Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Gartenkunst — 4.1902

DOI Artikel:
Brügmann, Christian: Die Hochschule der Gartenkunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22266#0080

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE GARTENKUNST

7b

Unterrichtswesen.

Die Hochschule der Gartenkunst.

Von Chr. Brügmann, Garteningenieur zu Grofs-Flottbeck
bei Hamburg.

Ks giebt wohl kaum eine andere Angelegenheit, die in
jüngster Zeit so sehr das Sinnen und Trachten der deutschen
Gartenkünstlersch&ft bewegt, wie die der Gründung einer
Hochschule, die besonders oder ausschliefslich zum Studium
der Gartenkunst eine geeignete Stätte gewähren soll.

Der Gedanke ist nicht neu. schon früher hat man sich
allerdings nur bis zu einem gewissen Grade, aber mit
vielem Erfolge bemüht, dies Problem auf den Gärtnerlehr-
anstalten zu lösen. Wir stehen deshalb vor der Frage:
Bedürfen wir wirklich einer solchen Anstalt, reichen
unsere Gärtnerlehranstalten nicht aus. gingen nicht viele
tüchtige Männer aus ihnen hervor, bleibt bei der in
unserem Fache so überaus notwendigen Praxis Zeit genug
übrig, um wirklich einem diesbezüglichen Studium obliegen
zu können, und lauten wir nicht Gefahr, fürs Leben un-
praktische Menschen zu erziehen'.' Wir haben eine grofse
Anzahl durchaus gediegener Anlagen. Sind die Schöpfungen
eines Pückler. Lenne, Meyer, Mächtig. Siefsmeyer, -Jürgens.
Bertram, Kowalleck, Trip und mancher anderer nicht
mustergültig? Unterrichten nicht Gartenkünstler ersten
Ranges an unseren Lehranstalten? .

Die Antwort hierauf zu geben, fällt trotz alledem nicht
schwer, unterwerfen wir nur einmal die Sache einer
näheren Betrachtung.

Die Gartenkunst hat in den letzten Jahrzehnten in
Deutschland ganz ungeahnte Fortschritte gemacht und
Erweiterungen erfahren; was früher eine Liebhaberei
einiger kunstsinniger Pürsten und Patrizier war, ist jetzt
bei der ungeheuren Bevölkerungszunahme unserer Städte
hygienische Notwendigkeit geworden. Unsere hohen Miets-
bauten, die nicht allein in horizontalen, sondern auch in
vertikalen Dimensionen den vorhandenen Raum ausfüllend,
Luft und Licht abschliefsen, bedürfen eines Gegengewichtes.
In die entlegenen Gebirge, ja in die Heidelandschaften
dringt die Industrie, Steinbruchsbetrieb, Hüttenwesen, Sa-
linen, Ziegeleien, Kies- und Kieselgurgrüben rauben dem
Gelände seinen natürlichen Reiz: wo früher Wälder, Felder
und Weinberge in idyllischer Harmonie bestanden, starren
uns Schlackenhalden, Hochöfen und Fabrikschlote in rauch-
geschwängerter Atmosphäre entgegen.

Anmutige Strandpartien, die der Seewind erfrischte,
haben der Geschäftigkeit, umfangreicher Hafenbetriebe
weichen müssen. Die Anforderungen, die an jeden heran-
treten, werden von Tag zu Tag gröfser. ganz gleichgültig,
ob er Beamter, Gelehrter, Künstler, Geschäftsmann oder
Arbeiter ist. Politik, Erfindungen, erweiterte Verkehrsein-
richtungen und Konkurrenz stellen an jeden erhöhte An-
forderungen. Die Schnelligkeit der Ausführung aller Be-
triebe nimmt erheblich zu.

Kein Wunder ist es, dafs sich Nervenheilanstalten und
andere Sanatorien mit Opfern der Berufe füllen, und Un-
tauglichkeit zum Militärdienst sich in erhöhtem Mafse in
Industriegegenden bemerkbar macht.

