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DIE GARTENKUNST
IV, 6
Melodien entgegen und hier begeistert das
Rauschen der Baumkronen zum Gedicht, zum Lob-
gesange auf diese unvergleichlich schöne Natur!
Allmählich entfernt sich der Pfad vom See, nur
hier und da Durchblicke auf den ernsten dunklen
Wasserspiegel bietend, auf welchem Nymphaea
lutea ihr rundliches Laubwerk und die leuchtend
gelben Blüten ausbreitet. Noch wenige Schritte
und man steht am Ausflufs des Sees, wo sich auf
einem Hügel das einladende Wirtshaus erhebt.
Von diesem idyllischen Ruheplatz führen
mehrere Wege durch wunderherrlichen gemischten
Hochwald nach Bayerisch-Bisenstein im Thale.
Hier bleibe man, wie schon angedeutet, mehrere
Tage (gut aufgehoben bei „Oberst") und unter-
nehme Touren nach den verschiedensten Seiten
hin; jede derselben wird lohnend sein und dem,
der ein oftenes Auge für die Schönheiten der Natur
hat, reiche Ausbeute bringen.
Thalabwärts erreicht man mit der Eisenbahn
in kurzer Zeit Regenhütte. Dort geht man den
idyllisch schönen Prinzenweg am Wasser entlang
nach Station Ludwigsthal und fährt wieder nach
Kisenstein zurück.
Eine zweite Tour beginnt mit der Fahrt thal-
aufwärts nach Station Spitzberg. Zuerst führt der
Weg nach einigen schon auf österreichischem Boden
liegenden Hotels, wo aber Deutsche dem Vernehmen
nach nicht aufgenommen werden sollen, sondern
nur Tschechen. An diesen ungastlichen Häusern
vorbei führt ein gut gehaltener Fahrweg zum
schwarzen See, in dessen stillen Gewässern sich
der Osser spiegelt (Fig. 3). Von da schlägt man
den Weg nach dem Teufelssee ein, der in mannig-
facher Abwechslung an einen der schönsten
deutschen Gebirgsseen führt. Die fürstl. Hohen-
zollernsche Forstverwaltung hat durch wohlge-
haltene Promenaden-Wege redlich für die Bequem-
Pig. 2. Der oberste Fall des Riefsloches bei Bodenmais lichkeit der Touristen gesorgt, das wird man
im bayerischen Wald. dankbar anerkennen, wenn man an der Wand
Nach einer photographischen Aufnahme. des Teufelssees (Fig. 4) auf Brücken gefährliche
Stellen und Wasserrisse ebenen Fufses überschreitet,
gewaltige Stämme auf ihnen gestanden sind; an manchen Von da zieht sich der Weg noch weithin bis nahezu nach
Stellen liegen die Baumleichen quer über- und durchein- Eisenstein durch Wälder.
ander, doch wird auch dieses Bild der Zerstörung lieblich Die Tour nach dem Rachelsee habe ich nicht selbst
und verliert seinen Schrecken durch die in seltener gemacht. Dafür bin ich wiederholt zum Zwieseler Wald-
Schönheit und Üppigkeit entwickelten Farnkräuter, die hier hause gepilgert. Der Weg steigt zunächst durch Fichten-
ganze, nahezu zusammenhängende Gruppen bilden und Fels Wähler an; wenn man zurückblickt, geniefst man eine er-
und Stämme, Verwesendes und Auferstehendes mit der hebende Aussicht auf die gegenüberliegende, den Teufelssee
zierlichsten Vegetation umkleiden und bedecken, Mannes- überragende Seewand (Fig. 5). Dann senkt sich mit einer
höhe erreichend. scharfen Biegung der Pfad. Und nun tritt man aus dem
Auf steinernen Stufen, an schroffer Felswand hinauf dichten dämmrigen Bestände jungen Nadelholzes in den
vorläfst man das Vorland und gerade diese Stelle ist so Hochwald! Weifstannen, Fichten, Buchen und auch Ahorn
wildromantisch, dafs man sich nicht sonderlich verwundern stehen da im wohlthuendsten Wechsel, die meisten von
würde, wenn ein Lindwurm in der Scene erschiene und ihnen Riesen ihrer Art bis zu majestätischer Höhe und
ein gepanzerter Ritter aufträte, zum Kampf mit dem Drachen einem gewaltigen Durchmesser. Bald bilden sie dichte
bereit. Hier finden Landschaftsmaler die grofsartigsten und Bestände und zeigen dann die herrlichen Stämme, Säulen
kühnsten Motive, hier quellen dem Musiker die ureigensten gleich bis zum Gipfel unverhüllt, bald sind sie locker ge-
DIE GARTENKUNST
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Melodien entgegen und hier begeistert das
Rauschen der Baumkronen zum Gedicht, zum Lob-
gesange auf diese unvergleichlich schöne Natur!
