anhäuft. Die nach
dem Zweiten Weltkriege zu geraden Dreieck-
giebeln abgeänderten, ehemals geschwunge-
nen Glockendächer, kontrastieren daher heute
mit dem Formenreichtum des übrigen Gebäu-
des, besonders mit den beiden zentralen,
stockwerkübergreifenden Loggienbögen, die
leicht aus der Fassade vorspringen und neben
streifiger Putzornamentik aufwendig verarbeite-
te Maueranker und schmiedeeiserne Balkon-
brüstungen aufweisen. Die beiden Veranden im
Erdgeschoß hatten ursprünglich beide Docken-
brüstungen aus Werkstein, von denen heute
nur noch die am nördlichen Hausteil existiert.
Phantasievoll geformte Stützen mit Kapitellen
und Kämpferaufsätzen stehen mittig auf den
Erdgeschoßbalustraden und unterstreichen die
tragende Unterbaufunktion des Erdgeschosses,
die im übrigen durch horizontalen Putzfugen-
schnitt, Kissenbossen an den Hausecken und
im Sockelbereich durch mehrere abgestufte
Profile und Gesimse zum Ausdruck gebracht
wird. Die ursprünglich seitlich von den Veran-
den in den Vorgarten führenden geschwunge-
nen Treppen sind heute entfernt.
Die von Ost nach West weiter fortschreitende
Wohnbebauung an der Humboldtstraße fand
um 1905 ihren Abschluß und gleichzeitig den
Anschluß an den oben dargestellten Westteil

der Straße mit seiner typologisch und architek-
turhistorisch sehr heterogenen Bebauung. Die
historische Architektur dieses mittleren Teiles
der Humboldtstraße ist von umfangreichen Ver-
änderungen und Erneuerungen geprägt, ledig-
lich das Eckhaus zur Kasernenstraße, der ehe-
malige Gasthof „Lindenhof“, ist trotz gravieren-
der Veränderungen im Dachbereich noch
aussagekräftig genug, um als Baudenkmal gel-
ten zu können. Der große drei bis viergeschos-
sige Bau liegt mit seiner längeren Fassade der
Hauptfront der ehemaligen Vendöme-Kaserne
gegenüber und ist der Kasernenstraße zuge-
ordnet (Kasernenstraße 20). Um den massi-
gen Baukomplex zu rhythmisieren, ist das Ge-
bäude optisch in zwei Baukörper geteilt, die
auch unterschiedlich genutzt werden. Während
der südlich in der Kasernenstraße liegende vier-
geschossige Teil nur Wohnungen enthält, ist der
nördliche, dreigeschossige, mit Dachausbauten
versehene Eckkomplex zur Humboldtstraße für
gemischte Nutzung errichtet: Neben Wohnnut-
zung ist im Erdgeschoß ein Restaurant und dar-
über ein zwei Stockwerke umfassender Saal
mit Bühne in diesem Bauteil untergebracht. Zu-
sätzlich zur straßenbildprägenden Funktion, die
dem Bau zukommt, ist es vor allem die im städ-
tischen Bereich inzwischen selten gewordene
Verbindung von Gasthaus und Saalbau, die
dem Gebäude Denkmalwert verleiht. Der Büh-
nensaal wird von Norden, von der Humboldt-
straße her belichtet, von außen an den vorge-
wölbten, hohen und schmalen Fensterbahnen

erkennbar. Die wandfeste Ausstattung des Saa-
les ist schlicht und zeigt in der Stuckdekoration
zwischen den Unterzügen der Deckenkonstruk-
tion und an dem archaisch anmutenden Büh-
nenprospekt einen vom Klassizismus beeinfluß-
ten Jugendstil, der in verwandter Form auch in
den Putzdekorationen am Außenbau wieder-
kehrt. Dem Restaurant ist zur Humboldtstraße
hin eine Gastterrasse vorgelegt, deren Begren-
zung in der Straßenfluchtlinie liegt, während das
Haus selbst leicht zurückspringt. Das Gebäude
wurde 1908 von der renommierten Braun-
schweiger Baufirma Karl Munte errichtet.

HAGENRING
Der weitaus größte Teil der aus spätgründer-
zeitlicher Wohnhausbebauung bestehenden
Denkmalgruppe, die im Ostteil der Humboldt-
straße beginnt, flankiert auf beiden Seiten einen
Teil des Hagenringes, der, im Süden an der
Jasperallee beginnend, geradlinig nach Norden
bis zur Kreuzung mit der Gliesmaroder Straße
führt. Der Hagenring ist heute Teil der vierspuri-
gen Ringstraße, die erst 1955 im Norden an
den Rebenring angeschlossen werden konnte,
nachdem dies bereits im Ortsbauplan Ludwig
Winters von 1889 geplant gewesen war. Die in
den achtziger Jahren des 19.Jh. bereits dicht
bebaut gewesenen Ausfallstraßen Gliesma-
roder- und Göttingstraße verhinderten jedoch


L
1
■■

Kasernenstraße 20, Theatersaal, 1908, Arch. Karl Munte

64
 
Annotationen