DIE GARTENKUNST
2]
Deutsche Gärten in Wort und Bild.
Die königlichen Gärten Öberbayerns in knnstgeschicht-
lieher und kritischer Beleuchtung
von W. Zimmermann,
w eiland kgl. bayer. Hofgarten-Ingenieur,
bearbeitet und herausgegeben
von
J. Trip, Stadtgarten-Direktor in Hannover,
und
II. Schall, kgl. Hofgärten-Ingenieur in München.
(Fortsetzung )
(Hierzu 3 Abbildungen.)
Ungleich weniger Interesse als Nymphenburg kann uns
Schleifsheini
abgewinnen, da es hier nie einen annähernd fertigen Zu-
stand gab und noch mehr, da trotz aller l'lamiiälsigkeit
und Gröfse der ungeheure Summen verschlingenden Garten-
anlagen die Komposition der Hauptscenerie vor dein
Schlosse nicht so harmonisch wirkt, wie es anderen Ortes
(z. B. in Nymphenburg) erreicht wurde.
Darüber wird keine mit Aufwand noch so grofser Mittel
durchgeführte Eleganz der Unterhaltung hinweghelfen.
Andererseits ist Schleifsheim aufserordentlich besuchens-
wert, da sein Garten wohl ziemlich vereinzelt dasteht mit
dem beibehaltenen resp. rekonstruierten Parterre de com-
partiments in der riesigen Ausdehnung von mehr als 4 ha.
welches von der Gallerie aus einen selten gebotenen und
immerhin freudig überraschenden Anblick gewährt.*)
Anfänglich fehlten, wie alte Stiche zeigen, die an den
Böschungsrändern sich hinziehenden Kastanienalleen, welche
das Mittelparterre von den seitlichen trennen, und mufs
das Verhältnis von Breite und Tiefe dieser ungeheuren,
freien Gesamtfläche noch weit, weit ungünstiger gewesen
sein als jetzt, da die mächtigen Bäume die Mittelpartie
flankieren.
Im ausgedehnten Park tritt uns. ganz besonders in
den einsamen, schönen Lindenalleen mit der Rasenbahn an
Stelle der Wege, der ganze Zauber des ehrwürdigen Alters
eines nach kurzem Jugendrausch von Glanz und Freude
nun vergessenen und verlassenen Gartens entgegen. Hier
finden wir uns mehr als in anderen Renaissancegärten in
eine uns fremd gewordene Kulturperiode versetzt.
Für uns kann bei der kurzen Besprechung des Gartens
nicht das ein höheres Alter aufweisende „alte Schlots"
mit den vielen seinerzeit im Walde verborgenen Kapellen
in Betracht kommen, das Herzog Wilhelm V. 1597 sich
zu stillem Aufenthalt erbaute, sondern lediglich die Bauten
und Gartenanlagen Max Emanuels.
Als besonders eigenartig für die Entstehung des Ganzen
dürfte hervorzuheben sein, dafs vor Erbauung des grofsen
Schlosses zunächst Lustheim mit seinen beiden Seiten-
pavillons 1684—1700 als „neues Schlöfschen" dem alten
* Bei der Grofeenaagabe Wörde» die beiden seitlichen Hochparterre!
pin.be griffen.
Die Gartenkunst.
entfernt gegenüber errichtet wurde. Der beide Schlofs-
bauten verbindende grofse Garten mit dem Schwerpunkt in
Lustheim war also gewissermafsen umgekehrt, wenn auch
mit der gleichen Hauptachse des jetzigen Gartens gedacht.
Besonders das prunkvolle, runde Parterre und die sich hier
vereinigenden stattlichen Zufahrtsalleen machten Lustheim
zum dominierenden Mittelpunkt des Gartens.
Doch bald sollte sich dieses Verhältnis ändern.
Im Jahre 1700 reiften die seit etwa 5 Jahren be-
triebenen Vorarbeiten für die projektierte grofse Gallerie
(neues Schlofs), wolche infolge der schwankenden politischen
Aussichten des Kurfürsten mit stets wechselnden Chancen
für die Verwirklichung zu kämpfen hatten, bis endlich
1701 der Grundstein zum Bau zwischen Lustheim und dem
alten Schlofs. nahe dem letzteren, gelegt wurde.
Der Garten hatte sich inzwischen eifriger Förderung
zu erfreuen, und es störte auch die neu gegebene Situation
den Portgang der alten Arbeiten nur in den vorderen
Teilen des Gartens, wo es galt, die einstige Hauptpartie
bei Lustheim (s. Abbild. S. 22) durch Gröfsenentwickelung
und Aufwand von Prunk in den Parterres zu überbieten,
was sich bei der umgeheuren Ausdehnung der neuen
Gallerie (335 m) und der ihr vorgelagerten Flächen sozu-
sagen von selbst ergab.
