IV, B
DIE GARTENKUNST
87
den bereits bebauten Stadtteilen Lindens getrennt. In
grofsem Bogen umschliefst die Altenbekener Bahn den
Hügel und teilt die Gemarkungen in 2 Teile. Besondere
Berücksichtigung verlangte der zu erbauende Stichkanal
mit der Hafenanlage im Westen für den Fall, dafs der
Mittellandkanal zur Ausführung kommt. Mehrere grofse,
schon teilweise bebaute Komplexe, grofsen Privatgesell-
schaften oder zu Fabriketablissements gehörend, wirkten
für die Projektierung sehr störend. In den Bedingungen
wurde aufserdem gefordert, dafs die einzelnen Grund-
stücke möglichst günstig durchschnitten, vorhandene Wege
bei Entwerfen des Strafsennetzes berücksichtigt und dafs
zweckentsprechende und praktische Strafsenverbindungen
geschaffen würden. Der auf dem Lindener Berge vor-
handene Friedhof sollte erhalten bleiben und daneben
noch ein 5—6 ha grofser Volkspark vorgesehen werden.
Hieran anschliefsend wurde ein Villenquartier mit landhaus-
mäfsiger Bebauung verlangt. Über Strafsenbreiten waren
im Programm einige Anhaltspunkte gegeben und schliefs-
lich wurde noch betont, dafs die Beurteilung der Entwürfe
nicht allein nach Schönheit und Zweckmässigkeit, sondern
vor allem nach der Ausführbarkeit erfolgen solle.
Dafs durch Gegebenes und Gefordertes die Aufgabe
an Schwierigkeit gewonnen hat, bedarf nicht besonders
hervorgehoben zu werden. Der ziemlich steil ansteigende
Lindener Berg mufste mit den Hauptverkehrsstrafsen um-
gangen werden und forderte gebieterisch eine konzentrische
Führung der Strafsen, die wiederum durch schräg geführte,
sich den Horizontalkurven ziemlich anschliefsende Xeben-
strafsen in Verbindung gebracht werden mufsten. Der das
Gelände scharf trennende Bahnkörper erschwerte insofern
die Projektierung, als neue Übergänge vermieden werden
sollten. Da für den Teil unterhalb des Lindener Berges
offene landhausmäfsige Bebauung verlangt war, so bot die
Führung der Zugangsstrafsen zum Stichkanal und Hafen
mancherlei Schwierigkeit, da unmöglich der ganze Last-
verkehr durch die Villenquartiere geleitet werden durfte
und weite Umwege von den Fuhrleuten nicht gern ge-
macht werden. Die grofsen. teils bebauten Grundstücke
der Gesellschaften legten sich der Führung notwendiger
Verbindungsstrafsen hindernd in den Weg und vielen Ent-
würfen merkte man es deutlich an, wie sich die Verfasser
davor gescheut hatten, sie zu durchschneiden, obgleich
der Verkehr es dringend forderte. Unvermeidlich war
jedenfalls, wie auch aus dem Preisrichterprotokoll ersicht-
lich, die Schaffung von bequemen und möglichst, direkten
Verkehrsstrafsen von der Ecke der Deisterstrafse (siehe
Plan S. 47 unten rechts) um den Berg herum nach den
Hauptzugangsstrafsen von Badenstedt, Davenstedt und
Limmer. (Auf dem hier zur Veröffentlichung gelangten
Plan sind diese Verkehrsrichtungen durch die mit Allee-
bäumen bepflanzten Strafsenzüge leicht erkenntlich).
Von den 50 zur Konkurrenz stehenden Entwürfen
dürfte der Technik der Darstellung nach zu urteilen die
gröfsere Mehrheit von Geometern, der kleinere Teil von
Architekten stammen. Auf Gartenkünstler konnte man
vermutlich nur die eine Arbeit zurückführen. Wie bei
allen öffentlichen Ausschreibungen befand sich auch hier
eine gröfsere Anzahl von Projekten, die von vornherein
als minderwertige Leistungen auszuscheiden waren. Es
waren Pläne vorhanden, die mehr Strafsenkörper als Bau-
terrain aufwiesen. Andere hatten auf die bedeutenden
Höhenunterschiede und auf die Verkehrsrichtungen gar
keine Rücksicht genommen; bei anderen war die Ein-
teilung wenig glücklich, so dafs die einzelnen Baublöcke
recht ungünstige Formen und Gröfsenverhältnisse auf-
wiesen.
Im allgemeinen waren die mit Schiene und Dreieck
hergestellten, also solche Pläne mit möglichst geraden
Strafsen und möglichst regelmäfsigen Einteilungen, in der
Mehrzahl, während die Zahl der nach rein malerischen
Prinzipien bearbeiteten, wie sie sich an Namen wie Ca-
millo Sitte und Prof. Henrici klammern, in der Minderheit
blieben, obwohl man hätte annehmen sollen, dafs die
Terrainlage unterhalb des Lindener Berges solches von
selbst gefordert hätte. Man konnte deutlich wahrnehmen,
wie sich die Herren, die sich mit der Anfertigung von
Stadterweiterungsplänen befassen, in 2 Lager trennen: hier
möglichst gerade Strafsenzüge, regelmäfsige Platzeinteilung
und häufig rein symmetrische Anordnung, dort überall
Unregelmäfsigkeit und der Sinn auf das Malerische ge-
richtet bei gebührender Berücksichtigung des Verkehrs.
