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Kimpflinger, Wolfgang [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 1, Teil 2): Stadt Braunschweig — Braunschweig, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.44169#0109

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auch zum Sitz der Luftwaffengruppe 2 wurde,
von der der größte Teil der Luftwaffe in Nord-
und Westdeutschland geführt wurde. Die Ge-
bäudegruppe setzt sich aus unterschiedlich ho-
hen Einheiten zusammen, mit einem vierein-
halbgeschossigen, leicht gekrümmten Zentral-
bau in Nord-Südausrichtung, dem nach Osten
ein langgestreckter dreigeschossiger Trakt an-
gebaut ist. Die restlichen Bauten im Westen
gruppieren sich um einen Hof und bestehen
aus einem zweigeschossigen Trakt entlang der
Grünewaldstraße, einem dreigeschossigen auf
der Rückseite des Hofes und aus einem einge-
schossigen Verbindungsbau im Westen entlang
der Herzogin-Elisabeth-Straße, der als Gara-
genbau fungierte. Alle Gebäude sind grau ver-
putzt und liegen unter Walmdächern. Einen be-
sonderen Akzent setzt am Hauptbau das
großzügig entworfene und zum Teil mit figürlich-
farbigen Glasfenstern ausgestattete Treppen-
haus, das am Außenbau mit einem mehrachsi-
gen, farbig abgesetzten Fensterfeld an der
nördlichen Schmalseite des Baues, an dem
sich auch der Haupteingang mit einem pfeiler-
getragenen Vordach befindet, in Erscheinung
tritt. Von der Westseite wird das Treppenhaus
durch einen viergeschossigen, neunachsigen
Fenstererker belichtet. Eine breite Kolonnade
aus Putzpfeilern bildet den Zuweg zum Hof von
der Grünewaldstraße aus. Heute wird der Ge-
bäudekomplex vielfältig genutzt, u.a. als Ver-
waitungs- und Wohnbauten, Schule und
Bücherei.
Dem Komplex sind noch zwei weitere Gebäude
zuzurechnen, die ebenfalls 1936/37 als Wohn-
häuser für Luftwaffenoffiziere am Ostende des
Geländes errichtet wurden (Grünewaldstraße
10 und 11). Es handelt sich hierbei um einge-
schossige, weiß geschlämmte Mauerwerksbau-
ten über L-förmigem Grundriß, deren Entwürfe
von F. W. Kraemer stammen. Hohe, ausgebau-
te Walmdächer mit Dachhäuschen und relativ
kleine Fensteröffnungen verleihen diesen kon-
servativen Architekturen einen behäbigen, land-
hausähnlichen Charakter. Nr. 11 wurde als
Wohnhaus für den Chef des Stabes und Nr. 10
für den Intendanten errichtet.
Der ca. 90 Meter hohe Nußberg bildet auch
heute noch im Osten der Stadt die topographi-
sche Grenze der verdichteten städtischen Be-
bauung des 19.Jh. Sie schob sich in den acht-
ziger und neunziger Jahren von Westen her im-
mer dichter an ihn heran und machte
schließlich mit dem Stadtpark, dem Prinz-Alb-
recht-Park und dem Franzschen Feld dicht vor
ihm halt und bezog ihn in verschiedene städte-
bauliche Planungen mit ein. Bauliche Anlagen
sind auf dem Nußberg heute nur noch rudi-
mentär erhalten, so daß bis auf das Olfermann-
denkmal am Südwesthang des von Nordwest
nach Südost gerichteten Höhenzuges keine
denkmalwerten Objekte mehr zu verzeichnen
sind.
Das 1265 erstmals urkundlich als „Notberch“
erwähnte Hügelgelände weist aber so viele hi-
storische Schichten menschlicher Bearbeitung
vom Mittelalter bis ins 20.Jh. auf, daß das ge-
samte Gelände als denkmalpflegerischer Inter-
essenbereich einzustufen ist. Vom 12. bis zum
19.Jh. diente der Berg in erster Linie als Stein-
bruch für die Massivbauten, vornehmlich der
Kirchen Braunschweigs. 1824 wurden in den

durch die Steinbrucharbeiten entstandenen
Senken des Geländes Schießstände für die
Braunschweiger Garnison angelegt, die heute
noch an etlichen, langgezogenen, vertieften
und von alten Bäumen gesäumten Bahnen zu
erkennen sind. 1935 nutzten die Nationalsozia-
listen das am tiefsten aufgebrochene Gebiet im
Zentrum des Hügels für die Anlage einer Thing-
stätte in der Form eines Amphitheaters. Die
Großform der Anlage mit dreiviertelkreisförmi-
gen Sitzreihen und den Resten des Bühnenauf-
baues ist heute noch zwischen wucherndem
Unterholz und hohen Bäumen zu erkennen.
Ebenfalls aus den dreißiger Jahren dieses Jahr-
hunderts erhalten ist die für Großkundgebun-
gen errichtete Rednerkanzel am Westabhang
des Geländes oberhalb des Franzschen Feldes,
die genau in der Achse der Jasperallee liegt.
Schließlich wurden ebenfalls in den dreißiger
Jahren mehrere Luftschutzstollen in den Berg
getrieben, von denen einer am Ostrand des
Berges parallel zu der dort entlang führenden
Bahnlinie nach Gifhorn/Celle verläuft. Er diente
während des Zweiten Weltkrieges als Schutz-
raum für die Bevölkerung der östlichen Stadttei-
le. In den westlichen Abhang des Berges wur-

den zwei parallele, Ost-West-gerichtete Stollen
getrieben. Sie waren an ihren westlichen Enden
durch einen Gang miteinander verbunden, von
dem ein Treppenhaus zu dem oberirdischen
Beobachtungsbunker führte, der, heute begrünt
und mit einer modernen Wendeltreppe verse-
hen, als Aussichtsturm dient. Im südlichen Stol-
len war die Kreisbefehlstelle der NSDAP unter-
gebracht und im nördlichen die Polizei.
Am Südwestabhang des Nußberges steht, als
weithin sichtbares Säulenmonument, das
Denkmal für Johann Elias Olfermann (1776-
1822). Olfermann führte die braunschweigi-
schen Truppen während der Befreiungskriege
und in der Schlacht bei Waterloo. Das 7,5 Me-
ter hohe Monument besteht aus einer glatten
Sandsteinsäule mit Basis und Kapitell. Sie trägt
einen in Stein gehauenen Aufbau aus Brusthar-
nisch und Helm, flankiert von zwei Fahnen. Den
Unterbau bildet ein viereckiges Postament mit
Inschriften und Waffenemblemen. Das ganze
Denkmal steht erhöht auf einem aus Bruchstei-
nen gemauerten Pyramidenstumpf. Es ist 1832
von Olfermanns ehemaligen Waffenbrüdern er-
richtet worden.



Grünewaldstr. 10, 1936/37, Arch. F. W. Kraemer


Grünewaldstr. 12, ehern. Luftflottenkommando, 1936

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