Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Über Kleinigkeiten im modernen Kunstgewerbe, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0064

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
50 INNEN-DEKORATION

HOTEL ADLON—BERLIN.

Herren-Waschtoiletten von Thiergärtner
und Voltz & Wittmer—Baden - Baden.

ÜBER KLEINIGKEITEN IM MODERNEN KUNSTGEWERBE.

I. Inserate.

In ihren Prinzipien hat sich die moderne kunstgewerb-
liche Revolution völlig durchgesetzt. Nun sind es
die nebensächlichen Dinge, die Kleinigkeiten, das ge-
ringfügige Tausenderlei an Gegenständen, auf die der
neue Gedanke übergreifen wird und muß. Betrachtet man
das Allernächstliegende, das uns tagtäglich irgendwie
beschäftigt, so findet man Dinge in Fülle, an denen
alles, was Künstler und Schriftsteller seit zehn Jahren
tun und schaffen, spurlos vorübergegangen ist. Kleinig-
keiten sind zwar belanglos, gewiß, und man erträgt
ein schlechtes Flaschenetikett, eine geschmacklose
Zigarettenpackung sicherlich, ohne Schaden an seiner Seele
zu nehmen. Aber die Einheitlichkeit des Ganzen fehlt
in diesem Falle doch. Es ist ein Mangel an Fein-
fühligkeit, wenn der Expansionslust eines Gedankens,
den man »im Prinzip« und im Großen anerkennt, so
wenig Raum gegeben wird; von Kultur aber soll man
nicht eher reden, als bis alle diese Kleinigkeiten
wenigstens von einem Hauch des modernen kunst-
gewerblichen Geistes berührt worden sind.

Es soll hier wieder einmal auf eine Sache hinge-
wiesen werden, die schon oft moniert worden ist,
nämlich auf die Inserate und Anpreisungen, die die
Annoncenbogen besonders unserer illustrierten Blätter
füllen. An den Annoncenteil der Tageszeitungen ist

hier erst in zweiter Linie gedacht; einmal, weil sie
weniger klischierte Anzeigen bringen und sich meist
auf reinen Text beschränken, der heute schon vielfach
recht geschmackvoll gestaltet wird. Das andere Mal,
weil ihre hohen Auflagen, der eilige Druck und das
schlechte Papier keine sehr günstigen Vorbedingungen
für künstlerisch gediegene Inseratreklame bilden. Diese
Hemmnisse fallen bei den Inseratbogen der Monats-
und Halbmonatsblätter, auch der Wochenschriften,
größtenteils fort. Und trotzdem tobt sich in ihnen
heute noch die wildeste Geschmacklosigkeit geradeso
aus wie vor 10 und mehr Jahren. Man nehme das
nächstbeste derartige Blatt zur Hand und schlage die
Annoncen nach. Da wird sehr fleißig gebildert; im
besten Falle sieht man eine autotypische Reproduktion
des Gegenstandes, übel in den Raum gesetzt, inmitten
eines Textes, der schlecht und unübersichtlich ange-
ordnet ist. In der Regel aber ist es viel schlimmer.
Die Gegenstände werden nicht nach einer Photographie
wiedergegeben, sondern nach einer Zeichnung von
»Künstlerhand«. Da diese Hand zu wenig kann, um
das Wesentliche knapp und präzis zu charakterisieren,
verliert sie sich in die geschmacklosesten Details und
wird dadurch nicht etwa deutlich, sondern roh. Daß
sich diese Künstlerhand, zu derl[stets ein Kopf ohne
Phantasie gehört, streng an das Gegenständliche hält,
 
Annotationen