Will man auf vorhandene Vorbilder hinweisen, so findet
man bei jenen Städtebilder, wie sie in den Anlagen des
letzten Halbjahrhunderts so häufig entstanden sind und in
der Schachbrettmanier der Amerikaner so prägnant zum
Ausdruck kommen. In Deutschland bietet bekanntlich die
Stadt Mannheim mit ihrer quadratischen Einteilung das
krasseste Beispiel dafür. Bei diesen hingegen sind jene
anheimelnden malerischen Motive mittelalterlicher Stadt-
baukunst hervorgeholt worden, wie sie in vielen unserer
alten Städte immer wieder unsere Bewunderung erregen.
Das Richtige und Brauchbarste dürfte auch hier in der
Mitte liegen. Eben so wenig wie wir unsere Strafsen und
Stadtplätze vollständig willkürlich und scheinbar planlos
anlegen dürfen, ebensowenig sollen wir auch anerkannt
gute Motive aufser acht lassen. Und thatsächlich waren
die besseren durch Preise ausgezeichneten Arbeiten nach
diesen Gesichtspunkten bearbeitet worden. Als zu weit
gehend mufs es m. E. bezeichnet werden, wenn z. B. ein
(preisgekrönter) Entwurf jegliche gerade Linie in der
Strafsenführung vermieden hatte. Jede Strafse, und sei
sie auch noch so kurz, zeigte stärkere oder schwächere
Schwingungen.
Der hier veröffentlichte Entwurf des Stadtgartendirektor
Trip trat aus der Masse der anderen Entwürfe sehr vor-
teilhaft hervor:
1. durch klare und zweckentsprechende Führung der
Hauptverkehrsstrafsen,
2. durch geschickte Anlehnung an die Terrainlage,
3. durch Schaffung von vielen malerischen Architektur-
plätzen.
Der letzte Umstand hob diese Arbeit in künstle-
rischer Beziehung, wie ausdrücklich im Preisrichter-
protokoll hervorgehoben wurde, über alle anderen hoch
hinaus.
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DIE GARTENKUNST
87
den bereits bebauten Stadtteilen Lindens getrennt. In
grofsem Bogen umschliefst die Altenbekener Bahn den
Hügel und teilt die Gemarkungen in 2 Teile. Besondere
Berücksichtigung verlangte der zu erbauende Stichkanal
mit der Hafenanlage im Westen für den Fall, dafs der
Mittellandkanal zur Ausführung kommt. Mehrere grofse,
schon teilweise bebaute Komplexe, grofsen Privatgesell-
schaften oder zu Fabriketablissements gehörend, wirkten
für die Projektierung sehr störend. In den Bedingungen
wurde aufserdem gefordert, dafs die einzelnen Grund-
stücke möglichst günstig durchschnitten, vorhandene Wege
bei Entwerfen des Strafsennetzes berücksichtigt und dafs
zweckentsprechende und praktische Strafsenverbindungen
geschaffen würden. Der auf dem Lindener Berge vor-
handene Friedhof sollte erhalten bleiben und daneben
noch ein 5—6 ha grofser Volkspark vorgesehen werden.
Hieran anschliefsend wurde ein Villenquartier mit landhaus-
mäfsiger Bebauung verlangt. Über Strafsenbreiten waren
im Programm einige Anhaltspunkte gegeben und schliefs-
lich wurde noch betont, dafs die Beurteilung der Entwürfe
nicht allein nach Schönheit und Zweckmässigkeit, sondern
vor allem nach der Ausführbarkeit erfolgen solle.
