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Die Gartenkunst — 4.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.22266#0047

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88

DIE GARTENKUNST

IV, 2

[sl der Schuldner vor seiner Auftragerteilung über die
Höhe des Stundenlohnes etwa durch Offerten, deren Kopie
man erbringen kann, oder mündliche Mitteilungen, über die
Zeugenaussage vorhanden ist, informiert worden, so ist auch
dieser Einwand seinerseits vergeblich.

Ist der Auftraggeber jedoch nic ht informiert, so würde
das Gericht Sachverständige zu Rate ziehen, deren Aufgabe
es wäre, ihr diesbezügliches Votum abzugeben.

Mafsgebend wäre in diesem Falle der ortsübliche oder
usancemäfsige Lohnsatz,

Vielfach überlälst das Gericht jedem Streitenden, einen
Sachverständigen vorzuschlagen.

Sind die Aussagen beider Sachverständigen überein-
stimmend, so sind dieselben für das Gericht ausschlaggebend,
und es wird demgemäfs das Urteil gefällt und dem völlig
unterliegenden Teile die ganze Gerichtskostensumme und das
Honorar beider etwaigen Anwälte zu zahlen auferlegt. Hei
geringeren Verschiedenheiten der Aussagen steht es dem
Richter zu, durch ein sogenanntes Salomonisches Urteil die
Angelegenheil zu erledigen, d. h. der Richter nimmt das in
der Mitte beider Aussagen liegende als das Richtige an und
legt infolgedessen dem einen oder anderen mehr oder weniger
Kosten auf, wobei gewöhnlich jeder Streitende seinen Anwalt
ZU bezahlen hat.

Gehen die Aussagen der Sachverständigen weit auseinander,
so sind sie beide hinfällig, und es wird ein Obergutachter
gewählt, den meistens das Gericht bestimmt, dessen Aussage
entscheidet dann allein.

Schwieriger gestaltet sich die Aufgabe der Sachverstän-
digen, sowie die Lage des ausführenden Fachmannes bei im
Akkord ausgeführten Arbeiten und bei Pflanzenlieferungen.

Zeichnungen, Pläne, Modelle. Erläuterungsberichte und
(Hielten sind fast niemals derartig auszuführen und abzufassen,
als dal's sie nicht eine verschiedenartige Auffassung zulassen
könnten; zu bewegende Erdmassen sind bei Gartenanlagen
niemals so genau anzugeben, als dals nicht Abweichungen
eintreten könnten; auch ist später die geleistete Arbeit nicht
immer festzustellen. Gelieferte Pflanzungen pflegen stets
zuerst in ihrem Aussehen zu verlieren.

Am meisten verlockend für böswillige Schuldner ist ge-
wöhnlich die Gewährung von weitgehenden Zahlungsbedin-
gungen, weil sie auf diese Weise, womöglich noch im Besitze
der Gesamtsumme, durch Bemängelung der Leistung ihren
Gläubiger zu Verzichtleistungen seiner teilweisen Ansprüche
zu nötigen suchen.

Sind Ratenzahlungen abgemacht, so liegt die Möglichkeit
eines Prozesses weit ferner, weil der Gewinn des Schuldners
bei einem Prozesse dann viel schwieriger ist und er eine
Sistierung der Arbeiten zu befürchten hat.

Es würde min die Aufgabe des ausführenden Fachmannes
sein, sich durch mögliehst genaue Angabe seiner Leistungen
vor Mifshelligkeiten ZU schützen, sowie durch Zeugen, Belege
und Geschäftsbücher seine Lieferungen und Arbeiten dar-
zuthun.

Die herbeigerufenen Sachverständigen, die ja auch hier
wie in der vorhin geschilderten Weise herangezogen werden,
hätten an der Hand der Offerten, Zeichnungen etc. ihre Aus-
sagen dementsprechend abzugeben.

Ks würden also Lieferungen und Leistungen in der Weise,
wie sie in den Offerten beschrieben, zu bewerten oder bei
ihrem Kehlen in Abzug zu bringen sein, ganz gleichgültig
ob sie jemand anders teurer oder billiger herstellen würde.

