Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 14.1903

DOI Artikel:
Schliepmann, Hans: Billige, geschmackvolle Wohnungs-Einrichtungen: einige Worte zum Wettbewerbe der "Innen-Dekoration"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6711#0025

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION.

15

für bereits begehrte Leistungen einen sehr hohen
»Affektionswert« einsetzen und ihre Kunst damit
bewusst als Luxus-Kunst einschätzen; es ist aber
nicht zu vergessen, dass die Unsicherheit unseres
Geschmackes, der eben noch kein Geschmack,
sondern nur Modelaune ist, es ganz unmöglich
macht, bei wirklich guten, aber mätzchenfreien
Arbeiten sich die erlaubten Vorteile des Gross-
Betriebs dienstbar zu machen.

Dass diese unselige Wechsel-Wirkung zwischen
Angebot und Nachfrage besteht, zwischen Ver-
ziehung der Künstler durch das Publikum und
weiterer Verziehung des Publikums durch Fabri-
kanten, die dem Ungeschmack schmeicheln, um
daraus ihren Vorteil zu ziehen, darin liegt die ausser-
ordentliche Schwierigkeit, der neuen Kunst Bahn
zu schaffen. — Diese Kunst will, so weit sie gesund
ist, nicht neue Schnörkel schaffen, wenngleich sie
natürlich als eine endlich wirklich persönliche Kunst
auch das Ornament aus eigenem Empfinden prägen
und nicht mehr aus Vorlagen-Werken zusammen-
stoppeln will und muss. Aber sie will aus dem
Kern und Herzen der Dinge herausschaffen und
vor allem wahrhaftig sein. Sie will den Dingen
zunächst ihre sinngemäßeste und natürlichste Werk-
form geben und diese in anmutigen oder herben,
ernsten oder zierlichen, jedenfalls aber bezeichnenden
Verhältnissen ausdrücken, wie etwa auch ein Zwei-
rad ohne jede Verzierung schön gebaut sein kann.
Und erst, wenn die c^rform vollkommen, beginnt
sie das Spiel der Verzierungen, je nach dem Grade
des zulässigen Luxus. Und weil sie ihre Reize
zunächst aus einer möglichst vollkommenen Durch-
bildung des Notwendigen herauszuholen trachtet,
kann sie nicht billig sein, nicht so billig wie
»Konkurrenz-Ware«. Das Publikum wird eben,
sobald es nicht mehr blöden Auges und ohne Waren-
Kenntnis kauft, erkennen, dass es für die jetzt durch
Unterbietung und Pfuscherei erzeugten Preise von
Rechtswegen überhaupt nicht einwandfreie Ware
bekommen kann, dass es unter allen Umständen
mehr anlegen muss, als jetzt üblich, um wahrhaft
preiswert zu kaufen, dass es seine Ansprüche an
luxuriöse Aufmachung herabsetzen muss, die ja doch

auch im Grunde so schnell zu einer Ermüdung des
Auges, zu einem Überdruss an all den, in jeder zweiten
Wohnung wiederholten Verzierungen führen muss.

Und wenn man so zur gediegenen Einfachheit
zurückkehrt, wird man auch einsehen lernen, wie
schwer gerade sie zu gestalten ist. »Deutsche
Renaissance zu entwerfen, ist deshalb so leicht, weil
alle Linien richtig sind, auch wenn man sie falsch
gezeichnet hat«, pflegte ein boshafter Architekt
früher zu lehren. Über verpfuschte Verhältnisse
wird der Schnörkel geklebt, und die Sache geht.
Freilich nur scheinbar, für das unerzogene Auge.
Das feinere fühlt, dass eine hässliche Gestalt durch
jugendliches Kostüm und Schmuck nicht erträg-
licher erscheint, sondern nur widerwärtiger anzu-
schauen ist. Und das gilt für die angewandte
Kunst genau so. Die Urform ist aufs Feinste
abzuwägen; anders kann kein Ornament dem Gegen-
stande Vollendung geben. — Es ist nun natürlich
besonders schwer gerade für Gegenstände täglichen
Gebrauches, vorzüglich z. B. für Sitz-Möbel, neue
originelle Formen zu finden. Das wird oft nur
durch Gewaltsamkeiten geschehen können, die der
aus so und so viel früheren Schöpfungen hervor-
leuchtenden Rationalität, die zu fester Überlieferung
geworden, ein Schnippchen schlagen. Und das wird
wieder — Extrageld kosten, auch für die Herstellung.

Aus all diesen Erwägungen geht hervor, dass
es ausgeschlossen ist, Wunderwerke zu verlangen,
wenn wohlfeiler Hausrat gefordert wird. Darin
waren die Preisrichter, glaube ich sagen zu dürfen,
völlig einig, dass nur das gute Einfache in Frage
kommen könne, dass an ihm das Publikum eben
erst lernen müsse, was es von einem Möbel ver-
langen müsse und könne. In der belehrenden Kraft
der Entwürfe liegt somit der eigentliche Erfolg des
Wettbewerbes. Nach dieser Richtung möge nament-
lich der Laie die weiter unten folgenden sehr ver-
ständigen Ausführungen der Verfasser der in erster
Linie gekrönten Entwürfe studieren, dann aber, ohne
das eigene Geschmacks-Urteil völlig aufzugeben,
aber doch auch mit bestem Willen, den Künstlern
nachzugehen, auch die weiteren Entwürfe nach
solchen Gesichtspunkten prüfen. hans schliepmakn.
 
Annotationen