Dafs durch Gegebenes und Gefordertes die Aufgabe
an Schwierigkeit gewonnen hat, bedarf nicht besonders
hervorgehoben zu werden. Der ziemlich steil ansteigende
Lindener Berg mufste mit den Hauptverkehrsstrafsen um-
gangen werden und forderte gebieterisch eine konzentrische
Führung der Strafsen, die wiederum durch schräg geführte,
sich den Horizontalkurven ziemlich anschliefsende Xeben-
strafsen in Verbindung gebracht werden mufsten. Der das
Gelände scharf trennende Bahnkörper erschwerte insofern
die Projektierung, als neue Übergänge vermieden werden
sollten. Da für den Teil unterhalb des Lindener Berges
offene landhausmäfsige Bebauung verlangt war, so bot die
Führung der Zugangsstrafsen zum Stichkanal und Hafen
mancherlei Schwierigkeit, da unmöglich der ganze Last-
verkehr durch die Villenquartiere geleitet werden durfte
und weite Umwege von den Fuhrleuten nicht gern ge-
macht werden. Die grofsen. teils bebauten Grundstücke
der Gesellschaften legten sich der Führung notwendiger
Verbindungsstrafsen hindernd in den Weg und vielen Ent-
würfen merkte man es deutlich an, wie sich die Verfasser
davor gescheut hatten, sie zu durchschneiden, obgleich
der Verkehr es dringend forderte. Unvermeidlich war
jedenfalls, wie auch aus dem Preisrichterprotokoll ersicht-
lich, die Schaffung von bequemen und möglichst, direkten
Verkehrsstrafsen von der Ecke der Deisterstrafse (siehe
Plan S. 47 unten rechts) um den Berg herum nach den
Hauptzugangsstrafsen von Badenstedt, Davenstedt und
Limmer. (Auf dem hier zur Veröffentlichung gelangten
Plan sind diese Verkehrsrichtungen durch die mit Allee-
bäumen bepflanzten Strafsenzüge leicht erkenntlich).
Von den 50 zur Konkurrenz stehenden Entwürfen
dürfte der Technik der Darstellung nach zu urteilen die
gröfsere Mehrheit von Geometern, der kleinere Teil von
Architekten stammen. Auf Gartenkünstler konnte man
vermutlich nur die eine Arbeit zurückführen. Wie bei
allen öffentlichen Ausschreibungen befand sich auch hier
eine gröfsere Anzahl von Projekten, die von vornherein
als minderwertige Leistungen auszuscheiden waren. Es
waren Pläne vorhanden, die mehr Strafsenkörper als Bau-
terrain aufwiesen. Andere hatten auf die bedeutenden
Höhenunterschiede und auf die Verkehrsrichtungen gar
keine Rücksicht genommen; bei anderen war die Ein-
teilung wenig glücklich, so dafs die einzelnen Baublöcke
recht ungünstige Formen und Gröfsenverhältnisse auf-
wiesen.
Im allgemeinen waren die mit Schiene und Dreieck
hergestellten, also solche Pläne mit möglichst geraden
Strafsen und möglichst regelmäfsigen Einteilungen, in der
Mehrzahl, während die Zahl der nach rein malerischen
Prinzipien bearbeiteten, wie sie sich an Namen wie Ca-
millo Sitte und Prof. Henrici klammern, in der Minderheit
blieben, obwohl man hätte annehmen sollen, dafs die
Terrainlage unterhalb des Lindener Berges solches von
selbst gefordert hätte. Man konnte deutlich wahrnehmen,
wie sich die Herren, die sich mit der Anfertigung von
Stadterweiterungsplänen befassen, in 2 Lager trennen: hier
möglichst gerade Strafsenzüge, regelmäfsige Platzeinteilung
und häufig rein symmetrische Anordnung, dort überall
Unregelmäfsigkeit und der Sinn auf das Malerische ge-
richtet bei gebührender Berücksichtigung des Verkehrs.
Will man auf vorhandene Vorbilder hinweisen, so findet
man bei jenen Städtebilder, wie sie in den Anlagen des
letzten Halbjahrhunderts so häufig entstanden sind und in
der Schachbrettmanier der Amerikaner so prägnant zum
Ausdruck kommen. In Deutschland bietet bekanntlich die
Stadt Mannheim mit ihrer quadratischen Einteilung das
krasseste Beispiel dafür. Bei diesen hingegen sind jene
anheimelnden malerischen Motive mittelalterlicher Stadt-
baukunst hervorgeholt worden, wie sie in vielen unserer
alten Städte immer wieder unsere Bewunderung erregen.
Das Richtige und Brauchbarste dürfte auch hier in der
Mitte liegen. Eben so wenig wie wir unsere Strafsen und
Stadtplätze vollständig willkürlich und scheinbar planlos
anlegen dürfen, ebensowenig sollen wir auch anerkannt
gute Motive aufser acht lassen. Und thatsächlich waren
die besseren durch Preise ausgezeichneten Arbeiten nach
diesen Gesichtspunkten bearbeitet worden. Als zu weit
gehend mufs es m. E. bezeichnet werden, wenn z. B. ein
(preisgekrönter) Entwurf jegliche gerade Linie in der
Strafsenführung vermieden hatte. Jede Strafse, und sei
sie auch noch so kurz, zeigte stärkere oder schwächere
Schwingungen.
Der hier veröffentlichte Entwurf des Stadtgartendirektor
Trip trat aus der Masse der anderen Entwürfe sehr vor-
teilhaft hervor:
1. durch klare und zweckentsprechende Führung der
Hauptverkehrsstrafsen,
2. durch geschickte Anlehnung an die Terrainlage,
3. durch Schaffung von vielen malerischen Architektur-
plätzen.
Der letzte Umstand hob diese Arbeit in künstle-
rischer Beziehung, wie ausdrücklich im Preisrichter-
protokoll hervorgehoben wurde, über alle anderen hoch
hinaus.
14*