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Albrecht, Heike [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 26,1): Landkreis Stade: ohne die Städte Stade und Buxtehude — Braunschweig, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.44441#0023
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fen Südkehdingens aus zur Gewinnung von Torf als wichtigstem Brennstoff in der
waldarmen Marsch. So tragen diese gewachsenen Siedlungen meist den Namen des
Marschdorfes mit Zusatz -moor (z.B. Hamelwördenermoor und Ritschermoor).
Die staatliche kurhannoversche Moorkolonisation des 18.Jh., die eng mit dem Namen
des amtlichen Moorkommissars Jürgen Christian Findorff (1720-1792) verbunden ist,
hat den Stader Raum nur am Rande gestreift. Zu den wenigen Projekten gehörte der
Bau eines Kanals zwischen den Wasserläufen Oste und Schwinge, welcher 1783 aller-
dings nur in Teilen vollendet worden ist. Die charakteristische Form eines Moorhufendor-
fes als lineare Reihensiedlung entlang eines Moordammes oder Kanals zeigen Hohen-
moor (1798 gegründet), Frankenmoor (1815 angelegt) und Neulandermoor (um 1800).
Mit Errichtung der Kolonie Groß Sterneberg am südlichen Rand des Kehdinger Moores
endete um 1900 zugleich die planmäßige Moorerschließung.
Die Marschen
Innerhalb der Elbmarschen ist zwischen dem Alten Land südöstlich von Stade und der
nördlichen Kehdinger Marsch zu unterscheiden, welche mit der westlichen Ostemarsch,
die nur in geringem Umfang zum Kreisgebiet zählt, das Kehdinger Moor umschließt. Die
Elbmarschen haben sich im breiten und flachen Urstromtal der Elbe gebildet, das bei
der letzten Kaltzeit (der Weichseleiszeit) ausgeformt worden war, als die anschließend
einsetzende globale Erwärmung zum Abschmelzen großer Eismassen, zum Anstieg des
Meeresspiegels und zur Bildung von Schwemmland führte. Dieser bis heute nicht abge-
schlossene Prozeß der Anschwemmung und Landbildung wird durch menschliche Ein-
griffe, insbesondere Deichbau und Fahrwasservertiefungen weiter beeinflußt.
Da die Besiedlungsgeschichte der Marschen in der Wissenschaft nach wie vor kontro-
vers diskutiert wird, kann hier nur die derzeitig gängige Auffassung wiedergegeben wer-
den. Zudem haben weiterführende archäologische Grabungen speziell in den Elbmar-
schen bisher nur in geringem Umfang stattgefunden.
Die frühe Siedlungsgeschichte ist durch eisenzeitliche Flachsiedlungen gekennzeichnet,
wie sie in Barnkrug und Ritsch ergraben wurden. Diese lagen an den Uferrücken von
Prielen, die die Marschen bis zur Eindeichung zahlreich durchzogen und die Hauptver-
kehrswege darstellten. Im 4./5.Jh. n.Chr. setzte aufgrund höher auflaufender Fluten der
Bau von Würfen ein, die in Nordkehdingen zahlreich überkommen sind, während sie im
Alten Land gänzlich fehlen.
Mit dem hochmittelalterlichen Deichbau erfolgte ein vollständiger Umbau der Naturland-
schaft. Den Beginn dieser - auch als Hollerkolonisation bezeichneten - Siedlungsphase
markiert ein Vertrag zwischen dem Bremer Erzbischof und holländischen Siedlern aus
der Zeit um 1113. Diese Urkunde regelt nicht nur die Landaufteilung, sondern auch die
Rechte und Pflichten der Siedler, die ein bis dato sumpfiges Landstück nördlich von
Bremen zugewiesen bekamen. Innerhalb der Stader Elbmarschen ist eine Mitwirkung
von Holländern beim Landausbau hauptsächlich für das Alte Land nachzuweisen,
während in Kehdingen nur geringe Belege hierfür anzutreffen sind. In den entstandenen
Kolonien ließen sich neben den holländischen Wasserbauexperten aber wohl auch eine
Reihe von sächsischen Bauern nieder. Nach wie vor gegensätzlich diskutiert wird je-
doch die Frage, ob die Holländer seinerzeit eingewandert sind oder bereits hier ansässig
waren.
Auch wenn die überlieferten Quellen keine Auskunft über Beginn und Ablauf dieser
Siedlungsphase sowie die Vollendung der geschlossenen Deichlinien geben, gehen
doch die bisherigen Modelle im allgemeinen von einem intensiven Siedlungsgeschehen
im 12. und 13.Jh. aus. Im Zuge dieser Kolonisation wurden die landeinwärts gelegenen
Flächen, das Sietland, erschlossen, während das bis zu drei Kilometer breite Hochland
der Elbuferlinie schon im frühen Mittelalter recht dicht besiedelt war. Die zwischen bei-
den Landstrichen bestehenden Höhenunterschiede von bis zu zwei Metern gehen auf
eine unterschiedliche Bodensenkung infolge der Entwässerung zurück, die durch ver-
schiedenartige Inhaltsstoffe zu erklären ist: die tonigen Böden des Sietlandes sackten
stärker als die sandigen und kalkhaltigen Böden des küstennahen Hochlandes und lie-
gen heute teilweise unter NN.
Die charakteristischen Merkmale der Hollerkolonien sind Marschhufensiedlungen mit ei-
ner linearen Anordnung der Gehöfte, sorgfältig vermessene, streifenförmige Wirtschafts-
flächen, ein künstlich angelegtes Entwässerungssystem, bestimmte Vorrechte gegen-

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