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Die Gartenkunst — 4.1902

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Tutenberg, Ferdinand: Die Vorgartenfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.22266#0123

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116

DIE GARTENKUNST

IV, 6

In vielen Städten, als Frankfurt, Hannover, Berlin, Leip-
zig, Dresden, Breslau etc., hat man schon seit Jahren die
Bhimenpflege durch Schulkinder mit Erfolg betrieben, ein-
gedenk dessen, dal's gerade dieses, sowie überhaupt der Um-
gang mit der Natur zum Nachdenken anregt und auf das Ge-
müt der Kinder, der Menschen veredelnd einwirkt

Wie viel mehr kann ein schön gepflegter Vorgarten in
erster Linie dem Besitzer Freude bereiten und Erholung ge-
wahren, in zweiter Linie regt dieser Umgang mit der Natur
zu immer gröfseren Studien mit derselben an, während als
dritter nicht zu unterschätzender Faktor die Strafsen unserer
Stadt ein Bild erhalten, welches anheimelnd wirkt auf den
Einheimischen sowohl als auf den Fremden. Andere Städte,
wie Köln, Düsseldorf, Aachen, Hannover, Berlin etc., erfreuen
sich eines besonderen Kufes über wohlgepflegte Vorgärten,
Balkons etc., und es lal'st sich wo"hl auch kein schönerer An-
blick vergegenwärtigen, als das Wohnhaus im grünen, farbigen
Kähmen eines sauber gepflegten Gärtchens, die Balkons und
Veranden in Ermangelung eines Gärtchens mit Schlingge-
wächsen berankt oder schön dekorierte Blumenfenster, die
Zeugnis ablegen, dafs der Besitzer die Liebe zur Natur, zur
Pflanzenwelt eifrig pflegt.

Es drängt sich nun bei uns die Frage auf, wie ist hier
bahnbrechend einzugreifen? Nun auch hier haben bereits noch
kleinere Städte wie Mainz, z. B. Liegnitz und in letzterer Zeit
Erfurt, den W eg gezeigt. Unter reger Unterstützung des
Magistrats, des Verschönerungs- und Verkehrsvereins und nicht
minder des Vereins der Hauseigentümer wurde hier in Form
von Preisausschreiben vorgegangen und nicht zu unter-
schätzende Erfolge erzielt.

In beiden genannten Städten waren es im besonderen die
Stadtverwaltungen, welche den Unternehmungen ein weit-
gehendes lind wohlberechtigtes Interesse entgegenbrachten.

Ich möchte nunmehr dem verehrl. Vorstand nachfolgen-
den Antrag zur gefl. Beurteilung und Befürwortung unter-
breiten :

Der „Mainzer Gartenbau-Verein" wolle im Interesse
unserer Stadt wohlwollend in Erwägung ziehen, in welcher
Form, resp. welche Mittel anzuwenden sind, die Mainzer
Hausbesitzer zu bewegen, die vorhandenen Vorgärten ihrer
Häuser während der Vegetationszeit in einen dem gärtne-
rischen Schönheitssinn entsprechenden Zustand zu setzen
und in diesem zu erhalten; wie auch die Inhaber von Ve-
randen und Altanen ersucht werden müfsten, dieselben durch
Schlinggewächse, Fensterkästen etc. in einen einladenden
und freundlichen Zustand zu bringen. Sei es nun durch
Aussetzen von Prämien und zwar:
[, Auf den besten und geschmackvollsten Vorgarten.
II. Auf die beste und geschmackvollste Dekoration von Ve-
randen und Fenstern.
Diese Aufforderung könnte ferner unterstützt werden
durch Erteilung von Ratschlägen und Vorträgen über die
Anlage und Pflege der Vorgärten, durch Unterweisung in
der Pflege der bestgeeignetsten Pflanzen für den Garten,
als wie derjenigen der sich am besten für Fensterkultur be-
währten Florblumen und Blattpflanzen.