Schon in dem Jahre 1696 war es gelungen, die enorme
Arbeit der Herstellung der zu- und ableitenden Kanäle von
Schwabing nach Lustheim sowohl als auch von Allach
nach Schleifsheim und von hier zum Amperflusse bei
Dachau in meilenlanger Ausdehnung zu bewältigen. Auch
war 1700 sowohl die Umfassungsmauer um den 80 ha
grofsen Garten als auch die Pflanzung der Hecken und
Alleen im allgemeinen fertig.
Aber wie in Nymphenburg trat auch hier 1704 der bis
zur Rückkehr des Kurfürsten in sein Stammland dauernde
Stillstand aller Arbeiten ein. Auch hier war der Schaden,
den diese Unterbrechung und das Fehlen aller Pflege des
Geschaffenen mit sich brachte, schier unheilbar.
Erst 1715 begann neues Leben im Garten und auch
in dem kaum im Rohbau unter Dach gebrachten Schlosse.
Der bereits mehrfach erwähnte Joseph Effner ging rüstig
an den Aufbau der Gallerie. deren wundervolle Innen-
ausstattung vornehmlich ihm zu danken ist.
Im Garten finden wir Girard wieder.
Die Mittelachse, welche ursprünglich durch eine lange
Maille-Bahn gebildet war. auf welcher der Kurfürst seinen
Ball mit viel bewunderter Kraft und Gewandtheit schlug,*)
zeigt jetzt den verlängerten Wasserkanal, von 32 Spring-
strahlen beiderseits flankiert, mit der von Effner begonnenen
Marmorkaskade, deren Vollendung leider ebenso unterblieb.
•) Maille war ein früher beliebtes Spiel, ilas darin bestand, auf der
Spielbahn, die ebenfalls Maille hiefs, Holz.kngeln mittelst eines Kolbens
nach (h in Zie le hiu/.utreihen. Die Balm soll, in der Mitte der Hauptavenue
gelegen, uwprtngUch IM0 Benritte lang gewesen sein. Behufs Anlag.'
der Kaskade wurde sie verkürzt und war 17» nur in.dir «70 Sehritte
lang (Mayerhofen SchleiGriieta),
2]
Deutsche Gärten in Wort und Bild.
Die königlichen Gärten Öberbayerns in knnstgeschicht-
lieher und kritischer Beleuchtung
von W. Zimmermann,
w eiland kgl. bayer. Hofgarten-Ingenieur,
bearbeitet und herausgegeben
von
J. Trip, Stadtgarten-Direktor in Hannover,
und
II. Schall, kgl. Hofgärten-Ingenieur in München.
(Fortsetzung )
(Hierzu 3 Abbildungen.)
Ungleich weniger Interesse als Nymphenburg kann uns
Schleifsheini
abgewinnen, da es hier nie einen annähernd fertigen Zu-
stand gab und noch mehr, da trotz aller l'lamiiälsigkeit
und Gröfse der ungeheure Summen verschlingenden Garten-
anlagen die Komposition der Hauptscenerie vor dein
Schlosse nicht so harmonisch wirkt, wie es anderen Ortes
(z. B. in Nymphenburg) erreicht wurde.
Darüber wird keine mit Aufwand noch so grofser Mittel
durchgeführte Eleganz der Unterhaltung hinweghelfen.
Andererseits ist Schleifsheim aufserordentlich besuchens-
wert, da sein Garten wohl ziemlich vereinzelt dasteht mit
dem beibehaltenen resp. rekonstruierten Parterre de com-
partiments in der riesigen Ausdehnung von mehr als 4 ha.
welches von der Gallerie aus einen selten gebotenen und
immerhin freudig überraschenden Anblick gewährt.*)
Anfänglich fehlten, wie alte Stiche zeigen, die an den
Böschungsrändern sich hinziehenden Kastanienalleen, welche
das Mittelparterre von den seitlichen trennen, und mufs
das Verhältnis von Breite und Tiefe dieser ungeheuren,
freien Gesamtfläche noch weit, weit ungünstiger gewesen
sein als jetzt, da die mächtigen Bäume die Mittelpartie
flankieren.
Im ausgedehnten Park tritt uns. ganz besonders in
den einsamen, schönen Lindenalleen mit der Rasenbahn an
Stelle der Wege, der ganze Zauber des ehrwürdigen Alters
eines nach kurzem Jugendrausch von Glanz und Freude
nun vergessenen und verlassenen Gartens entgegen. Hier
finden wir uns mehr als in anderen Renaissancegärten in
eine uns fremd gewordene Kulturperiode versetzt.
