Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Albrecht, Heike [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 26,1): Landkreis Stade: ohne die Städte Stade und Buxtehude — Braunschweig, 1997

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44441#0144
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
befestigte Chaussee zwischen Freiburg und
Stade fertiggestellt worden, hierzu parallel fuhr
in den Jahren 1899 bis 1930 eine Kleinbahn,
die auch die westlichen Landesteile Kehdingens
erschloß. Weitgehend gut erhaltene bauliche
Dokumente dieser Phase sind das Amtsgericht
(um 1855), das alte Postgebäude (erb. um
1877) und die Amtsrichterwohnung (erb.1898).
Andere Objekte wie der Bahnhof (erb. 1900),
das ehemalige Zollamt (erb. um 1910) und das
Krankenhaus von 1913 sind jedoch tiefgreifend
verändert worden.
Mit Gründung des Kreises Stade verlor Freiburg
1932 weitgehend seinen bevorzugten Status,
aber noch heute erfüllt es insbesondere für
Handel und Handwerk zentrale Aufgaben im
nördlichen Landkreisgebiet. Seit 1970 nimmt
Freiburg zudem die Verwaltungsaufgaben der
aus fünf Gemeinden bestehenden Samtge-
meinde Nordkehdingen wahr.
Freiburg zeichnet sich durch eine einmalige La-
ge auf einer nierenförmig ausgebildeten, bis zu
einer Höhe von 4,50 Meter über NN aufge-
schütteten Ortswurt aus. Sie ist aufgrund ihrer
außergewöhnlichen Bedeutung in den Grenzen
Am alten Hafen, Neue Straße, Elbstraße,
Hauptstraße, Blumenstraße und Gartenstraße
einschließlich der Straßenflächen als Gruppen-
denkmal ausgewiesen.
Dieses Areal entspricht in etwa dem schon 1767
besiedelten Bezirk, wie ihn die Kurhannoversche
Karte zeigt. In dieser räumlichen Enge kamen als
Erwerbszweige nur Handel und Gewerbe in Zu-
sammenhang mit der Schiffahrt in Betracht, für
Landwirtschaft gab es kein Ackerland.
Die vermutlich im 12.Jh. von Süden und We-
sten unmittelbar angeschlossenen Deich-
strecken sind ebenfalls als schützenswerte
siedlungsgeschichtliche Zeugnisse zu bewer-
ten. Erst seit den 1962 begonnenen und 1978
vollendeten Küstenschutzmaßnahmen wird nun
auch das historische Zentrum Freiburgs durch
eine Deichlinie und ein Sperrwerk abgeschirmt.

Erschlossen wird das historische Zentrum
durch den vom südlichen zum westlichen Orts-
zugang bogig geführten Straßenzug der Haupt-
straße, die auf einer Länge von etwa 300 Me-
tern die Geschäftsachse bildet und die Kirche
mit ihrem Platzraum tangiert. Dieser stellt einen
wirksamen Kontrast zu der engen straßenbe-
gleitenden Gebäudereihung dar. Nördlich paral-
lel verläuft die „Neue Straße“, welche bis in die
jüngste Zeit die Bebauungsgrenze bildete. Bei-
de Straßenzüge werden durch eine dichte Ab-
folge schmaler Gassen verbunden, deren klein-
teilige Parzellierung und enge Bebauung auffällt.
Eine etwas großzügigere Struktur mit einem un-
regelmäßigen Wegenetz hat sich an der Gar-
ten- und Blumenstraße südlich der Hauptstraße
entwickelt; hier bestimmt eine lockere Gebäu-
destellung das Bild.
Erst mit der Eingemeindung der bis dahin
selbständigen Gemeinden Allwörden und Schö-
neworth 1927 kamen auch die beiden unmittel-
bar südlich an die Wurf: grenzenden und eben-
falls schon im 18.Jh. besiedelten Straßenzüge
Hühnerhörne und Neuensteden zu Freiburg.
Auf dem südlichen Marschland, das sich an
diese Straßen anschließt und die einzige Mög-
lichkeit einer Ortserweiterung im ausgehenden
19,Jh. bot, entstanden zunächst der Friedhof
und die westliche Bahnhofstraße. Mittlerweile
sind sowohl auf den dazwischenliegenden Frei-
flächen wie auch in Schöneworth und Neuen-
steden Einfamilienhausgebiete gewachsen.
Die nach einem Ortsbrand 1796 und der
Sturmflut von 1825 durchweg erneuerte Bau-
substanz Freiburgs ist durch kleine, meist gie-
belständige, nur durch schmale Traufgänge
voneinander getrennte Bürgerhäuser charakte-
risiert, deren meist symmetrisch gegliederten
Fassaden eine Fensteranordnung in der Staffe-
lung von 5-3-1 zeigen. Die wenigen, nach 1850
entstandenen Traufenhäuser werden fast immer
durch einen mittigen Zwerchgiebel betont (u.a.
Hauptstraße 15, 25, 55). Als Baumaterialien tre-
ten sowohl Backstein als auch Fachwerkkon-
struktionen in Verbindung mit pfannengedeck-

