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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 19.1908

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Servaes, Franz: Wert und Aufgaben der Kunstzeitschriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.7478#0256

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238

Wert und Aufgaben der Kunstzeitschriften.

VON FRANZ SERVAES.

Davon will ich nicht einmal reden: was eine gutgeleitete
Kunstzeitschrift Dem bedeutet, der, vom Hochgang
großstädtischen Lebens abgeschlossen, abseits vor sich hin
lebt, das Herz voller Sehnsucht nach den Berührungen alter
und junger Schönheit. Diesem Manne bedeuten seine Bücher,
seine Mappenwerke und seine Zeitschriften eine Welt. Er
selbst kann nicht dorthin pilgern, wo die Schönheit erzeugt
oder gezeigt wird — so kommt die Schönheit zu ihm und
beglückt ihn in seiner Klause. So stumpf ist Niemand, dag
er das nicht sich vorstellen könnte. Aber vielleicht ist diese
Vorstellung ein wenig romantisch und sentimental. Ich
fürchte, die Leute in den kleinen Städten und auf Dörfern,
die mit lebendiger Kunst kaum je in Berührung kommen,
abonnieren nicht sehr viel auf Kunstzeitschriften. Mein In-
stinkt sagt mir, dag die Hauptabonnenten der Kunstzeit-
schriften in den großen Städten sirjen und um so mehr, je
reger das künstlerische Leben ist, das die jeweilige Stadt
entfaltet. Gerade diejenigen, von denen jene Anderen glauben,
daß sie „alles haben können", fühlen das brennendste Be-
dürfnis nach immer neuer Orientierung, weil ihre zunehmende
Sachkenntnis ihnen fühlbar macht, wie wenig sie haben.
Alles nur Bruchstück! Alles in raschem Wirbel sich vorüber-
drängend! Kaum mit hungrigen Augen genossen und schon von
neuen Eindrücken beiseite geschoben, die ihrerseits, morgen
schon, von abermals neuen verschlungen werden. Keine Pause,
kein Halt — und da eben seßt die Kunstzeitschrift ein. Sie fixiert
das hastig Vorüberbrausende, sie gibt der vorüberrinnenden
Welle eine Dauer. So verrichtet sie in ihrer Art das Gleiche,
was jene Künstler tun, die man Impressionisten nennt. Wie
diese dem „Reiz des Momentanen" nachjagen, wie sie mit
der Kraft ihres verwegenen Pinsels das Flüchtige in ein
Dauerndes verwandeln, so schöpfen auch die Kunstzeitschriften
aus dem in stetig rollender Entwicklung begriffenen Leben
und suchen dessen schönheitlich Wertvollstes den Sinnen
und Auffassungen als Erinnerungswerte einzuprägen.

Kunstzeitschriften sind zum allergrößten Teil Monats-
schriften. Sie werden später einmal Dokumente einer Zeit
sein. Was sie bringen und besprechen, erhält eine gewisse
Dauer. Es wird ein fester Niederschlag werden und soll
dessen würdig sein. Die Kunstzeitschriften übernehmen in
dieser Hinsicht eine gewisse Garantie und tragen eine große
ästhetische Verantwortung. Eine Zeitschrift, die unkritisch

geleitet wird, die sich darauf einläßt, Minderwertigkeiten
und Bedeutungslosigkeiten zu publizieren und wichtig zu
nehmen, die vielleicht gar der Nichtigkeit dient und dem
seichten Ungeschmack des großen Haufen schmeichelt, kann
schweres und großes Unheil anrichten. Sie kann die
künstlerische Entwicklung einer Zeit um Jahre und Jahrzehnte
hemmen. Dies ist nicht bloß hypothetisch gemeint, sondern
es gibt solche Kunstzeitschriften — und nicht bloß in Eng-
land. Das Allerweltsevangelium, dem sie sich verschrieben
haben, ist für die Entwicklung der Kunst völlig bedeutungs-
los. Eine echte und rechte Kunstzeitschrift aber wird sich stets
und vor allem als ein Vehikel der künstlerischen Entwicklung
betrachten. Sie wird ihren Ehrgeiz darein seßen, das feinste
und reinste Wachstum der Zeit zu belauschen, das Beste,
Zukunftsträchtigste, Echteste hervorzuheben und ins Licht
zu rücken und, wo das notwendig, dem ringenden Talent
oder befehdeten Genie kraftvoll und rücksichtslos Bahn zu
brechen. Sie wird ein Mundrohr aller edelsten, das Kultur-
niveau erhöhenden und bereichernden Bestrebungen der
Epoche sein. Sie wird mit scharfem vorurteilslosem Blick
Umschau halten, aus der widerstreitenden Vielfältigkeit der
Erscheinungen die einheitliche Summe des wahrhaft Ge-
leisteten ziehen und mit Vorsicht und Spürkraft die Wege
bereiten helfen, die in eine reifere und reichere Zukunft
führen. Und zweifellos wird sie alle Mittel, die eine Zeit
geschaffen hat, um Kunstschöpfungen im Bilde größeren
Kreisen zu vermitteln, sich nach besten Kräften aneignen
und ihren Ergeiz darein setzen, nicht bloß in der Wahl des
Abzubildenden sondern vor allem auch in der Ausführung
ihrer Reproduktionen Mustergültiges zu bieten. Sie wird
eben — kurz heraus — nicht damit zufrieden sein, Kunst
wiederzuspiegeln, sie wird auch in sich ein Stück Kunst
sein wollen. Jeder der ihre Seiten aufschlägt, soll schon
aus der bloßen Anordnung der Blätter den Hauch der Kunst
sich entgegenschlagen sehen. Er soll sich dem banausischen
Alltag entrückt, und in eine künstlerische Heimat verseßt
und dort festgehalten fühlen. Spürt der Leser die Wirkung,
dann wird er zur Zeitschrift unwillkürlich Vertrauen haben.
Dann weiß er, hier waltet ein Geist und ordnet eine Hand,
die im Geiste wahrer Kunst tätig sind und was diese Dir
vorführen und empfehlen, das wird und muß, wie auch immer,
mit ernsten Kunstbestrebungen zusammenhängen. -

CARL WITZMANN—WIEN. Kaffeeservice.
 
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