Allmählich entfernt sich der Pfad vom See, nur
hier und da Durchblicke auf den ernsten dunklen
Wasserspiegel bietend, auf welchem Nymphaea
lutea ihr rundliches Laubwerk und die leuchtend
gelben Blüten ausbreitet. Noch wenige Schritte
und man steht am Ausflufs des Sees, wo sich auf
einem Hügel das einladende Wirtshaus erhebt.
Von diesem idyllischen Ruheplatz führen
mehrere Wege durch wunderherrlichen gemischten
Hochwald nach Bayerisch-Bisenstein im Thale.
Hier bleibe man, wie schon angedeutet, mehrere
Tage (gut aufgehoben bei „Oberst") und unter-
nehme Touren nach den verschiedensten Seiten
hin; jede derselben wird lohnend sein und dem,
der ein oftenes Auge für die Schönheiten der Natur
hat, reiche Ausbeute bringen.
Thalabwärts erreicht man mit der Eisenbahn
in kurzer Zeit Regenhütte. Dort geht man den
idyllisch schönen Prinzenweg am Wasser entlang
nach Station Ludwigsthal und fährt wieder nach
Kisenstein zurück.
Eine zweite Tour beginnt mit der Fahrt thal-
aufwärts nach Station Spitzberg. Zuerst führt der
Weg nach einigen schon auf österreichischem Boden
liegenden Hotels, wo aber Deutsche dem Vernehmen
nach nicht aufgenommen werden sollen, sondern
nur Tschechen. An diesen ungastlichen Häusern
vorbei führt ein gut gehaltener Fahrweg zum
schwarzen See, in dessen stillen Gewässern sich
der Osser spiegelt (Fig. 3). Von da schlägt man
den Weg nach dem Teufelssee ein, der in mannig-
facher Abwechslung an einen der schönsten
deutschen Gebirgsseen führt. Die fürstl. Hohen-
zollernsche Forstverwaltung hat durch wohlge-
haltene Promenaden-Wege redlich für die Bequem-
Pig. 2. Der oberste Fall des Riefsloches bei Bodenmais lichkeit der Touristen gesorgt, das wird man
im bayerischen Wald. dankbar anerkennen, wenn man an der Wand
Nach einer photographischen Aufnahme. des Teufelssees (Fig. 4) auf Brücken gefährliche
Stellen und Wasserrisse ebenen Fufses überschreitet,
gewaltige Stämme auf ihnen gestanden sind; an manchen Von da zieht sich der Weg noch weithin bis nahezu nach
Stellen liegen die Baumleichen quer über- und durchein- Eisenstein durch Wälder.
ander, doch wird auch dieses Bild der Zerstörung lieblich Die Tour nach dem Rachelsee habe ich nicht selbst
und verliert seinen Schrecken durch die in seltener gemacht. Dafür bin ich wiederholt zum Zwieseler Wald-
Schönheit und Üppigkeit entwickelten Farnkräuter, die hier hause gepilgert. Der Weg steigt zunächst durch Fichten-
ganze, nahezu zusammenhängende Gruppen bilden und Fels Wähler an; wenn man zurückblickt, geniefst man eine er-
und Stämme, Verwesendes und Auferstehendes mit der hebende Aussicht auf die gegenüberliegende, den Teufelssee
zierlichsten Vegetation umkleiden und bedecken, Mannes- überragende Seewand (Fig. 5). Dann senkt sich mit einer
höhe erreichend. scharfen Biegung der Pfad. Und nun tritt man aus dem
Auf steinernen Stufen, an schroffer Felswand hinauf dichten dämmrigen Bestände jungen Nadelholzes in den
vorläfst man das Vorland und gerade diese Stelle ist so Hochwald! Weifstannen, Fichten, Buchen und auch Ahorn
wildromantisch, dafs man sich nicht sonderlich verwundern stehen da im wohlthuendsten Wechsel, die meisten von
würde, wenn ein Lindwurm in der Scene erschiene und ihnen Riesen ihrer Art bis zu majestätischer Höhe und
ein gepanzerter Ritter aufträte, zum Kampf mit dem Drachen einem gewaltigen Durchmesser. Bald bilden sie dichte
bereit. Hier finden Landschaftsmaler die grofsartigsten und Bestände und zeigen dann die herrlichen Stämme, Säulen
kühnsten Motive, hier quellen dem Musiker die ureigensten gleich bis zum Gipfel unverhüllt, bald sind sie locker ge-