Die Gartenkunst.

FJine Hauptaufgabe der Kultur ist es, ein Volk gesund
zu erhalten; der Mensch bedarf zu seinem Leben einer
direkten Berührung der erwärmenden und desinfizierenden
Sonnenstrahlen, der reinem sauerstoffreichen Luft und der
zeitweisen Ablenkung des alltäglich Geschäftlichen.

Was das unablässig fortschreitende und stetig weiter
sich entwickelnde Umsichgreifen industrieller Thätigkeil
dem Menschen entrifs, vernichtete und verwandelte: die
Garten- und Landschaftskunst kann es ersetzen. Schon
die Araber, die praktischen Rechner, denen wir unsere
Arithmetik verdanken, haben die ausgleichende Macht der
Gartenkunst zu schätzen verstanden: schon zu'Zeiten^Harun
al Raschids, als Bagdad als Residenz der Abassiden Mittel-
punkt einer Völkerwelt zu werden begann, schmückten
herrliche Gärten viele Tausende der Paläste. Um so mehr
mufs in jetziger Zeit, wo geschlossene Häuserblocks, das
Netz der elektrischen Hahnen und der Telephondrähte im
Verein mit Kohlenrufs verdüsternd wirken, die Gartenkunst
mildernd, vermittelnd, klärend und reinigend eingreifen.

Rasenstücke müssen in langgestreckten Zügen oder
als Parterres, als Rabatten mit Festons und Blumenschmuck
viel mehr als bisher die Strafsen, dieselben verbreiternd,
durchziehen. Alleepflanzungen müssen schattenspendend
und luitreinigend wirken, Lichtpartien in Gestalt von öffent-
lichen Schmuckplätzen, von Sport- und Spielplätzen das
lläusermeer trennen, die Luftbewegung fördernd: kommen
doch erwiesenermafsen die meisten Fälle von Hitzschlag
an heifsen Tagen am häufigsten da vor, wo sich die Sonnen-
wärme von hohen Mauern zurückgestrahlt in engen Strafsen
ohne die erforderliche Luftbewegung zu verderbenbringender
Schwüle fängt!

Öffentliche Anlagen in Parkform sind notwendig, um
dem Stadtbewohner jedes Standes Erholung nach ange-
strengter Arbeit in geeigneter Umgebung zu gewähren.

Rennbahnen, Eislaufplätze und Velodrome bedürfen der
Pflanzungen und Gartenanlagen, um den geeigneten Wechsel
von Kohlensäure und Sauerstoff herbeizuführen.

Flufsbadeanstalten würden viel mehr besucht werden
und in gröfserer Menge neu erstehen, wenn künstlerisch-
landschaftliche Ausschmückung zum Verweilen in ihrer
näheren Umgebung einlüden.

Flufsufer erheischen in den meisten Fällen einer be-
ständigen Beaufsichtigung; in sehr vielen Punkten könnte
die jetzt durchaus prosaische Instandhaltung derselben
durch öde Dämme und sogenannte Krippen einer garten-
künstlerischen Platz machen. Waren doch die hängenden
Gärten der Semiramis im Altertume, die man zu den sieben
Weltwundern zählte, nichts anderes als eine terrassen-
förmige Uferdekoration des Euphrat, die von seinen Fluten
bewässert wurde!

Als sicherste Vorkehrung zur Befestigung von halt-
losen Uferstellen haben sich Baumpflanzungen erwiesen.
Zu Zeiten ihrer Glanzperiode hat die chinesische Regie-
rung ungeheure Summen zur Eindämmung des Eloangho
verausgabt; allein über 60 000 Arbeiter waren unter Lei-
tung eines Chefs in den fünfziger .Jahren beschäftigt, die
Dämme in Stand zu erhalten, den Rat der Europäer, die
Dämme und Ufer durch Baumpflanzungen zu befestigen,

12
 
Annotationen