Ich glaube hierbei nicht fehl zu gehen, wenn ich an
nehme, dafs auch die städt. Verwaltung diesem Schritte fördernd
gegenübersteht, wie man auch betrebt sein mufs, den Verband
der „Mainzer Hauseigentümer" und den „Verkehrsverein" für
die Sache zu erwärmen. Der Verein selbst aber kann sich
beim Gelingen dieser Aufgabe das Zeugnis geben, bahn-
brechend und fördernd der schönen Gartenkunst die Wege

geebnet und weitere Schichten der hiesigen Bevölkerung für
dieselbe gewonnen zu haben; nicht minder aber die Über-
zeugung hegen, zur Verschönerung unserer Wohnstätten in
hervorragender Weise thätig gewesen zu sein. Der Unter-
zeichnete ist sich wohl der Schwierigkeiten, die dieses Unter-
nehmen mit sich im Gefolge hat, bewusft; eingedenk dessen
aber, dafs sich alles Gute und Schöne dennoch Bahn bricht,
glaubt derselbe jedoch, dafs der Verein bei einiger Sympathie
für den angeführten Antrag auch hier in Mainz viele Freunde
und Gönner für- ein derartiges Vorgehen finden wird, welches
doch nur im Interesse unserer Mitbürger und zur Verschöne-
rung unserer Stadt gedacht ist; und was andere und kleinere
Städte als Mainz mit Erfolg durchsetzten und dabei diese Idee
in allen Kreisen weitgehendstes Entgegenkommen fand, wird
auch den Mainzer bei seiner Empfänglickeit für alles Gute
und Schöne anspornen, das Angenehme mit dem Nützlichen
zu verbinden und sich das Zusammenwohnen mit seinen Mit-
menschen nach Möglichkeit zu erleichtern und zu verschönern.

Ich empfehle daher obigen Antrag dem verehrl. Vorstande
zu warmer Unterstützung und zeichne

Hochachtungsvoll

gez. Schröder, Gartendirektor.

Es ist ohne Zweifel ein arbeitsreiches Unternehmen
und reich an Kämpfen, aber ohne Kampf kein Sieg und
ohne Fleifs kein Preis. Allerdings müfsten. hierzu alle
Fachvereine und in erster Linie wohl der Verein Deutscher
Gartenkünstler ihr ganzes Können einsetzen. Am meisten
wird die Entwickelung der Vorgärten durch die Boden-
verhältnisse gehindert. Ist der Neubau vollendet, so wird
gewöhnlich zur Füllung des meistens anzufüllenden Vor-
gartens der gesamte Bauschutt, Abfall und alle mögliehen
und unmöglichen, aber nur nicht den Pflanzen zusagenden
Bodenarten hier untergebracht; das ganze Chaos von
schädlichen Bestandteilen erhält dann vielleicht eine
20—30 cm hohe Schicht guter Erde, um dem Ganzen ein
gefälliges Aussehen zu verleihen, den Hausbesitzer und
vielleicht Blumenfreund zu täuschen, dem beauftragten
Landschal'tsgürtner aber ein resigniertes Achselzucken zu
entlocken. Wer mit Vorgartenbesitzern zu thun gehabt
hat, wird wissen, dafs eine Anforderung des Gärtners,
dahin lautend, den Boden oder besser Schutt abfahren zu
lassen und durch guten Mutterboden zu ersetzen, einfach
abgeschlagen wird. Nun gut, es wird gepflanzt und wächst
und gedeiht auch vorläufig üppig, aber nach 2—3 Jahren
stellen sich die Polgen der schlechten Bodenbearbeitung
im allmählichen Eingehen der Pflanzen ein.

Der besagte Antrag im hiesigen Gartenbauverein wurde
einstimmig angenommen, ein erfreuliches Zeichen, dafs
man der Sache auch ein wirklich weitgehendes Interesse
entgegenbringt.

Der Zweck dieser Zeilen soll jedoch sein, in den
Kreisen unserer Mitglieder in dieser wichtigen Angelegen-
heit einen Meinungsaustausch herbeizuführen, wie man
hier mit Erlolg vorgehen kann. Es wären geeignete Rat-
schläge zugleich ein willkommener Wink für die ver-
schiedenen Gartenbauvereine, wie dieselben bei ihrem Vor-
gehen zweckentsprechend und vor allen Dingen erfolgreich
weitere Kreise in ihre Interessen hineinziehen könnten.
Den Mitgliedern des Vereins Deutscher Gartenkünstler sei
 
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