Freiburg, Hauptstraße 32, Ev. St. Wulphard Kirche, 1838, Innenraum


ten Satteldächern auf. Vielfach gut erhalten sind
die zweigeteilten Haustüren mit unterschiedli-
chen Schmuckformen in den Oberlichtern (be-
sonders Hauptstraße 72 und Elbstraße 3). Er-
gänzt werden die Hausstellen durch kleine Ne-
bengebäude in den rückwärtigen Grundstücks-
teilen.
Im Zentrum der Ortswurt erhebt sich auf dem
erhöhten Standort des durch die Sturmflut von
1825 stark beschädigten Vorgängerbaus - ei-
ner romanischen Basilika des 12.Jh. - die Ev.
St. Wulphard Kirche. Es handelt sich um einen
spätklassizistischen Backsteinsaal mit einem al-
les überragenden, weithin sichtbaren Dachrei-
ter, der 1838 nach den Plänen des Stader Bau-
conducteurs Ernst Heinrich Blohm ausgeführt
wurde (Hauptstraße 32). Den sparsam deko-
rierten Außenbau gliedern breite Rundbogen-
fenster und ein in Kämpferhöhe herumgezoge-
nes Backsteingesims. Der einheitlich gestaltete
Innenraum ist durch eine umlaufende Empore
mit integriertem Kanzelaltar bestimmt, den
gleichfalls E. H. Blohm entworfen hat. Darüber
spannt sich eine flache, in kräftigen Farben be-
malte Voutendecke. Die auf der Westempore
errichtete Orgel von 1838 soll Teile einer Vor-
gängerin enthalten.
Die überwiegend eingeschossigen Giebelhäu-
ser der Hans-Mügge-Straße, die den nördli-
cher Abschluß des Kirchplatzes bildet, fügen
sich zu einem geschlossenen Erscheinungsbild
zusammen. Bei den denkmalwürdigen Bauten
handelt es sich um Fachwerkbauten aus der
Zeit um 1870 mit vorgeblendeten Backsteingie-
beln (Nm. 11 und 19). Bei letzterem deuten
das doppelt breite Fenster im Erdgeschoß und
die mittige Luke im Obergeschoß auf eine
frühere gewerbliche Nutzung (erb. 2. Hälfte
19.Jh.). Das zweigeschossige und nur drei Ach-
sen breite Bürgermeister-Jacob-Mügge-Haus,
Nr. 11, ist darüber hinaus von ortsgeschichtli-
chem Interesse. Jacob Mügge war zwischen
1923 und 1937 Bürgermeister, sein Sohn Hans
übereignete das Gebäude 1954 der Gemeinde.
Als südliche Begrenzung des Kirchplatzes be-
sitzt der breitgelagerte zweigeschossige Fach-
werkbau Hauptstraße 25 straßenraumprägen-
den Charakter. Beachtenswert sind die kleintei-
ligen Fenster des Obergeschosses in dem
mehrfach erweiterten, in seinem Kern aber
noch in die Mitte des 18.Jh. zurückreichenden
Gasthof. Benachbart steht das wohl älteste
Haus Freiburgs, das sogenannte Organisten-
haus von 1670. Der Fachwerkgiebel zeigt drei
vergleichsweise geringe Vorkragungen, von de-
nen die beiden untersten von profilierten Knag-
gen unterstützt werden (Nr. 27).
An die Zeit der hannoverschen Herrschaft erin-
nert der ungemein mächtige zweigeschossige
Backsteinbau Hauptstraße 31, in dem das
1852 gegründete Amtsgericht untergebracht
war. Die Flächigkeit der Fassade wird nur durch
wenige, die Symmetrieachse betonende rund-
bogige Fensteröffnungen und horizontal umlau-
fende Backsteingesimse aufgelockert. Dominie-
rendes Gestaltungselement ist das über dem
Eingang angeordnete Drillingsfenster mit Werk-
steinsäulen, das wie die übrigen Obergeschoß-
fenster auch von einem Bogenprofil begleitet
wird. Das um 1855 erbaute und kürzlich reno-

140
 
Annotationen