Ist irgend etwas Streitiges aus den erwähnten Hilfs-
mitteln nicht genau zu ersehen, so hat der Sachverständige

nach seiner fachmännischen Überzeugung zu urteilen, wobei
jedoch der Preis für die Lieferung zu berücksichtigen ist.

Es würde also bei einer sehr billigen Lieferung keine
erste Qualität zu verlangen sein, wenn dieses nicht ausdrück-
lieh abgemacht ist; umgekehrt würde man von einem renom-
mierten Künstler keine besonders billige Arbeit vorauszusetzen
haben.

Baumschulkatalogpreise würden nicht immer malsgebend
sein, da Pflanzungen nur als das Material eines Kunstwerkes
gelten können, wobei die künstlerische Anordnung erst den
Weit ausmacht, ebenso wie bei einem Gemälde oder einer
Statue nicht die Quantität der Farbe oder des Marmors wert-
bestimmend ist.

Sehr schwierig ist die Aufgabe des Sachverständigen bei
technischen Arbeiten und künstlerischen Darstellungen, da das
.1 und l> für solche Fidle, die Gebührenordnungen, noch nicht
allgemein anerkannt und teilweise noch nicht vollständig
durchführbar sind.

Es wäre also besonders wünschenswert, dal's der Verein
deutscher Gartenkünstler es sich angelegen sein Heise, diese
sowie die Angelegenheit der Geschäftsbedingungen als allseitig
mafsgebend und übersichlich zu regeln.

Mit besonderer Freude ist zu begrül'sen, dal's in letzterer
Zeit hervoragende Autoritäten, wie die Herren Gartenbau-
direktoren Bertram, Encke, Trip und andere mehr, sich auch
mit der Lösung dieses Problems beschäftigen.

Vorläufig bliebe nur übrig, besonders tüchtige Spezialfach-
leute für die Abgabe ihres Urteiles bei Streitfragen zu ver-
nehmen und ihrem speziellen Gutachten die Entscheidung an-
heim zu stellen, was ja allerdings recht verschiedenartige und
von einander abweichende Resultate zeitigen würde; hoffen
wir daher auf eine recht baldige Regelung.

Zum Schlüsse meiner Abhandlung möchte ich noch darauf
hinweisen, dafs es aus den angeführten Gründen sich für
Sachverständige sehr empfiehlt, mit denen des etwaigen Gegners
eine Übereinkunft zu treffen und sie für die eigene Ansicht
zu gewinnen und zu überzeugen suchen.

Mein sehnlichster Wunsch ist jedoch, dal's alle Prozesse
erspart bleiben.

Schema für die Arbeit eines Sachverständigen in der
Landschaftsgärtnerei bei gerichtlichen Angelegen-
heiten, im Falle ein solcher vom Verein deutscher
Gartenkünstler vorgeschlagen oder bestimmt wird.*)

5j 1. Zu Sachverständigen zu erwählen sind renommierte
Spezialfachleute, die in geordneten Verhältnissen leben und
keiner der Parteien als unmittelbare Konkurrenten gegenüber-
stehen, weiler mit ihnen in offenbarer Feindschaft leben noch
von ihnen abhängig sind.

s; '_!. Der erwählte Sachverständige hat alle mit in Betracht
kommenden Haupt- und Nebenumstände genau zu prüfen und
sich über das etwaige Terrain an der Band des Nivellements,
der Zeichnungen etc. zu orientieren.

s: 3. Mit möglicherweise erwählten Sachverständigen der
Gegenpartei ist zu verhandeln, ihre sachlich begründeten An-
sichten sind zu berücksichtigen, über Nichtstichhaltiges oder
Irrtümer sind dieselben thunlichst aufzuklären, besonders ist
aber bei zweifelhaften, unergründlichen und unberechenbaren
Fällen, wenn irgend möglich noch vor der Gerichtsverhandlung,
ein Übereinkommen zu treffen, weil im andern Falle die beider-
seitigen Wertschätzungen hinfällig sein könnten.

*) Ks ist Dicht <li<> Absicht «los Verfassers nachstehendes etwa als
mafsgebend hinstellen zu wollen, derselbe ist nur willens, einen Versuch
y.u einem Vorschlage iu bestimmterer Richtung zu macheu.
 
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