Für uns kann bei der kurzen Besprechung des Gartens
nicht das ein höheres Alter aufweisende „alte Schlots"
mit den vielen seinerzeit im Walde verborgenen Kapellen
in Betracht kommen, das Herzog Wilhelm V. 1597 sich
zu stillem Aufenthalt erbaute, sondern lediglich die Bauten
und Gartenanlagen Max Emanuels.
Als besonders eigenartig für die Entstehung des Ganzen
dürfte hervorzuheben sein, dafs vor Erbauung des grofsen
Schlosses zunächst Lustheim mit seinen beiden Seiten-
pavillons 1684—1700 als „neues Schlöfschen" dem alten
* Bei der Grofeenaagabe Wörde» die beiden seitlichen Hochparterre!
pin.be griffen.
Die Gartenkunst.
entfernt gegenüber errichtet wurde. Der beide Schlofs-
bauten verbindende grofse Garten mit dem Schwerpunkt in
Lustheim war also gewissermafsen umgekehrt, wenn auch
mit der gleichen Hauptachse des jetzigen Gartens gedacht.
Besonders das prunkvolle, runde Parterre und die sich hier
vereinigenden stattlichen Zufahrtsalleen machten Lustheim
zum dominierenden Mittelpunkt des Gartens.
Doch bald sollte sich dieses Verhältnis ändern.
Im Jahre 1700 reiften die seit etwa 5 Jahren be-
triebenen Vorarbeiten für die projektierte grofse Gallerie
(neues Schlofs), wolche infolge der schwankenden politischen
Aussichten des Kurfürsten mit stets wechselnden Chancen
für die Verwirklichung zu kämpfen hatten, bis endlich
1701 der Grundstein zum Bau zwischen Lustheim und dem
alten Schlofs. nahe dem letzteren, gelegt wurde.
Der Garten hatte sich inzwischen eifriger Förderung
zu erfreuen, und es störte auch die neu gegebene Situation
den Portgang der alten Arbeiten nur in den vorderen
Teilen des Gartens, wo es galt, die einstige Hauptpartie
bei Lustheim (s. Abbild. S. 22) durch Gröfsenentwickelung
und Aufwand von Prunk in den Parterres zu überbieten,
was sich bei der umgeheuren Ausdehnung der neuen
Gallerie (335 m) und der ihr vorgelagerten Flächen sozu-
sagen von selbst ergab.
Schon in dem Jahre 1696 war es gelungen, die enorme
Arbeit der Herstellung der zu- und ableitenden Kanäle von
Schwabing nach Lustheim sowohl als auch von Allach
nach Schleifsheim und von hier zum Amperflusse bei
Dachau in meilenlanger Ausdehnung zu bewältigen. Auch
war 1700 sowohl die Umfassungsmauer um den 80 ha
grofsen Garten als auch die Pflanzung der Hecken und
Alleen im allgemeinen fertig.
Aber wie in Nymphenburg trat auch hier 1704 der bis
zur Rückkehr des Kurfürsten in sein Stammland dauernde
Stillstand aller Arbeiten ein. Auch hier war der Schaden,
den diese Unterbrechung und das Fehlen aller Pflege des
Geschaffenen mit sich brachte, schier unheilbar.
Erst 1715 begann neues Leben im Garten und auch
in dem kaum im Rohbau unter Dach gebrachten Schlosse.
Der bereits mehrfach erwähnte Joseph Effner ging rüstig
an den Aufbau der Gallerie. deren wundervolle Innen-
ausstattung vornehmlich ihm zu danken ist.
Im Garten finden wir Girard wieder.
Die Mittelachse, welche ursprünglich durch eine lange
Maille-Bahn gebildet war. auf welcher der Kurfürst seinen
Ball mit viel bewunderter Kraft und Gewandtheit schlug,*)
zeigt jetzt den verlängerten Wasserkanal, von 32 Spring-
strahlen beiderseits flankiert, mit der von Effner begonnenen
Marmorkaskade, deren Vollendung leider ebenso unterblieb.
•) Maille war ein früher beliebtes Spiel, ilas darin bestand, auf der
Spielbahn, die ebenfalls Maille hiefs, Holz.kngeln mittelst eines Kolbens
nach (h in Zie le hiu/.utreihen. Die Balm soll, in der Mitte der Hauptavenue
gelegen, uwprtngUch IM0 Benritte lang gewesen sein. Behufs Anlag.'
der Kaskade wurde sie verkürzt und war 17» nur in.dir «70 Sehritte
lang (Mayerhofen SchleiGriieta),