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Kimpflinger, Wolfgang [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 1, Teil 2): Stadt Braunschweig — Braunschweig, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.44169#0017

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STADT BRAUNSCHWEIG

Geschichtlicher Überblick 19. und 20. Jahrhundert

Nachdem die Stadt Braunschweig seit der Zeit um 1400 zunehmend von ihren Landes-
herren unabhängig geworden war und durch den Erwerb weitreichender Hoheitsrechte
einen nahezu reichsunmittelbaren Status errungen hatte, verlor sie 1671 diese Freiheiten
wieder, als Herzog Rudolf August die Stadt eroberte und seine Residenz von Wolfenbüt-
tel nach Braunschweig zurück verlegte. Die nächsten 250 Jahre, bis zum 8. November
1918, war Braunschweig wieder Residenzstadt - nur kurz durch die napoleonische Ära
unterbrochen - und erlebte in dieser Zeit die Industrialisierung mit raschem Bevölke-
rungszuwachs sowie das damit einhergehende Ausgreifen der Stadt in das Umland mit
den zugehörigen städtebaulichen und sozialpolitischen' Konsequenzen. Die Zeit der
Weimarer Republik war im Land Braunschweig geprägt von Unruhen und ständig wech-
selnden Regierungen. Schon 1930 beteiligten sich die Nationalsozialisten an der Regie-
rung, für deren Ideologie die Stadt Heinrichs des Löwen zu einem besonderen Ort wur-
de. Nach dem Zweiten Weltkrieg erholte sich die Stadt nur schwer von der fast totalen
Zerstörung ihrer historischen Innenstadt. 1946 verlor Braunschweig seinen Status als
Landeshauptstadt des Freistaates Braunschweig und wurde Sitz eines Verwaltungsbe-
zirkes des neu gegründeten Landes Niedersachsen. Zusammen mit den jungen Indu-
striestädten Wolfsburg und Salzgitter entwickelte sich Braunschweig in den vergange-
nen 50 Jahren zu einem regionalen Wirtschafts- und Kulturzentrum, das nach dem Zu-
sammenbruch der DDR seit 1989 auch wieder von seiner zentralen Lage in der Mitte
des norddeutschen Raumes profitiert.
Die erste Industrialisierungsphase
Der Aufbruch Braunschweigs in das Industriezeitalter begann zunächst nur zögernd.
Den Anfang machte 1849 P. W. F. Voigtländer aus Wien mit einem Zweigwerk der opti-
schen und feinmechanischen Industrie, das er in Braunschweig gründete. Die überwie-
gende Zahl der außerhalb der mittelalterlichen Stadtgrenzen neu entstandenen Fabriken
ist aber aus dem ortsansässigen Handwerk und der landwirtschaftlichen Produktion
hervorgegangen. Es wurden Maschinen für Zuckerfabriken hergestellt, Konserven- und
Blechwarenfabriken gegründet sowie international bekannte Produktionsstätten für
Mühlen und Silos. Von 1852 datiert die erste Gasanstalt an der Bahnhofstraße, 1853
entstand die spätere braunschweigische Maschinenbauanstalt (BMA), ab 1856 folgten
die Wilke-Werke, und 1858 wurden die Chininwerke von Hermann Buehler gegründet.
1855 ließ sich die Pianofabrik Th. Steinweg in Braunschweig nieder, die später unter
dem Namen des Kompagnons Fr. Grotrian weitergeführt wurde. Die Klavierfabrik Zeitter
und Winkelmann war bereits seit 1836 in Braunschweig ansässig. Die Firma Grimme,
Natalis und Co. baute Rechenmaschinen unter dem Markennamen Brunsviga.
Der Anbau von Spargel und anderem Gemüse in der Umgebung der Stadt führte seit
den siebziger Jahren zu einer blühenden Konservenindustrie, die ihrerseits den Maschi-
nenbau nachhaltig belebte. Auch das jahrhundertealte Braugewerbe trat in der 2. Hälfte
des 19.Jh. in seine industrielle Phase. Anstelle der früheren zahlreichen Haus- und
Kleinbrauereien entwickelten sich seit den Gründerjahren einige wenige Großbrauereien,
die sich vor allem südlich der Innenstadt niederließen: Das Hofbrauhaus Wolters (s. Wol-
fenbütteler Straße), das seit 1627 in Braunschweig existiert, und die Brauerei Feld-
schlößchen von 1888 - bis heute die dominierenden Brauereien der Stadt. Ein wichtiger
Industriezweig Braunschweigs waren auch die Raffinerien, die den Rohzucker zahlrei-
cher Zuckerfabriken im Lande weiter verarbeiteten (s. Frankfurter Straße). Ein weiterer,
bedeutender Produktionsbereich war einst die Juteindustrie, die seit 1872 in Braun-
schweig ansässig wurde (s. Spinnerstraße).
Nach der ersten, 1838 in Betrieb genommenen Eisenbahn zwischen Braunschweig und
Wolfenbüttel erschlossen ab den fünfziger Jahren weitere Bahnlinien von Braunschweig
ausgehend das Herzogtum: 1856 wurde die braunschweigische Südbahn, die nach
Kreiensen führte, eröffnet und 1865 bis Holzminden verlängert. In Kreiensen war auch
die Schnittstelle der braunschweigischen Staatsbahn mit der großen Nord-Südlinie Han-
nover-Frankfurt/Main. Zu erwähnen ist weiterhin die in östliche Richtung führende
Strecke nach Helmstedt, 1858 gegründet, sowie die Verbindung Jerxheim-Börßum von
1868, mit der im Ost-West-Verkehr eine Umfahrung Braunschweigs ermöglicht wurde.

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