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Die Gartenkunst — 4.1902

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Zimmermann, Wilhelm: Die königlichen Gärten Oberbayerns in kunstgeschichtlicher und kritischer Betrachtung, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22266#0194

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IV, 11

DIE GARTENKUNST

18»

Deutsche Gärten in Wort und Bild.

Die königlichen Gärten Oberbayerns in kiinstgeschicht-
licher und kritischer Beleuchtung

von W. Zimmermann,

weiland kgl. bayer. Hofgärten-Ingenieur,
bearbeitet und herausgegeben
von

J. Trip, Stadtgarten-Direktor in Hannover,
und

H. Schall, kgl. Bofgärten-Ingenieur in München.
(Fortsetzung.)
(Hierzu 5 Ansichten.)

Ganz anders liegt die Sache bei der Architektur und
den an diese angegliederten Schmuckgärtchen. Da treten
Farben und Formen so selbstverständlich und energisch
in Krscheinung. dafs sie unmöglich übersehen werden
können, vielmehr die Blicke gerade auf sich konzentrieren.
Nur um sich an dem Kontraste zwischen der Fülle von
geschmackvoll arrangierten Kunstobjekten mit dem gegen-
überstehenden Extrem, der unberührten Natur dieser Höhen,
zu weiden, fliegt der Blick gern zu den fernen in blauen
zarten Dunst dämmernden Bergwäldern hinüber.

Die Wege sind trotz der ineist sehr steilen Terrain-
anlage bequem und von sehr gefälligen Linien. Die so-
wohl an den Terrassen als auch am Kiosk angewendeten
symmetrischen Rampenanstiege in null- oder achtförmigen
Schleifen werden dagegen nicht befriedigen. Für architek-
tonische Formen zu weichlich, für ungezwungene zu regel-
mäfsig, fallen sie infolge ihrer schrägen Laue am Berg-
abhang aus der Ferne überblickbar. geradezu störend auf.

Technisch sind diese Wege in den Kalkalpen bei
sorgsamer Pflege unübertrefflich, da das in jeder Gestalt
des Korns vorhandene Schottermaterial noch scharfkantige,
prismatische Gestalt im Gegensatz zu den runden Kieseln
der Ebene besitzt, und die feinsten Teile einen cement-
artigen Verband der Oberfläche herstellen.

Glänzend zeigl sieh Effners Meisterschaft bei An-
wendung der dem Rokoko entnommenen Motive in den
kleinen seitlich vom Schlosse und auf den Terrassen an-
geordneten regelmälsigen Gärtchen. Auf die beigegebenen
Pläne und Ansichten bezugnehmend, sei nur kurz erwähnt,
dafs die durch ungleiche Terrainlage erleichterte Mannig-
faltigkeit der Seitengärtchen an phantasievoller Gestaltung
und Ausschmückung ihresgleichen sucht. (Die Hecken-
wände erfuhren leider nachträglich ohne Effners Wissen
eine störende Erhöhung.)

Im übrigen stehen diese Lauben, Figuren. Treillagen,
Fontänen etc. in vollendetem Ebenmafs zu der Gröfsen-
einteilung der Flächen.

Reizend und wohlgelungen sind ferner die kleinen
Parterres sowohl an der grofsen Linde als besonders auf
der grofsen Hauptterrasse, während die der oberen Platt-
form anspruchslosere Formen zeigen.

Der unmittelbare Vordergrund vor dem Schlosse an
der riesigen Fontäne weist sehr hübsche Einteilung und
reiche künstlerische Ausstattung auf.

Die Gartenkunst.

Die vom Schlosse auf- wie absteigenden Treppen
wechseln in reichen Formen ihre Gestaltung und Gliederung.
Viele Marmorstatuen (meist von Hautmann) schmücken
die symmetrischen Gartenteile. Von Wagmüllers herrlichen
Werken ist die Neptunsgruppe bereits erwähnt. Die
Löwen und der Nixenbrunnen, sämtlich in Zinkgufs, reihen
sich ihr würdig an. Auf den Balustraden der Treppen
und Stützmauern ist eine erstaunliche Fülle von wunder-
vollen Vasen aufgestellt, die teils lediglich durch ihre
edlen Formen und schönen Reliefs das Auge erfreuen, teils
mit Lorbeer. Phormium. Yucca, Agapanthus etc. besetzt,
den Reichtum des Bildes erhöhen.

Hier an den Terrassen tritt die ungezähmte Natur zur
phantasievollen Schmuckarchitektur durch freies Zurück-
treten nackter Felsenmassen mit Knieholz und Alpenrosen-
gebüsch in doppelt wirksamen Gegensatz.

Viel ist über das sogenannte Geheimnis des Linder-
hofes, seine Grotte, einstmals fabuliert und jetzt, nach ge-
stattetem Besuche, geschrieben worden.

Effner hat die Ideen für ihre Gestaltung gegeben.
Architekten haben sich an der wahrlich ungewöhnlichen
Konstruktion der die 1 »ecke tragenden Gewölbe bemüht,
und endlich hat der bei solchen Bauten einst grofsen
Ruf genielsende August Dirigl den Innenausbau in den
Jahren 1876—77 meisterhaft ausgeführt.

Ks wurde damit begonnen, durch erhebliche Aus-
grabungen im Bergabhange die Situation zu schaffen;
dann errichtete man eigenartig geformte Mauermassen und
Pfeiler mit schief verschobenen Gewölben, deren schwierige
Konstruktionen Haumeister Steinbrecher von Haid-
hausen ersann. In dieses solide Gerippe sind mannig-
fach gebogene staike Eisenschienen in phantastischer
Gestaltung und Biegung eingelassen. An diesen Trägern
wurde Drahtgewebe in den gewünschten irregulären
Formen geheftet und hieran der Cemeutverputz in sehr
flüssigem Zustande angefügt. Dies ist ungefähr das
Rezept, zu dein noch mannigfache technische Einzelheiten
hinzukommen. (Das Rezept für die Formgebung ist
in grofsen Felsenbauten der Natur zu ergründen.) Um
der wieder ganz mit Erde überdeckten Höhle wegen der
enormen Feuchtigkeit Haltbarkeit und Bestand zu sichen.
wurden sieben in Seitenklüften verborgene Ofen aufge-
stellt, die Sommer und Winter eine wahre Unersättlichkeit
zeigten.

Durch ein wuchtiges Felsenthor, in dessen Wölbung
alte Buchen ihre Wurzelkrallen schlagen, gelangen wir in
eine etwa 6 m breite Vorhühle. deren Sohle zwischen
mächtigen Steinblöcken. Ansätzen von Stalagmiten und
grofsen Felsvorsprüngen allmählich gegen das Innere abfällt.
Nach etwa 30 Schritten erweitert sich dieser ungleich
nach oben sich verengende Felsenspalt zu einem mächtigen,
10 m hohen Höhlenraume, dessen Wände ein so ungleich
gestaltetes Vor- und Zurücktreten zeigen, dafs sich von
jedem Standpunkte aus neue Formen und Gestaltungen
darbieten. Der Boden weist ebenfalls grofse Ungleichheit

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